AK Präsident Bernhard Heinzle
© Bernd Hofmeister
19.06.2023

Wem gehört das Land?

Fast zwei Drittel der Vorarlberger ohne Eigentum

AK Studie zeigt aktuelle Strukturen und bietet tiefgreifende Handlungsfelder. Vorarlberg galt stets als das Heilige Land der Hüslebauer. Eine umfassende Studie der Telesis GmbH und des ISK-Instituts im Auftrag der AK Vorarlberg zeigt: Fast zwei Drittel der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger besitzen weder ein Baugrundstück noch ein Haus noch eine Eigentumswohnung. Der Besitz von Grundstücken ist zwar sehr vorarlbergbezogen, aber sehr einseitig. „Zehn Prozent der Eigentümer besitzen nämlich drei Viertel der gesamten bebauten und unbebauten Wohnbaugrundstücksflächen, magere 16 Prozent verfügen über noch unbebaute Wohnbauflächen“, erklärt AK Präsident Bernhard Heinzle. Noch viel knapper wird es allerdings bei Betriebsgrundstücken: 773 Hektar stehen noch zur Verfügung und diese Flächen sind kaum verfügbar.

Studie "Wem gehört das Land?"

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Fakt ist: Aus dem Land der Eigentümer ist längst ein Land der Mieter geworden. Die Nachfrage nach Bauland ist hoch, Spekulanten verknappen das Angebot zusätzlich. Dadurch steigen die Bodenpreise. Finanzkräftige Bauträger überbieten sich gegenseitig und treiben die Bodenpreise weiter in die Höhe. „Die wissenschaftlich erhobene ISK-Studie bestätigt die Forderungen der AK Vorarlberg, dass das Land endlich wirksame Schritte setzen muss, weil aufgrund der steigenden Immobilienpreise leistbares Wohnen im Ländle längst nicht mehr im notwendigen Ausmaß sichergestellt werden kann“, stellt der AK Präsident klar.

AK Präsident Bernhard Heinzle, ISK-Geschäftsführer Prof. DI Dr. Gerald Mathis und Dr. Paul Stampfl, Geschäftsführer der Telesis Entwicklungs- und Management GmbH
v.l.n.r: Dr. Paul Stampfl, Geschäftsführer der Telesis Entwicklungs- und Management GmbH, AK Präsident Bernhard Heinzle und ISK-Geschäftsführer Prof. DI Dr. Gerald Mathis © Bernd Hofmeister


Abgesehen davon, dass es an verfügbaren Betriebsgrundstücken mangelt, gibt es im Ländle per se eigentlich keine Bodenknappheit. Denn 40 Prozent aller für den Wohnbau gewidmeten oder vorbehaltenen Grundstücksflächen sind noch unbebaut – gesamt 4.116 Hektar. Die Bevölkerung wohnt auf den bebauten 60 Prozent, also auf 6.297 Hektar. Bezieht man die Zahlen auf die Landesgröße, dann sind 3,6 Prozent dem Wohnbau gewidmet, gerade einmal 0,6 Prozent sind Betriebsgrundstücke. 

Bauland klein strukturiert

Grundsätzlich ist das Bauland in Vorarlberg sehr klein strukturiert, da auch Eigentumswohnungen erfasst sind. Durchschnittlich besitzen die Eigentümer in Vorarlberg Wohnbaugrundstücke im Ausmaß von 720 Quadratmeter. Drei Viertel der Eigentümer besitzen Flächen, die kleiner als 720 Quadratmeter sind. Andererseits sind die Besitzverhältnisse eben sehr unterschiedlich verteilt. Von den 144.720 Wohnbaugrundstücks- und Wohnungseigentümern besitzen 1.509 Personen Baugrund in der Größenordnung über 5.000 Quadratmeter bis maximal 10.000 Quadratmeter. Weitere 428 natürliche oder juristische Personen besitzen Wohnbaugrundstücksflächen von mehr als 10.000 Quadratmetern.

Problem Marktverfügbarkeit

Das große Problem ist die Marktverfügbarkeit. Durch die hohe Nachfrage und die Konzentration des Grundstückbesitzes auf relativ wenige Anbieter sind die Preise für Baugrund mittlerweile für viele unerschwinglich geworden bzw. sind auf dem Markt gewidmete Baugrundstücke kaum mehr in ausreichendem Ausmaß verfügbar. Maßgeblich verantwortlich dafür sind Hortung und Spekulation. 

Schon im Sommer 2022 wurde das von der AK Vorarlberg beauftragte Rechtsgutachten von Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger zum Thema „Grundverkehr und Raumordnung“ präsentiert. Der Verfassungsjurist bringt darin klar zum Ausdruck, dass das Land sehr wohl weitgehende Möglichkeiten hätte, den Grundverkehr mit bebauten und unbebauten Grundstücken einzuschränken bzw. mit der von der AK geforderten Bedarfsprüfung Spekulationsgeschäfte mit Grund und Boden als Finanzanlage gänzlich zu unterbinden. Dazu müssen aber endlich die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden.

