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Studie: Frühe Bildung in Vorarlberg
Chancengerechtigkeit durch Bildung von Anfang an
Datum/Jahr:
2021
AK-Studie: Vorarlberg braucht einen elementaren Bildungsplan!
Vorarlberg wird bis 2035 zum chancenreichsten Lebensraum für Kinder – so das ehrgeizige Ziel im Ländle. Eine aktuelle Studie der AK Vorarlberg zeigt, dass dies durchaus zu schaffen ist, wenn das Wohl der Kinder im Zentrum der Überlegungen steht. „Wir müssen und wollen den Kindern eine Stimme geben“, sagt AK-Präsident Hubert Hämmerle. Dafür gilt es jetzt die notwendigen Schritte zu setzen. Die Studie liefert dazu die Grundlagen.
Bislang lag der Schwerpunkt zum Thema Kinderbetreuung überwiegend auf ökonomischen oder arbeitsmarktbezogenen Faktoren. In den vergangenen Jahren ist ein neuer stärkerer Fokus auf das Wohl des Kindes in Hinblick auf Chancengerechtigkeit, Kinderrechte, Kinderschutz und Wohlbefinden entstanden.
Mit diesen unterschiedlichen Perspektiven sind deshalb auch unterschiedliche Interessen und Anspruchshaltungen an den Bereich der frühen Bildung verknüpft. „Investitionen in eine qualitativ hervorragende Betreuung und Bildung in den ersten Lebensjahren gehören zum Besten, was wir als Gesellschaft tun können“, stellt AK-Präsident Hubert Hämmerle fest.
„Mit der heute präsentierten Studie möchte die AK Vorarlberg den Kindern eine Stimme geben“, freut sich AK-Präsident Hubert Hämmerle, dass die AK für diese Forschungsarbeit die renommierte Sozialwissenschafterin Dr.in Eva Häfele gewinnen konnte, die schon in der Vergangenheit Forschungen zu diesem Thema durchgeführt hat.
Hämmerle unterstreicht die grundlegende Bedeutung der ersten Lebensjahre für das weitere Leben und ist sich sicher: „Investitionen in die frühen Bildungsjahre bringen die höchste Rendite und sind auch die beste Prävention gegen spätere Erwerbsarmut.“
Gegenstand der Studie war die Betrachtung der ersten sechs Lebensjahre mit dem klaren Fokus auf das Wohl der Kinder. „Mit der Corona-Krise hat der Bereich der elementaren Bildung und Betreuung noch zusätzlich an Bedeutung gewonnen“, betont AK-Präsident Hubert Hämmerle und sieht Kinderbetreuungsinstitutionen sehr wohl als systemrelevant und „für ein reibungsloses Funktionieren unserer Wirtschaft und Gesellschaft als unverzichtbar“.
„Wir wollten wissen, was tatsächlich benötigt wird, um Kindern eine erfolgreiche, gesunde und chancenreiche Zukunft zu sichern – und zwar allen Kindern!“, erklärt Hämmerle seinen Anspruch an die Studie und ist überzeugt, dass die Ergebnisse einen umfangreichen Speicher an Handlungsempfehlungen bieten, die die Politik aufgreifen sollte, um 2035 sagen zu können: „Ziel erreicht!“
Und das sollte sich nach Meinung der AK auch im neuen Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz, das noch heuer in Kraft treten soll, widerspiegeln. „Wir sind schon sehr gespannt, wie dieses Gesetz den Anspruch des Landes, chancenreichster Lebensraum zu sein, unterstützt und einen rechtlichen Rahmen gibt. Denn die Ausgestaltung dieses Gesetzes wird entscheiden, welche Maßnahmen tatsächlich gesetzt werden können“, zeigt sich Hämmerle überzeugt, dass dem rechtlichen Konstrukt ein inhaltlicher Bildungsplan folgen muss.
Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus über 50 Fachgesprächen können sehr gut für die weitere Entwicklung der frühkindlichen Bildung aber auch für die Ausgestaltung gesetzlicher, inhaltlicher und finanzieller Rahmenbedingungen dienen“, erläutert Dr.in Eva Häfele einen wesentlichen Output der Studie. „Sämtliche aus dieser Forschungsarbeit abzuleitenden Handlungsempfehlungen sehen den Fokus im Wohl des Kindes und der Chancengerechtigkeit“, so die Studienautorin, die auch einen Paradigmenwechsel von der Kinderbetreuung hin zur Kinderbildung – nicht nur aus Sicht der internationalen Forschung, sondern auch aus den geführten Fachgesprächen – sieht.
