Pressekonferenz vom 19.6.2023
Wem gehört das Land?
Fast zwei Drittel der Vorarlberger ohne Eigentum
Vorarlberg galt stets als das Heilige Land der Hüslebauer. Eine umfassende Studie der Telesis GmbH und des ISK-Instituts im Auftrag der AK Vorarlberg zeigt: Fast zwei Drittel der Vorarlbergerinnen und Vorarlberger besitzen weder ein Baugrundstück noch ein Haus noch eine Eigentumswohnung. Der Besitz von Grundstücken ist zwar sehr vorarlbergbezogen, aber sehr einseitig.
„Zehn Prozent der Eigentümer besitzen nämlich drei Viertel der gesamten bebauten und unbebauten Wohnbaugrundstücksflächen, magere 16 Prozent verfügen über noch unbebaute Wohnbauflächen. Noch viel knapper wird es allerdings bei Betriebsgrundstücken: 773 Hektar stehen noch zur Verfügung und diese Flächen sind kaum verfügbar."
Bernhard Heinzle
AK-Präsident
Die folgenden Schlussfolgerungen und Forderungen der AK Vorarlberg entsprechen nicht zwangsläufig der Meinung der Studienautor:innen.
40 % aller für den Wohnbau gewidmeten oder vorbehaltenen Grundstücksflächen sind noch unbebaut. Dabei handelt es sich laut Studie (Referenzjahr 2020) um 4.116 ha unbebauten Wohnbaugrund. Die Bevölkerung wohnt auf den bebauten 60 %, also auf 6.297 ha. Somit wäre an sich ausreichend gewidmetes Bauland inklusive Bauerwartungsland vorhanden, um den Wohnbedarf abzudecken. Von Bodenknappheit per se kann daher keine Rede sein.
Insgesamt gibt es 144.720 Wohnbaugrundstückseigentümer:innen in Vorarlberg. Das sind 36 % der Gesamtbevölkerung im Land, wobei sich die Wohnbaugrundstückseigentümer sowohl aus natürlichen als auch aus juristischen Personen zusammensetzen. 64 % besitzen weder ein Baugrundstück noch ein Haus noch eine Eigentumswohnung. Die Besitzverhältnisse sind aber sehr unterschiedlich verteilt.
Ein Teil des Baulandes ist sehr klein strukturiert, da auch Eigentumswohnungen erfasst sind. Durchschnittlich besitzen die Eigentümer:innen in Vorarlberg Wohnbaugrundstücke im Ausmaß von 720 m2 75 % der Wohnbaugrundstückseigentümer:innen besitzen Flächen, die kleiner sind als 720 m2.
Von den insgesamt 144.720 Wohnbaugrundstücks- und Wohnungseigentümer:innen besitzen 1.509 natürliche oder juristische Personen jeweils Fl. Flächen von über 5.000 m2bis maximal 10.000 m2.
Durch die hohe Nachfrage an Baugrund und die Konzentration des Grundstücksbesitzes auf relativ wenige Anbieter sind auf dem Markt gewidmete Baugrundstücke so gut wie nicht mehr in ausreichendem Maße zu erschwinglichen Preisen verfügbar.
Laut Studie besitzen 10 % der Eigentümer:innen von Wohnbaugrundstücken 76 % der gesamten bebauten und unbebauten Wohnbaugrundstücksflächen im Land. Spekulanten verknappen das Angebot. Dadurch steigen die Bodenpreise. Finanzkräftige Bauträger überbieten sich gegenseitig und treiben die Bodenpreise immer noch weiter in die Höhe. Aufgrund der Entwicklung des Preisniveaus für Bauland kann leistbares Wohnen in Vorarlberg längst nicht mehr im notwendigen Ausmaß Sichergestellt werden.
Der Verfassungsjurist Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger hat bereits im Jahr 2022 im Auftrag der AK Vorarlberg ein Rechtsgutachten erstellt, in welchem klar zum Ausdruck kommt, dass effiziente Maßnahmen gegen die Baulandhortung und die damit verbundenen Preissteigerungen durch entsprechende Gesetzesänderungen auf Landesebene umsetzbar wären.