"Leistbares Wohnen“ muss deshalb als Grundsatz staatlichen Handelns in der Landesverfassung und als Raumordnungsziel im Raumplanungsgesetz verankert werden. Denn ohne eine derartige Zielbestimmung im Gesetz würde laut Prof. Bußjäger die Verschärfung von Maßnahmen gegen die Baulandhortung vor Gericht, insbesondere vor dem EuGH, nur schwerhalten. „Umso unverständlicher ist es, dass im aktuellen Gesetzesentwurf zur Änderung des Raumplanungsgesetzes dieser wichtige Schritt wieder nicht gesetzt wird“, kritisiert Heinzle. Das Land Tirol hat ein solches Ziel überörtlicher Raumplanung schon längst definiert.

Dadurch könnte und soll das Ziel „Leistbares Wohnen“ bei Umwidmungen von Freifläche in Bauland Berücksichtigung finden, indem die Einhaltung konkreter Bebauungsrichtlinien vor einer Umwidmung vorausgesetzt werden kann. So wird die Möglichkeit geschaffen, dass sich im Bedarfsfall Bebauungspläne der Gemeinden an sozialem und leistbarem Wohnen ausrichten und das vor allem in Ballungsräumen mit hohem Bedarf. An einen solchen Bebauungsplan kann neben der Umwidmung auch die Erteilung einer Baugenehmigung geknüpft werden.

Grundverkehrsgesetz ändern

AK Präsident Bernhard Heinzle

Derzeit gilt in Vorarlberg beim Erwerb unbebauter Grundstücke ein so genanntes „Erklärungsmodell“. Damit wird ein Käufer eines unbebauten Grundstücks verpflichtet zu erklären, dass er das Grundstück innerhalb einer Frist von zehn Jahren bebauen wird. Ausgenommen davon ist der einmalige Erwerb eines unbebauten Baugrundstücks in der Größe von maximal 800 Quadratmetern bzw. eines Betriebsgebiets mit maximal 3.000 Quadratmetern Fläche. Wird innerhalb von zehn Jahren nicht bebaut, ist das Grundstück der Gemeinde zum Kauf anzubieten. Gibt es kein Einvernehmen und liegen keine begründeten Ausnahmen vor, ist das Grundstück zu versteigern.

ABER: Dieses Modell gilt nicht für bebaute Flächen, zudem sind Bauträger davon ausgenommen. Sie können Flächen von über fünf Hektar (50.000 Quadratmeter) ankaufen, ohne eine Erklärung über die Bauabsicht abgeben zu müssen. Damit ist Investoren und Spekulanten Tür und Tor geöffnet, die Bauland horten, Wohnraum als Investitionsanlage sehen und teuer vermieten oder verkaufen.

„Wir fordern deshalb, dass ein Kauf von bebautem und unbebautem Bauland bzw. Bauerwartungsland nur noch nach einer Bedarfsprüfung erfolgen kann“, so der AK Präsident. Und weiter: „Die Kriterien für eine Genehmigung sind so festzulegen, dass nur berechtigte Interessen wie der Bedarf an dem zu erwerbenden Grundstück für Wohnen oder betriebliche Tätigkeit einen Kauf ermöglichen.

Ebenfalls zu überlegen ist, den Verkehr mit landwirtschaftlichen Grundstücken und Freiflächen einer Bedarfsprüfung zu unterziehen und dem endlich einzurichtenden Bodenfonds bzw. gemeinnützigen Bauvereinigungen oder Gemeinden vorrangig vor privaten Investoren den Kauf zu ermöglichen, wenn leistbarer Wohnraum geschaffen werden soll.

Einrichtung eines Bodenfonds

Wie bereits in Salzburg und Tirol längst etabliert, ist endlich ein Vorarlberger Bodenfonds einzurichten. Der Bodenfonds ist ein bevorzugter Teilnehmer am Grundstücksmarkt und kann dadurch Spekulationen, Preistreiberei und Baulandhortung eindämmen. Der Fonds kauft Grundstücke und gibt sie bedarfsorientiert und nach Absprache mit der Standortgemeinde an gemeinnützige Wohnbauträger oder Gewerbebetriebe weiter. Konkrete Funktionen, die der Bodenfonds übernehmen soll, sind:

  • Baulandmobilisierung
  • Erwerb, Entwicklung und anschließende Weitergabe von Grundflächen zum Selbstkostenpreis
  • Vergabe und Verwaltung von Baurechtsgrundstücken
  • Durchführung von Wettbewerben und Vergabeverfahren
  • Wahrnehmung von Raumordnungsaufgaben
  • Unterstützung von Gemeinden in planerischer Hinsicht 
  • Quartiersentwicklung, Schutz der Gemeinden vor Einflüssen und Begehrlichkeiten
  • Unterstützung der Gemeinden bei der Umsetzung der Vertragsraumordnung und städtebaulicher Verträge

Details zur Studie

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