Beendigung & Vorzeitige Auflösung
Grundsätzlich ist zwischen der Beendigung und der vorzeitigen Auflösung eines Lehrverhältnisses zu unterscheiden.
Beendigung des Lehrverhältnisses
Bei einer Beendigung des Lehrvertrages kraft Gesetzes braucht es weder einer Erklärung des Lehrlings noch des/der Lehrberechtigten. Das Lehrverhältnis endet vielmehr „automatisch“ bei einem objektiv erkennbaren Eintritt eines bestimmten im Berufsausbildungsgesetz angeführten Ereignisses.
Die Gründe, die zu einer Beendigung des Lehrverhältnisses führen sind:
- Ablauf der im Lehrvertrag vereinbarten Dauer der Lehrzeit
- Erfolgreiche Ablegung der Lehrabschlussprüfung vor dem Lehrzeitende (der letzte Tag des Lehrverhältnisses ist der auf die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung folgende Sonntag)
- Tod des Lehrlings
- Verweigerung der Eintragung des Lehrvertrags (Rechtskraft des Bescheides)
- Löschung der Eintragung des Lehrvertrages (Rechtskraft der Löschung)
- Tod des/der Lehrberechtigten ohne entsprechende Bestellung eines Ausbilders/einer Ausbilderin
- Verlust oder Zurücklegung der für die Lehrlingsausbildung erforderlichen Gewerbeberechtigung
- Verbot der Lehrlingsausbildung für den Lehrberechtigten/die Lehrberechtigte (Rechtskraft des Bescheides)
WICHTIG
Nach Beendigung des Lehrverhältnisses besteht grundsätzlich das Recht, die Berufsschule weiter zu besuchen!
Bei einer Beendigung des Lehrverhältnisses stehen dem Lehrling zu
- das Lehrlingseinkommen (früher: Lehrlingsentschädigung),
- die aliquoten Teile der im Kollektivvertrag vorgesehenen Sonderzahlungen sowie
- die finanzielle Abgeltung des Urlaubs
Vorzeitige Auflösung des Lehrverhältnisses
Ein Lehrvertrag wird für die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Lehrzeit abgeschlossen und ist damit als befristeter Arbeitsvertrag zu bewerten. Ein derart - befristeter - Lehrvertrag kann daher nicht gekündigt werden. Es gibt somit weder Kündigungsfristen noch Kündigungstermine.
Jede vorzeitige Auflösung eines Lehrverhältnisses bedarf der Schriftform!
Der/Die Lehrberechtigte hat die Lehrlingsstelle über die vorzeitige Auflösung zu informieren (Übermittlung einer Kopie der schriftlichen Auflösungserklärung).
Es gibt 5 Möglichkeiten der vorzeitigen Auflösung
1. Probezeit
Die ersten 3 Monate des Lehrverhältnisses gelten als Probezeit. Besucht ein Lehrling während der ersten 3 Monate des Lehrverhältnisses einen Berufsschullehrgang (8 bis 12 Wochen), so gelten die ersten 6 Wochen der tatsächlichen betrieblichen Ausbildung/Beschäftigung auch als sogenannte erweiterte Probezeit. Die Probezeit könnte daher theoretisch bis zu 4,5 Monate dauern.
Während der Probezeit kann der Lehrvertrag sowohl vom Lehrling als auch vom/ von der Lehrberechtigten jederzeit einseitig und ohne Angabe eines Grundes und ohne Einhaltung einer Frist oder eines Termins schriftlich aufgelöst werden.
2. Einvernehmliche Auflösung
Der Lehrvertrag kann bei Willensübereinstimmung von Lehrberechtigtem/ Lehrberechtigter und Lehrling jederzeit einvernehmlich vorzeitig aufgelöst werden.
Für diese einvernehmliche Auflösung müssen keine Gründe angegeben werden. Auch bestimmte Fristen oder Termine gibt es dafür nicht. Das Auflösungsdatum ist in der schriftlichen Auflösungserklärung festzulegen.
Wenn ein noch minderjähriger Lehrling den Lehrvertrag einvernehmlich auflösen möchte, braucht er dazu die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters/der gesetzlichen Vertreterin.
