E-Book-Reader, TV & Co are watching you
Immer mehr Firmen, preisen Dinge an, die ins Internet integriert sind und uns durchleuchten. Die Geräte erlauben den Firmen noch tiefere Einblicke in unser Leben – Erstellen von Persönlichkeitsprofilen oder Prognosen über künftiges Verhalten inbegriffen. Eine AK Studie setzt sich mit der kommerziellen digitalen Überwachung kritisch auseinander. Mit dem ‚Internet der Dinge‘ tut sich gerade eine Vision auf, die für Datenschützer ein Albtraum ist.
Nicht nur Smartphones und mobile Apps spionieren
Smartphones und mobile Apps gelten momentan als Einfallstor für Datensammler, aber es kommt noch dicker. Eine von der AK beim Wiener Institut für kritische digitale Kultur (Studienautor Wolfie Christl) in Auftrag gegebene Studie zeigt: Immer mehr Firmen bieten – mit Sensoren ausgestattete und dem Internet verbundene – Geräte an, die uns durchleuchten. Die Zahl der Daten, die KonsumentInnen Datensammlern selbst bereitstellen, nimmt zu: E-Book-Reader übertragen Daten zum Leseverhalten an Unternehmen. Vernetzte TV liefern Angaben über angesehene Filme. Mit Fitness-Trackern oder -armbändern (Wearables) überwachen sich KonsumentInnen im Dienste ihrer Gesundheit nicht nur selbst, sondern liefern auch Facebook-Freunden und Firmen Daten über etwa Puls, Schlaf, Gewicht.
Was Ihre Zahnbürste alles über Sie weiß
Hunderte Angebote zur Vermessung der eigenen Körperfunktionen und zur „Optimierung des Selbst“ sind bereits auf dem Markt. Für 2018 werden 80 Millionen verkaufte Geräte und 30 Milliarden Dollar Umsatz in diesem Bereich vorhergesagt. Aber es geht noch wilder: Biometrische Kopfhörer, T-Shirts und Büstenhalter messen den Puls. Intelligente Zahnbürsten melden Zahnputzaktivitäten via Bluetooth auf das Smartphone. Mit einer App können Putzprogramme eingestellt und das -verhalten ausgewertet werden. Ein US-Forscherteam hat Gesundheitssensoren entwickelt, die sich wie entfernbare Tattoos auf die Haut drucken lassen. Sie messen Temperatur und ausgeübte Kräfte.
Totale Überwachung der ArbeitnehmerInnen
Entwickler haben auch die Arbeitswelt im Auge. Das US-System Theatro ermöglicht die Ortung von Angestellten und bietet die Auswertung von deren Verhalten, Produktivität und Bewegungsmuster an. Überwachungsboxen im Auto zeichnen rund um die Uhr das Fahrverhalten auf und übertragen etwa Beschleunigungswerte an Versicherungen, die die Höhe der Prämienzahlung von den gemessenen Daten abhängig machen. In Spanien, Großbritannien und den USA ist dieses Prinzip schon etabliert.
Wo bleibt die Privatsphäre?
Die Entwicklung wirft zahllose Fragen in Bezug auf Privatsphäre und Überwachungsgelüste auf. Informationen über das Privatleben können noch intensiver ausgebeutet werden. Falsche Schlussfolgerungen haben negative Auswirkungen auf Einzelne. Sind keine Daten über eine Person vorhanden, schätzen Unternehmen das Risiko für eine Kundenbeziehung unter Umständen als zu hoch ein. Die AK verlangt daher vorsorgliche Risikoanalysen. Denn die geltenden Datenschutzgesetze bieten keine Antworten auf digitale Risiken. Aktuell klafft eine Lücke zwischen Datenschutzrecht und Praxis.
Unsere Forderungen
- Mehr Schutz: Gesetzgeber und Kontrollbehörden müssen frühzeitig schützend eingreifen, wenn eine Aushöhlung des Datenschutzes droht. Datenschutzkritische Trends müssen frühzeitig erkannt werden. Die Gestaltung von datenschutzrelevanten Geschäftsideen darf nicht allein den Unternehmen überlassen werden.
- Regeln für den Datenhandel: Anbieter berufen sich oft auf Einwilligungsklauseln, die viel zu unbestimmt sind. Meist fehlt es auch an der Freiwilligkeit der Zustimmung – dann nämlich, wenn der Konsument keine andere Alternative vorfindet, als einen Dienst gar nicht zu nutzen. Dort, wo die freiwillige und informierte Zustimmung der KonsumentInnen eine bloße Fiktion ist, muss der Schutz der Nutzer gesetzlich geregelt werden.
- Kontrolliert durch Datenschutz-Gütesiegel: Heikle neue Trends sollten eine Datenschutz-Zertifizierung durchlaufen müssen, etwa das europäische Datenschutz-Gütesiegel EuroPriSe.
- Europäische Datenschutz-Verordnung verbessern: Es braucht strengere Anforderungen für eine „informierte Zustimmung“ der Betroffenen, damit ihre persönlichen Daten verarbeitet und weitergenutzt werden können für andere (Marketing)-Zwecke. Ebenso wichtig sind die (internationale) Durchsetzbarkeit, die Sanktionierung und die Ausstattung der Kontrollbehörden mit angemessenen Ressourcen.
- Geschäftsmodelle überdenken: Anbieter müssen Geschäftsmodelle entwickeln, die verantwortungsbewusst, also auch sparsam mit den Kundendaten umgehen. Das Vertrauen vieler NutzerInnen in digitale Kommunikationstechnologien ist bereits angekratzt. Das World Economic Forum hat schon 2012 festgehalten, dass dieser Mangel an Vertrauen in Bezug auf persönliche Daten eine Bedrohung für die digitale Wirtschaft ist.
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