AK Präsident Bernhard Heinzle
© Dietmar Mathis
20.04.2023

Krankenkassenreform fundamental gescheitert

ÖGK-Defizit explodiert – bis 2027 rund 1,2 Milliarden Defizit

1,2 Milliarden Euro schwer werden die Abgänge der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) bis 2027 sein. Finanziert wird dieses Rekorddefizit zum ganz überwiegenden Teil von den Nettozahlern Salzburg (354 Millionen Euro), Tirol (400 Millionen) und Vorarlberg (65 Millionen). Würden die positiven Gebarungsergebnisse der westlichen drei Bundesländer in Höhe von 819 Millionen Euro nicht von der ÖGK-Zentrale abgesaugt, läge das österreichweite Defizit sogar bei 2 Milliarden Euro. Diesem Treiben wollen die AK-Präsidenten der drei Bundesländer – Peter Eder, Erwin Zangerl und Bernhard Heinzle – nicht mehr länger tatenlos zusehen. Sie fordern gemeinsam die Rückführung elementarer Kassen-Kompetenzen in die Länder und eine Stärkung der regionalen Gesundheitspolitik.

Horrende Abgänge statt der berühmten „Patientenmilliarde“, Machtzentralisierung und gut dotierte Jobs in Wien statt Beseitigung von Defizitstrukturen. Hinzu kommt eine absurde Bürokratie und ein zentraler Entscheidungswirrwarr im Verbund mit Kompetenz- und Ressourcenmäßig ausgehungerten Landesstellen sowie eine weitgehende Entmachtung der Arbeitnehmervertreter in ihrer eigenen Krankenkasse. Das ist die katastrophale Bilanz der Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zum zentralen Verwaltungsmoloch ÖGK in Wien.

AK Direktor Rainer Keckeis


Nettozahler aus dem Westen

Dass diese Entwicklung keine einmalige ist, sondern langfristig eine katastrophale wirtschaftliche Situation in einzelnen Landesstellen herrschen wird, zeigt auch ein Blick auf die ÖGK-interne Prognose bis zum Jahr 2027. Trotz massiver Mittelabsaugung aus dem Westen wird im Jahr 2027 das Jahresdefizit der gesamten ÖGK immer noch so hoch sein wie im Jahr 2022. Diese alarmierenden Befunde verschwimmen allerdings in der neuen ÖGK, weil es ja nur noch ein Gesamtergebnis gibt. Im Unterschied zu der Struktur mit den einzelnen Länderkammern mit jeweils eigenen Rechnungsabschlüssen und der Möglichkeit, in den Bundesländern Reserven aufzubauen, fließen die in den westlichen Bundesländern erwirtschafteten Überschüsse still und heimlich in die Taschen der defizitären ÖGK-Landesstellen. 

Gesamt werden es bis 2027 Abgänge in der Höhe von rund 1,2 Milliarden sein. Den drei westlichsten Bundesländern werden im Gegenzug 819 Millionen Euro aus der Tasche gezogen. Es gelingt dem Management der ÖGK nämlich in keinster Weise, die offensichtlichen Ausgabenungleichgewichte in einzelnen Bundesländern abzustellen – lieber greift man weiter ungeniert in die Taschen der westlichen Bundesländer und entzieht ihnen jenes Geld, das sie dringend für Gesundheitsprojekte und die Weiterentwicklung der Versorgung auf regionaler Ebene brauchen würden. Und damit kein Missverständnis aufkommt: Die AK-Präsidenten bekennen sich zu einem solidarischen Finanzausgleich zwischen den Ländern, wenn diese eine schwächere Beitragseinnahmensituation haben. „Diese Situation trifft aber nicht auf alle Bundesländer zu und trotzdem werden dort enorm hohe Defizite produziert“, erklärt dazu AK-Präsident Bernhard Heinzle. Er kritisiert, dass in kleineren Bundesländern auch keine neuen, qualitativ hochwertigen Arbeitsplätze mehr entstehen, während in der neuen zentralistischen Struktur laufend zusätzliche Stellen geschaffen werden.

Wenig Reformgewinner – Patienten sind die Verlierer

Bis auf einige wenige Reformgewinner – das sind vor allem parteinahe Günstlinge und leitende Angestellte in der Wiener Zentrale sowie die Vertreter von Industrie-Interessen – gibt es fast niemanden mehr, der sich nicht für eine Rückführung von elementaren Kompetenzen wie Personal oder Finanzen in die Länder ausspricht. ÖGK-Führungspositionen wandern in neu geschaffene zentrale Strukturen ab. Durch die maximale Zentralisierung ist keine optimale Anbindung der Systempartner wie Ärztekammer, Landesgesundheitsreferenten, regionalen Interessensvertretungen und regionalen Gesundheitsdienstleistern mehr möglich. Das führt unter anderem auch dazu, dass in den Bundesländern zunehmend Kassenärzte fehlen und die Versorgung der Patienten leidet. 

Pressekonferenz vom 20.04.2023



Theoretisch möglich wäre eine Rückführung einiger Kompetenzen durch einfache Beschlüsse des ÖGK-Verwaltungsrats in Wien, von dem die Landesstellenausschüsse momentan komplett ausgeschlossen sind. Das aber verhindert die neue Leitung der ÖGK nachhaltig, weshalb die AK Präsidenten in Abstimmung mit den Obleuten der ÖGK-Landesstellen gemeinsam ein Eingreifen des Gesetzgebers und eine Änderung der Geschäftsordnung sowie der Richtlinien des ÖGK-Verwaltungsrats fordern. Präsident Bernhard Heinzle: „Uns ist klar, dass es derzeit keine politische Mehrheit zur Abschaffung der Zentralisierung gibt, aber jetzt einfach tatenlos zusehen, wie die Interessen der Patienten im Land auf der Strecke bleiben und trotzdem massive Defizite erwirtschaftet werden, wäre unverantwortlich und ist politisch wohl auch nicht gewollt. Deshalb bin ich überzeugt, dass unser Hilfeschrei ein Weckruf für die verantwortlichen Politiker in Wien ist, das System ÖGK zu verbessern und dafür zu sorgen, dass die Interessen der Landesstellen wieder einen höheren Stellenwert in der Politik der Krankenkasse der Arbeitnehmer bekommen.“  

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