Die Aufnahme einer solchen Zielbestimmung in die Landesverfassung unterstreicht laut Univ.-Prof. Dr. Bußjäger die rechtspolitische Bedeutung. Um Regelungen zu schaffen, die eine Baulandhortung durch Spekulanten verhindern, ist es EU- und verfassungsrechtlich unumgänglich, „Leistbares Wohnen“ als Zielsetzung im Raumplanungsgesetz zu verankern. Ohne eine derartige Zielbestimmung im Raumplanungsgesetz werde lt. Bußjäger-Gutachten die Verschärfung von Maßnahmen gegen die Baulandhortung vor Gericht, insbesondere vor dem EuGH, schwer zu rechtfertigen sein.
Tirol hat als ein solches Ziel überörtlicher Raumplanung in § 1 Abs. 2g Tiroler Raumordnungsgesetz längst definiert, wonach „die Erhaltung und Weiterentwicklung der Siedlungsgebiete zur Deckung des Wohnbedarfes der Bevölkerung …, die Verhinderung der Zersiedelung, die Verwirklichung verdichteter Bauformen sowie angemessene Grundstückspreise anzustreben sind“.
So wird die rechtliche Voraussetzung dafür geschaffen, dass sich Raumordnungs- und Bebauungspläne sowie die Vertragsraumordnung auch am Ziel der bedarfsgerechten Schaffung leistbaren Wohnraums auszurichten haben, insbesondere in Ballungsräumen mit hohem Bedarf an sozialem und leistbarem Wohnbau.
Derzeit gilt ein Erklärungsmodell beim Erwerb unbebauter Baugrundstücke. Käufer:innen von Baugrundstücken müssen erklären, dass sie die Grundstücke innerhalb einer Frist von 10 Jahren bebauen werden. Ausgenommen von dieser Verpflichtung ist der einmalige Erwerb eines unbebauten Baugrundstücks mit maximal 800 m² Fläche. Die Erklärung wird von der Behörde dann nicht akzeptiert, wenn der:die Erwerber:in bereits Eigentümer:in an unbebauten Baugrundstücken im Ausmaß von mehr als 50.000 m² ist.
Wird die Bebauungsfrist von 10 Jahren nicht eingehalten, ist das Grundstück der Gemeinde zum Kauf anzubieten. Erfolgt über den Verkauf kein Einvernehmen, wird das Grundstück versteigert.
Dieses Erklärungsmodell gilt jedoch nicht für bebaute Flächen. Zudem sind unter anderem Bauträger von der Fünf-Hektar-Obergrenze ausgenommen. Diese können unbebautes Bauland über der Grenze von 50.000 m² ankaufen. Das eingeführte Erklärungsmodell hat daher nicht dazu geführt, die steigenden Immobilienpreise zu dämpfen und Baulandhortung bzw. Spekulation einzudämmen.
Die bisher bestehende Ausnahme der Fünf-Hektar-Regel als Obergrenze für gewerbliche Bauträger muss daher jedenfalls abgeschafft werden. Zudem ist ein Genehmigungsmodell für den Erwerb von unbebautem und bebautem Bauland sowie Bauerwartungsland einzuführen:
Zudem ist ein Genehmigungsmodell für den Erwerb von unbebautem und bebautem Bauland sowie Bauerwartungsland einzuführen:
Vorausgesetzt, es wird „Leistbares Wohnen“ als Ziel im Raumplanungsgesetz verankert, kann lt. Bußjäger das Grundverkehrsgesetz dahingehend geändert werden, dass künftig der Erwerb von unbebautem und bebautem Bauland in bestimmten Landesteilen einer Genehmigungspflicht unterliegt, wenn ein bestimmtes Preisniveau überschritten wird oder andere Parameter für leistbares Wohnen indizieren, dass gewidmete Baugrundstücke auf dem Markt nicht in ausreichender Zahl zugänglich sind.
Die Kriterien für eine Genehmigung sind im Sinne der Raumordnungsziele derart festzulegen, dass nur „berechtigte Interessen“ wie der konkret nachzuweisende Hauptwohnsitzbedarf (Eigenbedarf oder Fremdbedarf an leistbaren Wohnungen) bezüglich der zu erwerbenden Liegenschaft zu einer Genehmigung führen. Ausnahmen soll es nur für den Erwerb eines Baugrundstücks für die eigenen Kinder geben.
