Arbeiten macht dann Freude, wenn die Bedingungen passen. All-in-Verträge entpuppen sich oft im Nachhinein als richtige Überstundenfallen.
Arbeiten macht dann Freude, wenn die Bedingungen passen. All-in-Verträge entpuppen sich oft im Nachhinein als richtige Überstundenfallen. © Arlington Research , Unsplash
12.9.2023
Arbeit

Tipps zur All-In-Vereinbarung: Wie man der „Katz‘ im Sack“ auf die Schliche kommt

Arbeit,Arbeitsrecht,Arbeitszeit,Lohn

Anna F. (41) war in einem Gastgewerbebetrieb als Restaurantleitung beschäftigt. Bei den Gehaltsverhandlungen hatte sie sich mit ihrem Dienstgeber auf ein Gesamtentgelt von 3000 Euro geeinigt, also über dem Kollektivvertrag. Anna F. war begeistert, nicht zuletzt vom eigenen Verhandlungsgeschick. Die näheren Bestimmungen im Dienstvertrag, den Sie unterzeichnete, hinterfragte Sie nicht. Das war ein Fehler.

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2022 wurden in Österreich 47 Millionen geleistete Über- und Mehrstunden von Arbeitgebern nicht abgegolten – weder mit Geld noch mit Zeitausgleich. Das entspricht rund jeder vierten Überstunde und ist deutlich mehr als bisher. Warum ist das möglich? Weil die Beschäftigten nicht alle Überstunden melden –  aus Sorge, Probleme mit dem Arbeitgeber zu bekommen. Tatsächlich haben die Arbeitnehmer:innen 2022 dadurch insgesamt 1,2 Milliarden Euro verloren. Deshalb fordert die AK ein Verbot von All-In-Verträgen sowie Sanktionen, sollten Entgelte für Mehr- und Überstunden vom Arbeitgeber vorenthalten werden. 

All-in als Überstundenfalle

Im Laufe der Zeit stellte sich heraus, dass Anna F. immer mehr Überstunden leisten musste.  Auf Nachfrage beim Dienstgeber, warum diese Überstunden nicht bezahlt werden, wurde sie von ihrem Chef auf die All-In-Vereinbarung verwiesen, die sie unterschrieben hatte.   


Anna  F. hielt nicht lange durch. Nachdem sie ihr Dienstverhältnis beendet hatte, bat sie die Arbeiterkammer um Rat. Die Arbeitsrechtsexperten schauten sich ihren Fall genau an und siehe da: Der Dienstgeber hatte keine Deckungsprüfung durchgeführt. Das holte die Arbeiterkammer nach. Die Deckungsprüfung ergab, dass die Überzahlung in Annas All-in-Vertrag für die Deckung der tatsächlich geleisteten Überstunden nicht ausreichte. Die AK nahm die Firma in die Pflicht. Ihr beherztes Einschreiten bescherte der Dienstgeberin schließlich 1900 Euro, die ihr nachträglich überwiesen wurden.  

Was viele nicht wissen

All-in-Verträge sind die Glitzerstücke am Arbeitsmarkt. Aber es ist oft genug falsches Gold, das da glänzt. Laut Gesetz dürfen Arbeitnehmer:innen durch eine All-In-Vereinbarung nur besser, aber nicht schlechter gestellt werden. Übersteigt die zwingend zustehende Überstundenvergütung über einen gewissen Zeitraum hinweg das Ausmaß der Pauschalentlohnung, haben Arbeitnehmer:innen einen Nachforderungsanspruch auf die Entgeltdifferenz.

Die Arbeitgeberseite trifft in diesem Zusammenhang eine Nachrechnungspflicht: Die Dienstgeber:innen müssen prüfen, ob durch die Pauschale die tatsächlich geleisteten Überstunden im Durchschnitt eines bestimmten Zeitraumes – in der Regel ein Jahr – auch wirklich abgegolten werden.

Vor der Unterschrift sollte man den Arbeitsvertrag gründlich prüfen und gerne auch von der AK durchsehen lassen. Unsere Rechtsexpert:innen tun das gerne.
Vor der Unterschrift sollte man den Arbeitsvertrag gründlich prüfen und gerne auch von der AK durchsehen lassen. Unsere Rechtsexpert:innen tun das gerne. © Annika Wischnewsky, usplash.com

Tipp 1: Deckungsprüfung

Sollten Sie einer All-In-Vereinbarung unterliegen, fordern Sie jährlich eine Deckungsprüfung von Ihrem Dienstgeber an. Ebenfalls sollte das im Dienstvertrag vereinbarte Grundgehalt für die Normalarbeitszeit immer höher sein als der kollektivvertragliche Mindestlohn. Denn auf Basis des Grundgehaltes werden die Überstunden berechnet! 

So werden Überstunden berechnet

Zur Veranschaulichung hier zwei Beispiele (die Grenzen der höchstzulässigen Arbeitszeit werden dabei außer Acht gelassen): Bei beiden Varianten wurde eine All-In-Vereinbarung mit einem Gesamtentgelt in Höhe von 3000 Euro bei einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche vereinbart. Nur die unterschiedlich vereinbarten Grundgehälter haben einen massiven Einfluss auf die Überzahlung und den Wert der Überstunden.

Beispiel 1
Grundgehalt für Normalarbeitszeit
1900 Euro brutto
Überzahlung1100 Euro brutto
Vereinbartes Gesamtentgelt3000 Euro brutto
Grundlohn für Überstunde: 1900 Euro/173= 10,98 Euro brutto
50-prozentiger Zuschlag= 5,49 Euro brutto
Überstunde inklusive Zuschlag = 16,47 Euro brutto
Mit der Überzahlung in Höhe von EUR 1100 wären also monatlich 66,79 Überstunden abgegolten. 
Beispiel 2
Grundgehalt für Normalarbeitszeit2500 Euro brutto
Überzahlung500 Euro brutto
Vereinbartes Gesamtentgelt3000 Euro brutto
Grundlohn für Überstunde: 2500 Euro/ 173= 14,45 Euro brutto
50-prozentiger Zuschlag= 7,23 Euro brutto
Überstunde inklusive Zuschlag:
= 21,68 Euro brutto
Mit der Überzahlung in Höhe von EUR 500 wären monatlich 23,06 Überstunden abgegolten.

Tipp 2: Arbeitszeiten aufzeichnen!

Es kommt in den Beratungen der AK so oft vor, dass Arbeitnehmer:innen um ihre Überstunden geprellt werden. Deshalb: Zeichnen Sie Ihre Arbeitszeiten auf! Nutzen Sie dazu unseren digitalen AK Zeitspeicher, den Sie auch übers Handy nutzen können.

Sechs Punkte: Worauf vor Vertragsabschluss unbedingt zu achten ist

  1. Aus dem Vertrag muss klar hervorgehen, wie hoch das Entgelt für die Normalarbeitszeit und wie hoch das Ausmaß der Überzahlung für die Überstundenleistung ist.
  2. Der (die) Arbeitgeber:in muss das kollektivvertragliche Mindestentgelt einhalten.
  3. Beschäftigte dürfen durch die All-In-Vereinbarung nicht schlechter gestellt werden als bei einer Einzelabrechnung der Überstunden.
  4. Sie dürfen auch nicht mehr Arbeitsstunden leisten als gesetzlich erlaubt sind.
  5. Das in der All-in-Vereinbarung festgelegte Entgelt wird 14 mal im Jahr ausbezahlt.
  6. Das gesamte All-in-Entgelt gilt als Berechnungsgrundlage für die Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld. 

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