Als Betroffene von Langzeitarbeitslosigkeit wünscht sie sich eine dauerhafte Perspektive. Doch die Realität sieht anders aus. Heidrun Hartlieb über das anstregende Leben im Hin und Her.
Hört man Heidrun Hartlieb zu, wie sie über ihr Leben erzählt, wird einem schnell klar: Die Kärtnerin ist eine Frohnatur – trotz allem, was sie in den letzten Jahren durchgemacht hat. Als Vollzeitmama hat sie Natascha (35), Nadja (31) und Ramon (26) großgezogen. Als Oma erfreut sie sich nun an ihren vier Enkeln.
Heidrun Hartlieb hat auch ihr Leben lang gearbeitet: als gelernte kaufmännische Angestellte im Büro, als Vertreterin und schließlich beim Mobilen Hilfsdienst.
Mit Burnout in die Arbeitslosigkeit
Eine Aufgabe, die sie emotional (über)forderte und schließlich in die Krankheit und, damit verbunden, in die Arbeitslosigkeit führte. Weil sie die Sorgen ihrer Klient*innen beim MOHI mit nach Hause nahm und sich nicht erfolgreich von diesen abgrenzen konnte, stürzte sie in ein Burnout und erkrankte an Depression.
Im Jahr 2014 verlor Heidrun Hartliebs ihren Job, und seither ist sie arbeitslos. Auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Anstellung zu finden, ist für sie praktisch unmöglich. Ihre gesundheitliche Einschränkung lässt nicht mehr als 20 Stunden Arbeit pro Woche zu – so steht es auch in ihrem ärztlichen Attest.
Nach beruflichen Perspektiven weitergesucht hat Heidrun Hartlieb dennoch. Beim AMS erfuhr sie 2016 von den sozialen Unternehmen der Integra. Dadurch eröffnete sich ihr nach zwei Jahren ein neuer Weg. Sie vereinbarte einen Termin, stellte sich vor und eine Woche später war sie in der Produktion der Integra am arbeiten.
Zitat
„Für mich ist es wichtig, dass ich etwas tun, etwas leisten kann. Für die Gesellschaft, nicht nur für mich.“
Heidrun Hartlieb
Betroffene von Langzeitarbeitslosigkeit
Doch das Glück, eine sinnvolle Beschäftigung gefunden zu haben, trägt ein Ablaufdatum. Bis zum Pensionsantritt darf Heidrun Hartlieb nur 365 Tage lang am Stück in der Produktion der Integra beschäftigt sein, dann muss sie wieder für ein Jahr in die Arbeitslosigkeit, ehe sie erneut für maximal ein Jahr bei der Integra einsteigen darf. So schreiben es die Spielregeln, an die sich sozialökonomische Betriebe halten müssen, vor. Bei der Integra sind 60 Prozent der rund 1500 Klient*innen davon betroffen.
Hin und Her belastet doppelt
Der ständige Wechsel von der Beschäftigung in die Arbeitslosigkeit ist auch eine finanzielle Belastung. In Jahren bei der Integra verdient Heidrun Hartlieb 655 Euro im Monat, als Arbeitslose erhält sie im darauffolgenden Jahr 480 Euro monatlich, in der Notstandshilfe dann nur noch 390 Euro. Davon leben könnte sie nicht. Zum Glück hat sie ihren Mann, der gegenwärtig in Kurzarbeit ist.
Dauerhafte Perspektiven für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit zu schaffen, ist gerade in Vorarlberg wichtig: Die Zahl der Betroffenen hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt. Jede*r fünfte Arbeitslose ist bei uns langzeitarbeitslos. Die AK Vorarlberg möchte, dass diese Menschen eine unbefristete Perspektive bekommen.
Sinnerfüllt und konkurrenzfrei
Unser Vorschlag: Gründen wir in Vorarlberg in einem Pilotprojekt einen sozialen Betrieb und schaffen wir damit 100 Dauerarbeitsplätze für Menschen, die nach einem Jahr in einem sozialökonomischen Betrieb noch keinen Arbeitsplatz haben und älter als 40 Jahre sind. Mit sinnerfüllten Tätigkeiten, die nicht in Konkurrenz zu heimischen Firmen stehen. Entlohnt nach Kollektivvertrag, mit Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern.
Ein ChancenMarkt für Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit schafft nicht nur finanzielle, sondern vor allem sinnstiftende Perspektiven. Auch für Heidrun Hartlieb.
Unterstützung für Pilotprojekt
Was hält die Integra vom Vorschlag der AK Vorarlberg? Patrick Breuss (Bereichsleitung Bildung) und Joelle Kepp (Personalservice) sehen im ChancenMarkt eine gute Idee – und richten ihren Wunsch nach einer Umsetzung eines Pilotprojektes an den Arbeitsminister.
Was hinter der Idee steht
Ein erweiterter Arbeitsmarkt kann als „ChancenMarkt“ Menschen in Langzeitarbeitslosigkeit neue Perspektiven eröffnen. Das haben bereits mehrere ähnliche Projekte gezeigt.
Die AK Vorarlberg möchte, dass diesen Projekten, Ideen und den gewonnenen Erkenntnissen mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Dringlichkeit der großflächigen Umsetzung erkannt wird.
Wie ein Pilotprojekt für einen ChancenMarkt in Vorarlberg konkret aussehen könnte? Klicke auf den Link, um mehr zu erfahren.
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