Bauträger sollten nur dann kaufen dürfen, wenn sie dadurch Wohnbedarf an leistbaren Miet- bzw. Eigentumswohnungen von konkreten Wohnungswerber:innen nachhaltig abdecken und ein genehmigungsfähiges Projekt auf diesem Grundstück vorweisen können, das in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden muss.
Alle im Raumplanungsgesetz definierten Raumplanungsziele, zu denen endlich die Zielbestimmung „Leistbares Wohnen“ hinzuzufügen ist, stehen im Widerspruch zu Spekulation mit Grund und Boden und Gewinnmaximierung. Baulandmobilisierung erfolgt vielfach durch Erwerb und anschließender Umwidmung von Freiland in Bauland.
Nicht gewährleistet ist, dass die gewonnenen Wohnbaugrundstücksflächen zur bedarfsgerechten Schaffung leistbarer Wohnungen herangezogen werden. Eine Umwidmung sollte daher vor dem Hintergrund einer bedarfsgerechten Bebauung erfolgen.
Auch bei Grundstücken, die größer sind als 2.000 m², sollte den Gemeinden, dem Land, gemeinnützigen Bauvereinigungen und dem einzurichtenden Vorarlberger Bodenfonds zum Zweck der Schaffung von Baufläche für den gemeinnützigen bzw. leistbaren Wohnbau jedenfalls ein Vorkaufsrecht vor privaten Investoren eingeräumt werden. Dabei sollte den Akteuren der Bodenpolitik im Interesse der Schaffung leistbaren Wohnens eine längere als die derzeit geltende Bebauungsfrist von nur sieben Jahren eingeräumt werden.
Es ist endlich der Vorarlberger Bodenfonds einzurichten. In anderen Bundesländern, beispielsweise in Tirol und Salzburg, ist er bereits etabliert. Der Bodenfonds ist ein grundverkehrsrechtlich und raumplanerisch bevorzugter Teilnehmer am Grundstücksmarkt und kann dadurch Spekulationstätigkeit, Preistreiberei und Baulandhortung eindämmen. Dieser Fonds kauft Grundstücke und gibt sie bedarfsorientiert und nach Absprache mit der Standortgemeinde an gemeinnützige ohnbauträger oder Gewerbebetriebe unter Auflagen – wie der Schaffung leistbaren Wohnens – weiter.
Konkrete Funktionen und Aufgaben, die der Bodenfonds übernehmen soll, sind:
Die Arbeiterkammer Vorarlberg fordert ein zehnjähriges Wohnbausonderprogramm für die gemeinnützigen Wohnbauträger, dessen Ziel es ist, jährlich 1.000 gemeinnützige Wohnungen in Vorarlberg zu errichten. Ein Großteil davon soll als Miet-Kauf-Wohnungen angeboten werden, deren Preis sich an den tatsächlichen Grundstücks- und Errichtungskosten orientieren muss und nicht am Marktpreis.
Wird Grünland in Bauland umgewidmet, steigt der Wert eines Grundstücks im Durchschnitt um das 26-Fache. Die Arbeiterkammer Vorarlberg fordert daher eine Abschöpfung der Umwidmungsgewinne in Höhe von mindestens 30 Prozent. Diese Mehrwertabgabe würde enorme Mittel lukrieren, die dem Bodenfonds und dem sozialen Wohnbau zugutekommen sollen.
Die Einführung einer solchen Abgabe für dauerhaft nicht genutzte, als Bauland unbefristet gewidmete und voll erschlossene Grundstücksflächen sollte in Erwägung gezogen werden. Natürlich sind Ausnahmebestimmungen etwa zugunsten von Kindern, die ein derartiges Grundstück einmal bebauen könnten in einem angemessenen Rahmen vorzusehen. Die Gesetzgebungskompetenz dafür liegt beim Land. In anderen Bundesländern sind derartige Abgaben bereits gesetzlich verankert worden.
Die derzeit fehlende Kostenbeteiligung der Eigentümer:innen solcher Grundstücke an der bereitgestellten Infrastruktur einer Gemeinde stellt eine sachlich nicht zu rechtfertigende finanzielle Begünstigung der Hortung von Bauland zulasten des Gemeinwohls dar.
Studie "Wem gehört das Land?"
AK Vorarlberg (Juni 2023)
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Studie "Schluss mit Bodenspekulationen"
Univ.-Prof. Dr. Peter Bußjäger (Juni 2022)
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