Miete: Immo-Branche als Trittbrettfahrer der Inflation
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02.01.2023

Immo-Branche als Trittbrettfahrer der Inflation

Vor allem Mieter:innen im privaten Segment sind schutzlos ausgeliefert

Die schlechte Nachricht: Alle indexbasierten Mieterhöhungen belasten die betroffenen rund 1,8 Millionen Mieter:innen in Österreich heuer mit etwa 400 Millionen Euro. Die noch schlechtere: Mit rund 350 Millionen Euro entfällt der Löwenanteil auf das in Vorarlberg dominierende private Segment. Die Immo-Branche hingegen erzielt hohe Sondergewinne: Ihre Mieteinnahmen wachsen seit 2008 exorbitant (plus 123 Prozent) und die Eigenkapitalrentabilität liegt bei den Privaten im Bereich von 15 Prozent. „Die AK Vorarlberg fordert daher kurzfristige Maßnahmen zur Entlastung, vor allem zur Verhinderung hoher Mietnachzahlungen“, fordert AK-Präsident Bernhard Heinzle. 

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Für die meisten Mietverhältnisse in Vorarlberg ist – im Gegensatz zu Wien – weder der Richtwert- noch der Kategorie-Mietzins anwendbar. Die Mehrheit der Vorarlberger Mieter:innen kam 2021 daher nicht in den Genuss der Aussetzung der Mieterhöhung aufgrund der Pandemie. Beim Großteil der Mietwohnungen auf dem nicht gemeinnützigen Wohnungssektor kann die Miete frei vereinbart werden. Die Mieten liegen daher schon bei Vertragsabschluss deutlich über den Richtwertmieten und um ein Vielfaches höher als die Kategoriemieten. Zudem besteht keine Reglementierung hinsichtlich Schwellenwert oder Zeitpunkt der Mietanpassung und auch rückwirkende Mieterhöhungen sind möglich.

Mieter:innen Erhöhungen schutzlos ausgesetzt

Deshalb sind die meisten Mieter:innen im Ländle einer ständigen Anpassung des Mietzinses an den Verbraucherpreisindex (VPI) schutzlos ausgesetzt. Und die haben es derzeit bei einer jährlichen Anpassung an die Inflationsrate in sich: „Bei einem Hauptmietzins von 1.000 Euro und einer 11-prozentigen Inflation erhöht sich der Mietzins um 110 Euro monatlich. Mietforderungen können in aller Regel sogar drei Jahre rückwirkend geltend gemacht werden “, erklärt AK-Direktor Rainer Keckeis.

AK-Präsident Bernhard Heinzle und AK-Direktor Rainer Keckeis


Wenn die Vermieterseite vorläufig keine Mieterhöhung durchführt, obwohl dies nach dem Vertrag möglich wäre, müssen Mieter:innen schlimmstenfalls mit hohen Nachforderungen rechnen. Bei einer jährlichen Inflation wie etwa im Oktober 2022 von 11 Prozent und einem Mietzins von 1.000 Euro droht eine Nachzahlung von 1.320 Euro allein für ein Jahr. In manchen Verträgen ist sogar nur ein 2-prozentiger Schwellenwert vereinbart, sodass der Hauptmietzins bei jeder Steigerung der Inflationsrate über zwei Prozent erhöht werden kann. 2022 konnte das zu einer viermaligen Erhöhung des Hauptmietzinses führen.

Eine gesetzliche Regelung, wonach sämtliche Mietwohnverhältnisse hinsichtlich der Wertsicherungsklauseln vor einer regelmäßigen und sogar nachträglichen Mieterhöhung nach dem VPI bewahrt werden sollten, ist aus Sicht der AK dringend nötig. Denn aktuell gehen laufend verzweifelte Anfragen bei der AK-Konsumentenberatung ein – viele Menschen wissen nicht mehr, wie sie wegen der Teuerung ihr Leben meistern sollen.

Diese Sorgen hat die Immo-Branche derzeit nicht – im Gegenteil. Die Mieteinnahmen in Österreich sind seit 2008 um exorbitante 123 Prozent – und damit fast drei Mal stärker als die Wirtschaft – gewachsen, die Eigenkapitalrentabilität kann sich ebenfalls sehen lassen. Sie betrug im privaten Segment in den letzten fünf Jahren bis zu 15 Prozent

Durch die ständige Anpassung des Hauptmietzinses an den Verbraucherpreisindex erfolgt auf Kosten der Mieter:innen eine Vermögensumverteilung zugunsten der Vermieter:innen. Dies sollte in Zeiten von hohen Inflationsraten und der aktuellen Teuerung der Lebenshaltungskosten schleunigst gestoppt werden. Die Möglichkeit zur Umgehung dieser Regelung durch Befristungen und Mieterwechsel sollte zudem möglichst ausgeschlossen sein.

