Pflegeversicherungen mit Lücken

Der Markt für private Pflegeversicherungen ist klein. Die Produkte sind ähnlich, die Prämien sind teuer und stark gestiegen.

Und: Sie können im Fall der Pflegebedürftigkeit anfallende Kosten, zum Beispiel die einer 24-Stunden-Betreuung, kaum abdecken. Das zeigt eine Studie des Vereins für Kon­sum­ent­en­information (VKI) im Auftrag der AK.      

Kleiner Markt

Der Markt für private Pflegeversicherungen ist über­schau­bar. Derzeit teilen sich sechs Anbieter den Markt: Allianz, Donau Versicherung, Nürnberger, S-Versicherung, Uniqa und Wiener Städtische.

Fast einheitliche Angebotspalette

Die Versicherer bieten ähnlich ausgestaltete Pflege­ver­sicher­ungs­tarife an, die sich meistens – außer Nürnberger Ver­sicher­ung (duale Einstufung der Pflegebedürftigkeit nach den gesetzlichen Pflegestufen und einem Punktesystems für alltägliche Verrichtungen -ADL's) – bei der Leistung (monat­liche Auszahlung im Pflegefall) an den gesetzlichen Pflege­geld­stufen orientieren. Beim gesetzlichen Pflegegeld gibt es sieben Pflegestufen, die sich am Pflegebedarf in Stunden pro Monat ausrichten. Eine private Pflegversicherung leistet fixe Zahlungen pro Pflegestufe (je höher die Stufe, desto höher die Leistung). Das entspricht von der Tendenz her einer Verdoppelung des gesetzlichen Pflegegeldes. Zum Beispiel beträgt das gesetzliche Pflegegeld in der Stufe 5 derzeit 920,30 Euro. Die Leistungen der Pflegeversicherer betragen – je nach Versicherer – zwischen 920,30 und 1.000 Euro.

Wissenswertes, um vor Überraschungen gefeit zu sein

Pflegeversicherung ist eine Risikoversicherung
Erstens, eine Pflegeversicherung ist eine Risikoversicherung: Tritt der Leistungsfall der Pflegebedürftigkeit nicht ein, dann ist die Prämie „weg“ – es gibt keine Kapitalauszahlung wie etwa bei einer kapitalbildenden Lebensversicherung. Das kann bei kapitalbildenden Spar- und Ver­an­lag­ungs­pro­dukt­en (etwa Sparbuch) nicht passieren – das Angesparte bleibt erhalten.

Etliche Tarife leisten erst ab Pflegestufe 3 oder höher 
Zweitens, leisten etliche Tarife erst ab Pflegestufe 3 oder höher – in Pflegestufe 1 und 2 gibt’s also kein Geld von der Versicherung, wenn der Pflegefall nach der Pflegestufe 1 oder 2 eintritt. Bei Uniqa gibt es überhaupt erst ab Pflege­stufe 4 eine Leistung. Die Statistik zeigt, dass rund zwei Drittel der gesetzlichen Pflegegeldbezieher in Stufe 1, 2 oder 3 eingestuft sind.

Beispiel zur Illustration, was von einer privaten Pflege­ver­sicher­ung zu erwarten ist: Ein/e 40-jährige Frau/Mann schließt eine Pflegeversicherung ab. Er/sie zahlt eine Monats­prämie von 67,95 Euro. Im Alter von 75 Jahren tritt die Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 2 ein (Pflegebedarf von mehr als 95 Stunden pro Monat). Er/Sie erhält nach dem Bundespflegegeldgesetz 290 Euro pro Monat. Hingegen erfolgt von der Versicherung keine Leistung. Das bedeutet, dass die/der VersicherungsnehmerIn bis zum Eintritt der Pflegebedürftigkeit in Summe 28.539 Euro (35 Jahre bzw. 420 Monate zu je 67,95 Euro Monatsprämie) einbezahlt hat – in den Pflegestufen 1 und 2 jedoch aufgrund vertraglicher Vereinbarung leer ausgeht.  

Pflegekosten pro Monat können kaum oder gar nicht abgedeckt werden
Drittens, auch wenn die Pflegeversicherung eine Geld­leist­ung erbringt, können die anfallenden Pflegekosten pro Monat kaum oder gar nicht abgedeckt werden. Beispiel: Die Kosten für 24-Stunden-Betreuung betragen etwa 2.400 Euro. In der Pflegestufe 4 (mehr als 160 Stunden Pflegebedarf pro Monat) beträgt das gesetzliche Pflegegeld 677,60 Euro. Dieses gesetzliche Pflegegeld kann die 2.400 Euro nicht abdecken – es entsteht eine Lücke von 1.722,30 Euro.

Die private Pflegeversicherung kann diese Fin­anz­ierungs­lücke allerdings auch nicht zur Gänze schließen. Denn die Leistung der Versicherung in Pflegestufe 4 beträgt 700 Euro: sie verringert lediglich die Lücke –  also die Differenz aus Pflegekosten von 2.400 Euro minus gesetzlichem (677,60 Euro) Pflegegeld und privater Versicherungsleistung (700 Euro) – auf 1.022,30 Euro.

Ab wann rentiert sich nun eine private Pflege­ver­sicher­ung? 
Zum einen, wenn die Pflegversicherung für eine volle Deck­ung der monatlich anfallenden Pflegekosten sorgt. Aber dafür müssten KonsumentInnen tief in die Tasche greifen. Sprich, sie müssten eine sehr hohe Versicherungsprämie – einige hundert Euro pro Monat – zahlen, um sich eine volle Kostendeckung für zum Beispiel eine 24-Stunden-Betreuung zu erkaufen. Und eine Versicherung zahlt sich auch dann aus, wenn die Leistungen aus der Versicherung die Prämien­zahl­ungen übersteigen.