Für die Rechtswirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung des Lehrverhältnisses ist darüber hinaus eine Belehrung des Lehrlings über die nach dem Berufsausbildungsgesetz bestehenden sonstigen Auflösungsmöglichkeiten sowie deren Rechtsfolgen notwendig. Die erfolgte Belehrung ist entweder durch eine Bescheinigung der Kammer für Arbeiter und Angestellte oder durch das Arbeits- und Sozialgericht schriftlich zu bestätigen.
WICHTIG
Der/Die Lehrberechtigte hat eine Kopie der schriftlichen Auflösungserklärung und diese Belehrungsbestätigung an die Lehrlingsstelle zu übermitteln!
3. Entlassung (Vorzeitige Auflösung durch den Lehrberechtigten)
Der Lehrvertrag kann vom/von der Lehrberechtigten einseitig schriftlich vorzeitig aufgelöst werden, wenn:
- der Lehrling einen Diebstahl, eine Veruntreuung oder eine sonstige strafbare Handlung begeht, die ihn gegenüber dem/der Lehrberechtigten vertrauensunwürdig macht;
- der Lehrling mehr als 1 Monat in Haft ist, ausgenommen Untersuchungshaft;
- der Lehrling den Lehrberechtigten/die Lehrberechtigte, dessen Betriebs- oder Haushaltsangehörige tätlich oder erheblich wörtlich beleidigt oder gefährlich bedroht hat;
- der Lehrling Betriebsangehörige zur Nichtbefolgung von betrieblichen Anordnungen, zu unordentlichem Lebenswandel oder zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten sucht;
- der Lehrling trotz wiederholter Ermahnung seine Pflichten nach dem Berufsbildungsgesetzes, dem Schulpflichtgesetz oder dem Lehrvertrages verletzt oder vernachlässigt;
- der Lehrling ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis anderen Personen verrät oder es ohne Zustimmung des/der Lehrberechtigten verwertet;
- der Lehrling einen seiner Ausbildung abträglichen Nebenjob betreibt;
- der Lehrling ohne Einwilligung des/der Lehrberechtigten Arbeiten seines Lehrberufes für Dritte verrichtet und dafür Entgelt verlangt;
- der Lehrling seinen Lehrplatz unbefugt verlässt;
- der Lehrling unfähig wird, den Lehrberuf zu erlernen und das Wiedererlangen dieser Fähigkeiten innerhalb der vereinbarten Lehrzeit nicht zu erwarten ist;
- der Lehrling einer Ausbildung im Rahmen des Ausbildungsverbundes infolge erheblicher Pflichtverletzung nicht nachkommt.
WICHTIG
Grundsätzlich muss es sich um eine schwere Pflichtverletzung des Lehrlings handeln. Die Praxis zeigt aber, dass oft auch unberechtigte Entlassungen vorgenommen werden. Es ist daher ratsam, in jedem Fall der Entlassung umgehend Kontakt mit der Arbeiterkammer aufzunehmen.
4. Austritt (Vorzeitige Auflösung durch den Lehrling)
Der Lehrvertrag kann vom Lehrling einseitig schriftlich vorzeitig aufgelöst werden, wenn:
- der Lehrling ohne Schaden für seine Gesundheit das Lehrverhältnis nicht fortsetzen kann;
- der Lehrling seinen Lehrberuf aufgibt;
- der Betrieb oder die Werkstätte auf Dauer in eine andere Gemeinde verlegt wird und dem Lehrling die Zurücklegung eines längeren Weges nicht zugemutet werden kann (während der ersten 2 Monate der Verlegung);
- der Lehrling in eine andere Gemeinde übersiedelt und dem Lehrling die Zurücklegung eines längeren Weges nicht zugemutet werden kann (während der ersten 2 Monate nach der Übersiedlung);
- der Lehrling von seinen Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten wegen wesentlicher Änderung ihrer Verhältnisse zu ihrer Unterstützung oder zur vorwiegenden Verwendung in ihrem Betrieb benötigt wird;
- der/die Lehrberechtigte oder der Ausbilder/die Ausbilderin seine/ihre Pflichten gröblich vernachlässigt;
- der/die Lehrberechtigte oder der Ausbilder/die Ausbilderin den Lehrling zu unsittlichen oder gesetzwidrigen Handlungen zu verleiten sucht;
- der/die Lehrberechtigte oder der Ausbilder/die Ausbilderin den Lehrling misshandelt, körperlich züchtigt oder erheblich wörtlich beleidigt;
- der/die Lehrberechtigte oder der Ausbilder/die Ausbilderin den Lehrling gegen Misshandlungen, körperliche Züchtigungen oder unsittliche Handlungen von Seiten der Betriebs- und Haushaltsangehörigen des/der Lehrberechtigten zu schützen unterlässt;
- der/die Lehrberechtigte unfähig wird, seine/ihre Verpflichtungen auf Grund des Berufsausbildungsgesetzes oder des Lehrvertrages zu erfüllen;
- der/die Lehrberechtigte länger als 1 Monat in Haft gehalten wird, es sei denn, dass ein Geschäftsführer/eine Geschäftsführerin oder ein Ausbilder/eine Ausbilderin bestellt ist;
- dem Lehrling eine vereinbarte ergänzende Ausbildung im Rahmen eines Ausbildungsverbundes ohne gerechtfertigte Gründe nicht im vorgesehenen Lehrjahr vermittelt wird.
