„Wohnen wird immer mehr zur unüberwindbaren Hürde für die Menschen in Vorarlberg“, sagt AK Präsident Bernhard Heinzle.
© Lukas Hämmerle
13.12.2023

„Wahrscheinlich irgendwo ein bisschen Verzicht!“

AK-Heinzle: Aussagen von LR Tittler zur Wohnsituation im Ländle mehr als zynisch

„In jungen Jahren Eigentum zu erwerben, bedeutet wahrscheinlich auch irgendwo ein bisschen Verzicht – diese Aussage von Landesrat Marco Tittler in einem Zeitungs-Interview ist für AK-Präsident Bernhard Heinzle die Situation verharmlosend und vor allem zynisch, wenn man bedenkt, dass sich nur noch die einkommensstärksten 10 bis 15 Prozent der Haushalte überhaupt noch Eigentum leisten kann.

"Natürlich ist die Welt eine andere als noch vor Jahrzehnten, doch der politische Auftrag bleibt“, ist Heinzle überzeugt. Und er ärgert sich darüber, dass die verfehlte Wohnbaupolitik der letzten Jahre weiterverfolgt wird. „Das hat sich schon bei den zuletzt präsentierten neuen Wohnbaurichtlinien gezeigt. Dort wurden die Baukosten- und Verkaufspreisgrenzen teilweise um mehr als 30 Prozent erhöht, also weit über der Steigerung des Baukostenindex sowie dem Baupreisindex“, so der AK-Präsident. Das entspreche zwar den Wünschen der Bauwirtschaft, sorge aber keinesfalls für mehr leistbaren Wohnraum. „Mit Hilfe der Wohnbauförderungsmittel werden trotz stagnierendem Wohnbau nicht mehr günstige Wohnungen errichtet, sondern lieber teurere Wohnungen gefördert, die sich nur Bestverdiener:innen leisten können“, kritisiert Heinzle. Damit sei der Vorarlberger Bevölkerung nicht geholfen.

Vorarlberg beim sozialen Wohnbau Schlusslicht

Rund 22 Prozent der Haushalte in Vorarlberg sind auf den privaten Mietwohnungsmarkt angewiesen, die Mieten sind neben Salzburg österreichweit die Höchsten. Während in Österreich fast jeder vierte Haushalt in einer gemeinnützigen Mietwohnung oder Gemeindewohnung lebt, sind es in Vorarlberg gerade einmal 13 Prozent der Haushalte. Damit ist Vorarlberg in diesem Punkt Schlusslicht. Gleichzeitig waren Ende 2021 5.336 Haushalte mit dringendem Wohnbedarf bei den Vorarlberger Gemeinden für eine gemeinnützige Wohnung registriert. In über 2.000 dieser Haushalte lebt mindestens ein Kind.
Stark gestiegene Grundstückspreise, hohe Bau- und Finanzierungskosten machen auch den Gemeinnützigen Wohnbauträgern zu schaffen. Die Neubauleistung geht zurück. „Jetzt müsste daher die Gunst der Stunde genützt werden, um den gemeinnützigen Wohnbau im Land voranzutreiben und für mehr leistbaren Wohnraum zu sorgen“, ist Heinzle überzeugt. „Wenn LR Tittler behauptet, dass es in Vorarlberg nicht möglich ist, pro Jahr 1.000 neue gemeinnützige Wohnungen zu bauen, dann ist das ein Offenbarungseid und mit dem Scheitern der Landes-Wohnbaupolitik gleichzusetzen.“

Tittler’s Milchmädchenrechnung

Bei einer Miete von 270 Euro pro Person könne ein Paar 500 bis 600 Euro pro Monat und Person sparen. In zehn Jahren sollen so genügend Eigenmittel zusammenkommen, um eine Wohnung im Wert von 500.000 Euro zu finanzieren – behauptet zumindest der Landesrat.

Die Mieten in Vorarlberg liegen aber jenseits von 10 Euro pro Quadratmeter. Wohnungen um 500.000 Euro gibt es so gut wie nicht in Vorarlberg. Ganz besonders nicht für Haushalte, mit mehr als einer Person oder gar Familien, wo Wohnraum von mehr als 50 Quadratmeter eine Voraussetzung darstellt. 

Realistischer wäre da eine Wohnung mit 80 bis 90 Quadratmetern. Am Beispiel einer Familie mit zwei Kindern, damit auch die vollen Möglichkeiten der neuen Wohnbauförderung zur Anwendung kommen. Für eine solche Wohnung sind, besonders unter Berücksichtigung der neuen Kostengrenzen, rund 675.000 Euro zu veranschlagen. 

Um genügend Eigenmittel für eine solche Durchschnittswohnung beisammenzuhaben, müsste das Paar zehn Jahre lang konstant 1.400 Euro pro Monat zur Seite legen. So eine hohe Sparquote haben nur Topverdiener. Unter Berücksichtigung der neuen Wohnbauförderungsrichtlinien ergibt das noch eine gesamte Kreditrückzahlung von knapp 2.300 Euro pro Monat – bei einer Kreditlaufzeit von 35 Jahren. Dafür ist ein monatliches Netto-Haushaltseinkommen von mehr als 5.730 Euro nötig.

Damit bleiben etwa die einkommensstärksten 10 bis 15 Prozent der Haushalte in Vorarlberg, die sich eine solche Wohnung noch leisten können. Die Mittelschicht ist hier nicht vertreten, auch nicht die obere Mittelschicht. Und auch diese müssten 25 bis 35 Jahre lang verzichten und alles sparen und sich dann mit Mitte 30 bis in die Pension verschulden, um sich eine Wohnung für 675.000 Euro zu kaufen. Voraussetzung: Keine Trennung, kein Jobverlust, stabiles Top-Einkommen vom Berufseinstieg an. Allerdings: In Vorarlberg arbeiten in einer Familie mit Kindern kaum beide Eltern Vollzeit, für eine Alleinverdiener:in wäre auch unter Berücksichtigung von Familienbeihilfe und Kinderbonus ein monatliches Brutto von 7.300 Euro nötig.

Fazit: Auch durchschnittliche Wohnungen sind für über 80 Prozent der Vorarlberger:innen nicht mehr leistbar, von Häusern und großen Wohnungen ganz zu schweigen. Dieser überwiegende Großteil zahlt aber in die Wohnbauförderung ein – zugute kommen wird sie ihnen kaum. Aber wie meinte der Herr Landesrat: „Mit wahrscheinlich irgendwo ein bisschen Verzicht geht das schon!“ „Wir erwarten uns von LR Tittler konkrete und nachvollziehbare Berechnungen, für wen genau denn die Wohnbauförderung greifen wird und wie viele Personen im Land davon überhaupt profitieren könnten“, so der AK-Präsident abschließend.

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