Für Häfele ist unabdingbar, dass auf Ebene der Gesetze als auch auf Ebene der Träger eine Orientierung auf das Wohl der Kinder stattfinden muss. „In allen Entscheidungen und Maßnahmen muss die Vorrangigkeit des Wohls der Kinder berücksichtigt werden, denn ihre Bedürfnisse sind untrennbar mit Diversität oder Vielfalt verknüpft“, stellt Häfele fest. Für sie ist es auch notwendig, die Interessen und Anliegen der Kinder in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit in den Vordergrund zu stellen.
Um die Bedeutung der frühen Bildung vor allem in Hinblick auf Chancengerechtigkeit zu steigern, sind Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen zu setzen und es ist unerlässlich, „die Elementarpädagogik als gleichwertigen Bildungsbereich und die frühe Bildung als Fundament der Bildung im öffentlichen Bewusstsein zu verankern“, so Häfele, die auch nachdrücklich betont, dass das in Ausarbeitung befindliche Kinderbildungs- und Kinderbetreuungsgesetz für die kommenden Jahrzehnte die Vorarlberger Landschaft der elementarpädagogischen Einrichtungen prägen wird.
Das Gesetz benötige laut Häfele einen klaren und erkennbaren Fokus auf das Wohl der Kinder, auf die Chancengerechtigkeit, die Sicherstellung und Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität, auf eine Aus- und Fortbildung, die am Stand der elementarpädagogischen Forschung und Didaktik ausgerichtet ist, sowie ein Förderwesen, das den Ansprüchen der Diversität und Inklusion in allen Bereichen Rechnung trägt.
In diesem Zusammenhang stellt Häfele als Erkenntnis aus den Fachgesprächen fest, dass bislang nur einige Fachpersonen aus dem Bereich der frühen Bildung direkt eingebunden waren. „Eine stärkere Einbeziehung und Berücksichtigung der Erfahrungen und des Wissens von Personen aus der Praxis sollte auch für andere Gesetzesprozesse gelten, die Auswirkungen auf Arbeitspraxis und Alltag haben“, so Häfele und sieht auch die Einbindung der kommunalen Verwaltungen als sinnvoll, da sie in der Vollziehung eine gestaltende Rolle haben und daher ihre Ressourcen berücksichtigt werden müssen.
"Wir brauchen aber nicht nur ein wegweisendes Gesetz“, erklärt Dr.in Häfele, „sondern auch einen Umsetzungsplan, der den gesetzlichen Rahmenbedingungen folgt und mit verbindlichen Inhalten füllt.“ Sie begrüßt den Vorschlag der AK nach einem Elementaren Bildungsplan Vorarlberg, der unter Federführung der Marke Vorarlberg und mit Einbindung aller relevanten Stakeholder entwickelt und umgesetzt werden könnte.
Von über 15.000 Kindern in Vorarlberger Einrichtungen haben 2019 nur 327 von der sozialen Staffelung profitiert. Eine angepasste Gestaltung der sozialen Staffelung ist ein weiterer wichtiger Schritt zur finanziellen Entlastung der Eltern. „Die soziale Staffelung sollte in den Kostenbeiträgen für die Mittagsverpflegung und für die Nachmittagsbetreuung in den elementarpädagogischen Einrichtungen berücksichtigt werden. Die Kosten dieser Angebote sind derzeit nicht sozial gestaffelt und viele Eltern können es sich nicht leisten, sie in Anspruch zu nehmen“, empfiehlt Häfele eine rasche Überarbeitung der sozialen Staffelung unter Einbeziehung von Fachpersonen, die in den Gemeinden mit der Umsetzung betraut sind.
Der nächste konsequente Schritt nach einer sozialen Staffelung wäre die Kostenfreiheit. „Damit würde die frühe Bildung für möglichst viele Familien finanziell leistbar und elementare Bildung wird tatsächlich zu einer anerkannten Säule des Bildungssystems“, sind sich AK-Präsident Hämmerle und Dr.in Eva Häfele einig.
Aus Sicht der Studienautorin sollten künftig anstatt Bedarfserhebungen Bedarfsplanungen durchgeführt werden, die auf demografischen Daten in den relevanten Alterskohorten, der Zu- und Abwanderung sowie sozioökonomischer Daten und sozialer Indikatoren aufbauen. Ausgezeichnete Datengrundlage dafür sieht sie in der „Sozialberichterstattung aus einem Guss“, die vom Land 2020 erstmals veröffentlicht wurde und vor Kurzem in einer aktuellen Version zur Verfügung steht. „Wie in anderen Ländern auch, sollte daher auch in Vorarlberg eine kommunale Bedarfsplanung als Grundlage für die Planung der Entwicklungen in der frühen Bildung eine Standardmaßnahme sein“, so Häfele und wünscht sich dafür eine klare Berücksichtigung im neuen Gesetz und eine inhaltliche Ausgestaltung im Bildungsplan.