WICHTIG
Es ist ratsam, vor jeder beabsichtigten vorzeitigen Auflösung, den Rat der Arbeiterkammer einzuholen.
Wenn ein noch minderjähriger Lehrling den Lehrvertrag durch Austritt vorzeitig auflösen möchte, braucht er dazu die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters/der gesetzlichen Vertreterin.
Trifft den Lehrberechtigten/die Lehrberechtigte ein Verschulden an der vorzeitigen Auflösung des Lehrvertrages, so steht dem Lehrling Schadenersatz – zumindest im Ausmaß von 3 Monaten - für die entgangene Lehrzeit (Restlehrzeit, Weiterbeschäftigungszeit) zu.
5. Außerordentliche Auflösung
Durch den Lehrling
Der Lehrling kann zum Ende des 1. Lehrjahres und bei Lehrberufen mit mindestens 3-jähriger Dauer auch bis zum Ende des 2. Lehrjahres das Lehrverhältnis unter Einhaltung einer Frist von 1 Monat außerordentlich auflösen.
- Eine Begründung für diese außerordentliche Auflösung ist nicht nötig.
- Die Auflösung hat schriftlich zu erfolgen.
- Bei minderjährigen Lehrlingen ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters/der gesetzlichen Vertreterin notwendig.
Durch den Lehrberechtigten
Auch der/die Lehrberechtigte kann das Lehrverhältnis zum Ende des 1. Lehrjahres und bei Lehrberufen mit mindestens 3-jähriger Dauer bis zum Ende des 2. Lehrjahres unter Einhaltung einer Frist von 1 Monat außerordentlich auflösen. Allerdings ist die außerordentliche Auflösung durch den Lehrberechtigten/ die Lehrberechtigte an ein Mediationsverfahren geknüpft. Folgende Schritte sind unbedingt einzuhalten, widrigenfalls die Auflösung nicht rechtswirksam ist:
- Der/Die Lehrberechtigte hat die beabsichtigte außerordentliche Auflösung und die geplante Aufnahme eines Mediationsverfahrens spätestens am Ende des 9. bzw. 21. Lehrmonats dem Lehrling, der Lehrlingsstelle und gegebenenfalls dem Betriebsrat sowie dem Jugendvertrauensrat mitzuteilen.
- Die Mitteilung hat den Namen des Lehrlings, seine Adresse, seinen Lehrberuf sowie den Beginn und das Ende der Lehrzeit zu enthalten.
- Die Lehrlingsstelle hat die Arbeiterkammer binnen angemessener Frist über die Mitteilung zu informieren.
- Diese geplante außerordentliche Auflösung ist vom/von der Lehrberechtigten nicht zu begründen.
- Vor der Erklärung der außerordentlichen Auflösung muss ein Mediationsverfahren durchgeführt und beendet werden. Die Voraussetzung der Durchführung und Beendigung des Mediationsverfahrens entfällt, wenn der Lehrling die Teilnahme an der Mediation schriftlich ablehnt. Diese Ablehnung kann binnen 14 Tagen schriftlich widerrufen werden.
Das Mediationsverfahren läuft wie folgt ab
- Auf das Mediationsverfahren ist das Zivilrechts-Mediations-Gesetz (ZivMediatG) anzuwenden.
