8.10.2015

Mobbing: Wenn Worte zur Qual werden

OPFER. In einer Befragung durch das Institut für empirische Sozialforschung (IFES) ließ die AK Vorarlberg die Konfrontation mit Mobbing in der Schule erheben. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Fast jeder Fünfte ist davon betroffen und wird von anderen Schulkindern persönlich, auf Facebook oder anderen sozialen Medien gehänselt, verspottet, schikaniert oder beschimpft.

Leistungsfeindlich

„So erschreckend die Zahlen aus der Befragung sind, wir befürchten, dass die Dunkelziffer noch höher ist. Dass Mobbing einen wesentlichen Einfluss auf die Lernleistung hat, erklärt sich von selbst. An einem Ort, den ich mit Kränkung und Erniedrigung verbinde, kann ich keine geeigneten Rahmenbedingungen schaffen, um Leistung zu bringen“, sagt Gerhard Ouschan, der Bereichsleiter der AK-Bildungspolitik. Deshalb sei es auch so wichtig, Sensibilisierungsarbeit auf diesem Gebiet zu leisten. Am 10. November findet zu diesem Thema ein Fachvortrag mit Karin Moratti, der Leiterin der ifs Schulsozialarbeit, in der AK Vorarlberg statt.

Wann spricht man von Mobbing?

Dazu Karin Moratti: „Es gibt einen Mob, also eine Mehrheitsgruppe, ein Opfer, und es steckt eine böse Absicht dahinter. Im Unterschied zu normalen Konflikten gibt es aber keine Absicht, den Streit, wenn man ihn als solches bezeichnen will, zu bereinigen oder zu lösen.“ Der Faktor Zeit spielt ebenfalls eine große Rolle. Von Mobbing spricht man, wenn sich das böswillige Verhalten über einen längeren Zeitraum wiederholt. Anders als vielleicht erwartet sind es häufiger Burschen, die gemobbt werden. Bei den Tätern gibt es quasi ein ausgeglichenes Verhältnis, Mädchen und Jungen sind etwa gleich oft in der aktiven, mobbenden Rolle zu finden.

Soziale Schmutzwerke

Die Formen von Mobbing sind unterschiedlich. Es werden hinter dem Rücken der Opfer Unwahrheiten verbreitet, sie werden im Unterricht oder im geselligen Zusammensein ignoriert, es gibt abfällige Bemerkungen, wenn sich die betreffende Person zum Beispiel im Unterricht meldet. Im Zeitalter der neuen Medien kommen auch noch Beleidigungen oder Drohungen auf WhatsApp, Facebook oder anderen sozialen Medien hinzu.

„Es gibt beim Mobbing zwar immer einen identifizierbaren Täter, aber es entsteht auch eine Art Gruppendynamik. Täter suchen sich Assistenten, hinter diesen gibt es Mitläufer, die hin und wieder mitmachen, und es gibt die große Gruppe der Zuschauer, die weder pro noch kontra sind und sich nach dem Motto ,das geht mich nichts anʻ heraushalten“, sagt Moratti.
Es gibt Alarmzeichen, die man an seinem Kind erkennen kann. Das Schwierige dabei ist jedoch: Alle Symptome können auch auf etwas anderes hindeuten. Wenn das Kind Einschlaf- oder Durchschlafschwierigkeiten hat, insbesondere nach dem Wochenende. Nicht in die Schule möchte, obwohl keine Schularbeit oder Ähnliches ansteht. Wenn plötzlich Freundschaften zerbrechen, Freunde oder Freundinnen nicht mehr zum Lernen oder Spielen kommen. Wenn die Schulpausen oder die Mittagszeit immer öfter alleine verbracht werden. Wenn das Kind sich zurückzieht und in sich gekehrt scheint.

All das kann Ergebnis von Mobbing sein, muss es aber nicht. Diese Verhaltensweisen können, besonders wenn sie für sich alleine auftreten, normal sein und gehören mit zur Entwicklung. Deshalb ist es wichtig, offen mit seinem Kind über dieses Thema zu sprechen und ihm zu zeigen, dass es ernst genommen wird.

Hilfe suchen

„Wenn das eigene Kind gemobbt wird, ist es ratsam, so schnell als möglich Kontakt mit dem Klassenlehrer zu suchen und ihn nach seiner Einschätzung zu fragen beziehungsweise ihn zu bitten einzuschreiten. Es kann auch nützlich sein, wenn man die Mobbing-Fälle in einer Art Tagebuch festhält. Wer hat wann was getan oder geschrieben, Chat-Protokolle von sozialen Netzwerken sollten als Beweis gesiihert werden“, sagt Moratti.
Erreicht man über den Lehrer selbst nichts, ist der Direktor die nächste Ansprechperson. Wenn alle Stricke reißen, kann man Kontakt zur ifs Schulsozialarbeit oder zum schul­psycho­logischen Dienst aufnehmen.

AK Bildungsgutschein

FACTS

17 % der befragten Eltern in Vorarlberg gaben an, dass ihr Kind in der Schule mit Mobbing konfrontiert worden ist. Bei Eltern mit Zuwanderungs­geschichte sind es 29 Prozent.

2 Drittel der Eltern von gemobbten Kindern stellen einen Zusammenhang der Übergriffe mit einer Verschlechterung der Lernleistung in der Schule her.

Hilfe

Hilfsangebote für die Opfer von Mobbing

Wenn Jugendliche von Mobbing betroffen sind und sich trotz Intervention bei der Lehrperson und dem Direktor keine Lösung abzeichnet, gibt es die Möglichkeit, sich außerschulisch beraten zu lassen. Die ifs Schulsozialarbeit ist an rund 20 Vorarlberger Schulen mit Sozialarbeitern vertreten. Der schul­psychologische Dienst des Landes hat fünf Beratungsstellen.

interview

„Nur keine Schuldzuweisungen“

Tobias Albrecht, Direktor der Mittelschule Bregenz Vorkloster, zum Thema Mobbing an seiner Schule und wie damit umgegangen wird.

PRAXIS. Es ist nicht leicht, einen Schuldirektor zu finden, der sich zum Thema Mobbing äußert. Tobias Albrecht, Direktor der Mittelschule Bregenz Vorkloster, hat es getan.

AKtion: Gibt es an Ihrer Schule Mobbing?

Tobias Albrecht: Mobbing kommt auch an meiner Schule vor. So, wie ich annehme, dass es an jeder anderen Schule vorkommt. Wir versuchen bei diesem Thema Position zu beziehen. Es gibt den einfachen Satz ,Beim Mobbing gibt es keine Unbeteiligtenʻ, jeder ist gefordert, in dieser Situation klar Stellung zu beziehen. Das gilt für die Mitschüler, Eltern und auch die Lehrpersonen. Das ist eine Grunderwartung an meine Mitarbeiter, dass sie sich für das Opfer stark machen und den Täter in seine Grenzen weisen.

AKtion: Wie lösen Sie das Problem?

Tobias Albrecht: Eine gute und bewährte Methode für die Aufarbeitung dieser Herausforderung ist der „No Blame Approach“. Das ist ein Ansatz, der ohne Schuldzuweisung auskommt und in dem die vielschichtigen und problematischen Inhalte auch in einer Klasse öffentlich gemacht werden. Damit bekommen wir das Problem in den meisten Fällen in den Griff. Die letzte Konsequenz ist die zeitweise Einbeziehung der Eltern in die Arbeit vor Ort, also in der Schule. Das kann die Pausenaufsicht über den eigenen Sohn beziehungsweise die eigene Tochter sein oder etwas Vergleichbares.

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