Die/der 40-jährige Versicherungsnehmer, der bis zum 75 Lebensjahr bzw. zum Eintritt der Pflegebedürftigkeit (Pflegestufe 4) eine Prämiensumme von 28.539 Euro (420 Monate zu je 67,95 Euro) einbezahlt hat, erhält eine monatliche Versicherungsleistung von 700 Euro. Das heißt, dass er/sie nach rund 41 Bezugsmonaten – Prämiensumme von 28.539 Euro dividiert durch 700 Euro pro Monat - die Versicherungsleistungen die Prämienzahlungen übersteigen. Unter diesem Aspekt rentiert sich die private Pflege­ver­sich­er­ung – nach 35-jähriger Prämienzahlungsdauer (420 Monate) und Bezug der Versicherungsleistung (700 Euro/Monat) ab dem 75. Lebensjahr -, wenn die/der Ver­sicher­ungs­nehmerIn 78,4 Jahre alt ist.

Private Pflegeversicherungen sind teuer 
Überdies haben sich die Prämien für Pflegeversicherungen erheblich verteuert. Ein neu abgeschlossener Pflege­ver­sicher­ungs­ver­trag für eine/n 40-jährige/n Frau/Mann kostet im Vergleich zu 2014 im Schnitt um 57 Prozent mehr – bei keiner oder eher geringer Leistungssteigerung. Fazit: Private Pflegeversicherungen sind teuer und weisen etlichen Leist­ungslücken auf.

Vergleichsrechnungen anstellen!

„Bei den Tarifen gibt es Allerlei zu beachten“, rät AK Kon­sum­ent­en­schützer Christian Prantner. Ist eine Pflege­ver­sicher­ung einmal abgeschlossen, ist ein Ausstieg nicht em­pfehl­ens­wert. Kündigung oder Wechsel zu einem anderen An­bieter ist nicht sinnvoll: „Da zahlt man nur drauf – die Prämie ist weg, denn es gibt keine Kapitalauszahlung. Und ein neuer Pflegeversicherungsvertrag rechnet sich nicht, weil sich die Prämie primär am Einstiegsalter bemisst – je älter, desto teurer.“

Private Pflegeversicherungen sind Verträge auf unbestimmte Laufzeit. „Eine Kündigung oder ein Wechsel in ein anderes Pflegeversicherungsprodukt ist nicht rentabel“, sagt Prantner. Die Prämie ist verloren, es gibt keine Kapital­aus­zahl­ung. Der neue Versicherer rechnet mit einem neuen, höheren Einstiegsalter, was die Prämie verteuert.“

Die Pflegeversicherung ist eine teure Personenversicherung mit vielen beachtenswerten Details. Denn es gibt Tarife, die erst eine Leistung ab Pflegestufe 3 oder 4 erbringen. Es gibt auch Einmalerlagsvarianten (Einmalprämie zu Ver­trags­be­ginn) und einen Versicherer (Nürnberger), der sich bei der Leistung nach einem dualen System  - gesetzlichen Pflege­stufen und Punktesystem für alltägliche Verrichtungen (ADL – Activities of Daily Life) - orientiert. Sollte es zu unter­schied­lichen Einstufungen kommen, gilt die für den Ver­sich­er­ungs­nehmer/die Versicherungsnehmerin die bessere Einstufung. Bei den Tarifen (Prämien) gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Mann und Frau (Unisex-Tarife). Es gibt bei allen Tarifen ein höchstmögliches Einstiegsalter – zwischen 65 (Uniqa) und 75 Jahren (Nürnberger). „Für das Thema Vor­sorgen für die Pflege ist viel Vorarbeit notwendig“, rät Prantner. Denn es gilt, einen möglichen Bedarf festzustellen und Tarife sowie Alternativen zur Pflegeversicherung (Spar­formen, Bauspardarlehen für Pflegebedarf) zu überprüfen. 

Tipp

  • Teure Prämien: Private Pflegeversicherungen sind teuer. Eine 50-jährige Person zahlt je nach Versicherer zwischen rund 49 und 108 Euro pro Monat. Die Leistung entfällt bei allen Ver­sicher­ern in Pflegestufe 1 und 2 – erst ab Pflegestufe 3 (Ausnahme Uniqa: erst ab Stufe 4) gibt es eine monatliche Leistung zwischen rund 452 und 700 Euro. Machen Sie eine Vergleichsrechnung: Was zahlen Sie an Prämie ein, wieviel können Sie – ab einem bestimmten Bezugsalter an Ver­sich­er­ungs­leist­ung­en in den diversen Pflegegeldstufen erwarten? Spielen Sie verschiedene Szenarien durch!
  • Nach Alternativen umschauen: Erkundigen Sie sich nach Alternativen zur Pflegeversicherung, bei der es bei allen Anbietern ein Höchst­ab­schluss­alter gibt (65 bis 75 Jahre). Möglich sind Pflege-Bauspardarlehen (auf Zinsen, Spesen achten) sowie sichere Sparformen, die einen Vorteil zur privaten Pflegeversicherung haben. Tritt der Pflegefall nicht ein, bleibt das Ersparte erhalten. Das ist bei einer privaten Pflege­ver­sicher­ung nicht der Fall.
  • Vergleiche anstellen: Es gibt unterschiedliche Tarifvarianten – von der Einstufung über Leist­ungs­va­rianten, regelmäßige oder einmalige Ein­zahlungen bis hin zu Nach­ver­sicher­ungs­ga­ran­tien gibt es unterschiedliche Tarife und Modelle für unterschiedliche Bedürfnisse.

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