Befristungen treiben Mieten in die Höhe

Die Wohnungsmieten in Vorarlberg sind laut Statistik Austria nach Salzburg die zweithöchsten im Bundesländervergleich. Auf dem Vorarlberger Mietwohnungsmarkt ist es kaum möglich, langfristige Mietverhältnisse zu erschwinglichen Preisen einzugehen. 2021 waren fast drei Viertel (73,2 Prozent) der bestehenden Mietverträge im Ländle befristet abgeschlossen. Damit hat Vorarlberg österreichweit die mit Abstand höchste Befristungsrate (Tirol rangiert mit 43,2 Prozent auf Platz zwei).

Befristung bedeutet, dass im Fall einer Verlängerung des Mietverhältnisses – in der Regel nach drei Jahren – der Mietzins neu festgesetzt werden kann und vielfach an den Markt angepasst wird. „Die Mietpreise werden durch befristete Verträge daher in die Höhe getrieben“, so Keckeis. Viele Anfragen in der Konsumentenberatung hätten 2021 gezeigt, dass Mietverträge oft nur unter der Bedingung verlängert wurden, dass die Mieterseite eine Erhöhung über der Inflationsrate akzeptiert hat.

AK Vorarlberg fordert kurzfristige Maßnahmen

Für AK-Präsident Bernhard Heinzle ist es deshalb nur logisch, dass die aktuell mehr als angespannte Situation dringende, kurzfristige Maßnahmen erfordert, welche sich für die Mieter:innen in Vorarlberg auswirken:

  • Für sämtliche Wohnungsmietverhältnisse ist in Zeiten hoher Inflation eine einheitliche Regelung zur Wertanpassung des Hauptmietzinses einzuführen. Die Mieten sollen nicht öfter als zwei Mal im Jahr erhöht werden dürfen, die Erhöhung soll mit zwei Prozent gedeckelt sein. Dass soll so lange gelten, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.
  • Die letzte Mietanpassung vor Einführung dieser Regelung muss mindestens ein Jahr zurückliegen und eine rückwirkende Mieterhöhung wird gesetzlich für alle Wohnungsmietverhältnisse ausgeschlossen. Die Anpassung ist vom Vermieter 14 Tage vor dem Inkrafttreten dem Mieter schriftlich mitzuteilen.
  • Im Fall einer Verlängerung eines bestehenden Mietvertrages hat der bisher vereinbarte Mietzins mit dieser Wertsicherungsregelung weiter zu gelten.
  • Die Befristungsmöglichkeit für gewerbliche Vermieter sollte abgeschafft werden.

„Wir müssen unbedingt einmal unsere Sorgen loswerden. Wir sind eine kleine Familie – mein Lebenspartner und ich mit Baby im Bauch. Mit dieser Inflation und den ganzen Preiserhöhungen haben wir wirklich schon Existenzängste. Ich bekomme ab März nicht einmal mehr den vollen Zahltag. Mein Partner arbeitet Vollzeit und ich frage mich immer wieder, wie das alles weitergehen soll. Die Miete ist kaum mehr zu bezahlen und auch die Lebensmittelpreise sind enorm gestiegen. Von Strom usw. müssen wir gar nicht reden. Wir wissen langsam nicht mehr weiter und haben Angst, was nächstes Jahr noch alles kostentechnisch auf uns zukommt. Ich hoffe wirklich, dass sich etwas ändert und das alles einmal ein Ende nimmt. Es darf doch nicht wahr sein, dass man sich als junge Familie in Vorarlberg nichts mehr leisten kann oder sich fürchten muss, wie und ob man die nächsten Monate übersteht.“
(E-Mail einer verzweifelten Mieterin an die AK-Konsumentenberatung)


Wir haben mit unserer Mieterfamilie (2 Erwachsene mit vier Kindern) gesprochen und auf eine Mieterhöhung gänzlich verzichtet. Die Familie strampelt sich ab und bemüht sich sehr, über die Runden zu kommen. Sie passen gut auf unser Eigentum auf, das hat auch einen Wert. Die Beibehaltung der Miete … sehen wir derzeit als unseren gesellschaftlichen Beitrag zur Bewältigung dieser existenziellen Krise für diese Familie.“
(E-Mail einer Vermieterin an die AK-Konsumentenberatung)

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