Eine Empfehlung aus der Studie ist auch das Recht aller Kinder auf einen gesicherten Platz in einer Einrichtung und dies unabhängig vom Wohnort und der Erwerbstätigkeit der Eltern, Mutterschutz oder Karenz. „Um dies zu erreichen, müssen in einem vorarlbergweiten Prozess Lösungen angestrebt werden, die auch die Ressourcen der Gemeinden und deren Interessen berücksichtigen“, erläutert Dr.in Eva Häfele und empfiehlt vor allem in der Betreuung der Null- bis Dreijährigen die Möglichkeiten für Gemeindekooperationen und regionale Zusammenschlüsse genau zu analysieren.
„Es gibt bereits eine gute Studie aus dem Jahr 2009, die Hindernisse und förderliche Faktoren für Gemeindekooperationen im Bereich der frühen Bildung identifiziert hat sowie klare Handlungsempfehlungen enthält“, so Häfele und verweist darauf, dass der Befund dieser Studie weitgehend dem Befund der Fachgespräche der aktuellen Studie entspricht. „Jetzt geht es darum, dass diese Erkenntnisse auch ernst genommen und in Maßnahmen umgesetzt werden.“
„Bereits jetzt ist die Personalsuche eine große Herausforderung und wird in den kommenden Jahren noch stark zunehmen, wenn keine entgegensteuernden Maßnahmen in die Wege geleitet werden“, spricht Eva Häfele einen weiteren zentralen Punkt der Studie an. Für das pädagogische Personal braucht es Rahmenbedingungen für ein gutes Arbeiten, eine angemessene Entlohnung, ausgewiesene Karrierepfade, eine den wachsenden Anforderungen angepasste Ausbildung sowie Fortbildungsangebote, die ein vielfältiges Wissensfeld abdecken.
Laut Häfele sollte auf Bundesebene eine langjährige Forderung von Expertinnen und Experten – nämlich der Umbau des Ausbildungssystems – angestrebt werden, mit dem Ziel einer tertiären Ausbildung für Elementarpädagogik und der Anerkennung entsprechender tertiärer Ausbildungen, um in frühpädagogischen Einrichtungen tätig sein zu können. Durch eine modulare Weiterbildung sollte durch Zusatzqualifikationen dann das Niveau eines BAfEP-Abschlusses erreicht werden.
"Ohne Maßnahmen wie diese, wird es schwer sein, genügend qualifiziertes Personal im Bereich der frühen Bildung zur Verfügung zu haben“, gibt Häfele zu bedenken und stellt auch klar: „Gegen die oft gehörte Meinung, dass für das Spielen und Basteln mit Kindern keine hochqualifizierten Mitarbeiterinnen notwendig sind, stehen genügend Erkenntnisse aus der Wissenschaft, die klar zum Ausdruck bringen, welchen positiven Effekt qualitativ hochstehende Frühbildung auf den gesamten Bildungs- und Erwerbsverlauf hat.“
"Die vorliegende Forschungsarbeit bietet noch viele weitere Themenfelder für Maßnahmen“, verweist Eva Häfele auf die ausführlich dokumentierten Empfehlungen der Studie. Insbesondere erwähnt sie hier die Qualitätsdimensionen der frühen Bildung, aber auch das Thema Kinderschutz.
Eva Häfele stellt klar, dass die in der Studie erarbeiteten Empfehlungen ein Beitrag zur Chancengerechtigkeit im Zugang zur Bildung und zum Bildungswesen darstellen. „Es geht auch um die soziale Teilhabe, die erst durch eine gerechte Bildungsteilhabe ermöglicht wird“, so Häfele.
AK-Präsident Hämmerle sieht in der Bundesregierung den größten Verantwortungsträger und fordert mit Blickrichtung Wien eine rasche Aufstockung der Finanzierung und Umsetzung jahrelanger Forderungen im Ausbildungs- und Qualifizierungsbereich, um dem Fachkräftemangel proaktiv zu begegnen, damit der Ausbau der Kinderbildung, die Ausweitung der Öffnungszeiten und die Optimierung der Betreuungsschlüssel überhaupt möglich sind. „Eine deutliche Erhöhung der Mittel ist auch dringend notwendig, um ein qualitativ hohes Niveau sicherzustellen“, betont Hämmerle und stellt klar, dass der Bund bei Kindern nicht sparen darf, „denn wie ernst es die Bundesregierung mit den Kindern wirklich meint, sehen wir auch daran, was sie bereit ist in sie zu investieren.“
"Die politische Verantwortung für die Sicherstellung von Chancengerechtigkeit liegt in erster Linie ganz klar beim Bund und erst in Folge bei den Ländern und Gemeinden. Kinder können sich nicht aussuchen, in welche Familien sie hineingeboren werden. Der Staat muss sicherstellen, dass die Herkunftsfamilie bei den Bildungs- und Lebenschancen für das Kind keine negative Rolle spielt.“
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