- Zweck der Mediation ist es, die Problemlage für die Beteiligten nachvollziehbar darzustellen und zu erörtern, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung des Lehrverhältnisses möglich ist.
- Der/Die Lehrberechtigte hat dem Lehrling eine/n in der Liste beim Bundesministerium für Justiz eingetragenen Mediator/eingetragene Mediatorin vorzuschlagen.
- Der Lehrling kann die genannte Person unverzüglich ablehnen. Der/Die Lehrberechtigte hat in diesem Fall 2 weitere eingetragene Mediator:innen vorzuschlagen, von denen der Lehrling unverzüglich eine Person auszuwählen hat. Wählt der Lehrling keine Person aus, ist der Erstvorschlag angenommen.
- Der/Die Lehrberechtigte hat den Mediator/die Mediatorin spätestens am Ende des 10. Lehrmonats bzw. am Ende des 22. Lehrmonats zu beauftragen.
- In die Mediation sind der/die Lehrberechtigte, der Lehrling, bei dessen Minderjährigkeit auch der gesetzliche Vertreter/die gesetzliche Vertreterin und auf Verlangen des Lehrlings auch eine Person seines Vertrauens einzubeziehen.
- Die Kosten des Mediationsverfahrens hat der/die Lehrberechtigte zu tragen.
- Das Mediationsverfahren ist beendet, wenn ein Ergebnis erzielt wurde. Als Ergebnis gilt: die Bereitschaft des/der Lehrberechtigten das Lehrverhältnis fortzusetzen oder
die Erklärung des Lehrlings nicht weiter auf die Fortsetzung des Lehrverhältnisses zu bestehen. - Das Mediationsverfahren ist auch beendet wenn der Mediator/die Mediatorin es für beendet erklärt oder mit Beginn des 5. Werktages vor Ablauf des 11. beziehungsweise 23. Lehrmonats, wenn zumindest ein Mediationsgespräch unter Beteiligung des/der Lehrberechtigten oder in dessen Vertretung einer mit der Ausbildung des Lehrlings betrauten Person stattgefunden hat.
- Der/Die Lehrberechtigte hat der Lehrlingsstelle die Erklärung der außerordentlichen Auflösung des Lehrverhältnisses unverzüglich mitzuteilen.
- Die Lehrlingsstelle hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) von der Auflösung unverzüglich in Kenntnis zu setzen, um einen reibungslosen Ausbildungsübertritt - innerhalb von 3 Monaten - zu gewährleisten.
- Die außerordentliche Auflösung hat schriftlich zu erfolgen.
- Die Auflösung des Lehrverhältnisses ist keine Kündigung, sondern eine Auflösung sui generis (eigener Art).
- Auf die außerordentliche Auflösung ist trotzdem der besondere Kündigungsschutz nach dem Mutterschutzgesetz, Väter-Karenzgesetz, Arbeitsplatz-Sicherungsgesetz, Behinderteneinstellungsgesetz und für Mitglieder des Betriebsrates oder Jugendvertrauensrates nach dem Arbeitsverfassungsgesetz anzuwenden. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Erklärung der Auflösung.
- Wird das Lehrverhältnis während einer Arbeitsverhinderung wegen Erkrankung, Unfall, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit durch den Lehrberechtigten/die Lehrberechtigte außerordentlich aufgelöst, besteht Anspruch auf Fortzahlung des Entgelts für die im BAG vorgeschriebene Dauer, wenngleich das Lehrverhältnis vorher endet.
WICHTIG
Es ist grundsätzlich ratsam, rechtzeitig vor jeder beabsichtigten oder umgehend nach jeder durchgeführten vorzeitigen Auflösung, den Rat der Arbeiterkammer einzuholen.
Nach Erhalt der Mitteilung über die geplante außerordentliche Auflösung empfehlen wir, umgehend mit der Arbeiterkammer Kontakt aufzunehmen um die vom Lehrling zu treffenden Entscheidungen abzuklären.
Downloads
Broschüre
- starter kit (0,2 MB - pdf)
- survival kit (0,7 MB - pdf)
- gastro kit (0,2 MB - pdf)
- Lehre und Teilqualifikation (6,6 MB - pdf)
- Drogenkonsum während der Lehre (0,7 MB - pdf)
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