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Die wichtigsten Erkenntnisse aus der dritten Ausgabe des Standort-Ratings und die Forderungen der AK Vorarlberg.
Vorarlbergs Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer reißen sich mächtig am Riemen – in keinem anderen österreichischen Bundesland ist die Stundenproduktivität so hoch wie hierzulande. Trotzdem verlangen Wirtschaftsvertreter wegen des Arbeitskräftemangels noch mehr Arbeit und Flexibilität. Bei der Verteilung des Erfolgs hingegen gibt es maximale Zurückhaltung. So liegt die Lohnquote in Vorarlberg deutlich unter dem österreichischen Durchschnitt, die Gewinnquote dementsprechend deutlich darüber. „Den arbeitenden Menschen gönnt man nur den kleineren Teil des Kuchens“, kritisiert AK-Präsident Bernhard Heinzle. „Und das in einer Situation, in der viele Menschen nicht mehr wissen, wie sie die aktuelle Teuerung noch stemmen sollen oder wie sie zu leistbarem Wohnraum kommen.“
Laut dem neuen AK-Standort-Rating 2023 ist die Verteilung der Lohneinkommen und der unternehmerischen Gewinne in keinem anderen österreichischen Bundesland so ungleich wie in Vorarlberg. „Obwohl die Beschäftigten im Ländle die höchste Produktivität zuwege bringen, ist der Anteil am erwirtschafteten Erfolg der geringste in Österreich“, erklärt dazu AK-Präsident Heinzle. In Zahlen ausgedrückt: Im Jahr 2020 flossen knapp 47 Cent pro erwirtschaftetem Euro in die Lohneinkommen, im Österreichschnitt waren es hingegen 50 Cent und in Wien sogar knapp über 53 Cent. Bei den Unternehmenseinkommen zeigt sich dementsprechend das umgekehrte Bild: Hier liegt Vorarlberg deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Zusammengefasst: Die arbeitenden Menschen bekommen nur das kleinere Stück des Erfolgskuchens. Diese asymmetrische Verteilung zeigt sich auch klar in der Entwicklung der Einkommen. So ist das Arbeitnehmer:innenentgelt pro Beschäftigtem in den Jahren 2008 bis 2018 um 26 Prozent angestiegen, während das zu verteuernde Einkommen der Unternehmen im selben Zeitraum um 39 Prozent gestiegen ist.
Überhaupt ist die Lohnquote, also der Anteil der Lohneinkommen am gesamten Volkseinkommen, in Österreich seit langem rückläufig. Lag sie 1975 noch bei rund 75 Prozent, ist sie bis 2017 auf knapp 68 Prozent gesunken. Die wesentlichsten Gründe dafür waren die Intensivierung der Kapitalintensität der Produktion sowie die Globalisierung, die die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer und der Regulierungsbehörden auf nationaler und internationaler Ebene schwächte und gleichzeitig jene der multinational agierenden Unternehmen enorm stärkte.
Die Ungerechtigkeit spitzt sich indes weiter zu. Denn auch die negativen Effekte der diversen Krisen wie Pandemie, Ukraine-Krieg oder Teuerung sind ungleich verteilt. Der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Bevölkerung lang in den Jahren 2019 bis 2021 bei 24 Prozent und war damit am zweithöchsten im Bundesländervergleich. Laut der letztverfügbaren Konsumerhebung der Statistik Austria war 2019/2020 der Anteil von Wohnen und Energie mit 25,7 Prozent gemessen an den monatlichen Verbrauchsausgaben ebenfalls der zweithöchste. Vor allem die Wohnkosten explodierten, die Wohnungs- und Häuserpreise legten von 2015 bis 2021 um 73 Prozent zu. Bis zu einem Drittel aller Haushalte in Vorarlberg sind mittlerweile durch Wohnkosten überbelastet, die noch steigenden Strompreise werden sich erst in den kommenden Monaten deutlich bemerkbar machen.
Während es sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene verschiedene Hilfsleistungen gegeben hat, sind diese nur wenig treffsicher. Sehr viele staatliche Unterstützungsleistungen wurden an Unternehmen ausbezahlt, dies hat sich besonders während der Corona-Krise und auch bei den Energiekostenzuschüssen gezeigt. „Eine kürzlich erschienene Studie der österreichischen Nationalbank zur Insolvenzentwicklung in Österreich zeigt, dass die staatlichen Hilfsprogramme einerseits zu einem Anstieg der Liquidität und andererseits sogar zu einer Verbesserung der Eigenkapitalstruktur beigetragen haben. Somit scheint es, als wären diese Maßnahmen großteils nicht für die Existenzsicherung der Unternehmen notwendig gewesen“, stellt AK-Direktor Rainer Keckeis fest. Zusätzlich sind die Gewinne der Unternehmen stabiler als angenommen, und stiegen laut WIFO sogar kräftig.
Diese staatlichen Maßnahmen müssen finanziert werden. Die kürzliche Senkung der Körperschaftssteuer von 25 auf 24 Prozent im Jahr 2023 und eine weitere Senkung auf 23 Prozent im Jahr 2024 verschiebt die Abgabenlast weiter auf die Arbeitnehmer:innenseite. Und dass, obwohl die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schon bisher 80 Prozent der gesamten Steuerlast geschultert haben.
Die Steuer- und Abgabenlast in Österreich ist generell ungleich verteilt: Steuern auf Kapital bzw. Vermögen und dessen Einkommen sind auch im internationalen Vergleich sehr niedrig, dafür ist die menschliche Arbeit hoch belastet. So waren im Jahr 2016 von 151,4 Milliarden Steuern und Abgaben 80 Milliarden Euro Arbeitnehmer:innenentgelte. Damit werden fast 81 Prozent aller Steuern und Abgaben von Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen finanziert. Auch im Vergleich zu anderen OECD-Staaten liegt Österreich mit 1,3 Prozent des Steueraufkommens aus Vermögen deutlich unter dem Durchschnitt von 5,7 Prozent. Das war nicht immer so: 1965 kamen noch vier Prozent des Steueraufkommens aus Vermögensbesteuerung.
„Diese Entwicklungen verlangen ein Überdenken der aktuellen Steuer- und Wirtschaftspolitik“, fordert der AK-Direktor. So würden beispielsweise eine progressive Vermögenssteuer und Erbschaftssteuer zur Entlastung der allermeisten Haushalte und des Budgets beitragen, Einkommen könnten steuerlich entlastet werden. Damit würde schlussendlich auch der Kuchen gerechter verteilt.
Ein grundsätzliches Problem ist nämlich folgendes: Hat man bislang in Österreich über Umverteilung diskutiert, dann hat sich das immer nur auf den Arbeitnehmer:innensektor bezogen. Hier wurde von oben nach unten und oft auch in die umgekehrte Richtung verteilt. Nie aber wurden andere Geldquellen angezapft, wurden Vermögende oder reiche Erben in die Pflicht genommen. Eine Vermögenssteuer mit einem hohen Freibetrag von zwei Millionen Euro würde nur das reichste Prozent, das sind 40.000 Haushalte, betreffen. Das aktuelle System ist hingegen darauf ausgerichtet, Arme ärmer und Reiche reicher zu machen.
Das AK-Standort-Rating 2023 zeigt neben der Verteilungsungerechtigkeit auch andere Problembereiche im Ländle auf. Aufholbedarf gibt es auch in den Bereichen Kinderbetreuung, Langzeitarbeitslosigkeit oder Bildung. Betreuungs- und Pflegepflichten bzw. andere familiäre Gründe erlauben es Frauen auch weiterhin nur einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen.
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2023
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