1.9.2023
Arbeit
Philosophin über die Zukunft der Arbeit: Wir dürfen sie nicht dem Markt überlassen!
Bildung,Geschichte,Gesellschaft,Solidarität,Vordenker:in
Lisa Maria Herzog (39) zählt zweifelsohne zu den spannendsten philosophischen Köpfen unserer Tage. Sie hat in Oxford und Standford unterrichtet und hatte mit 32 Jahren bereits ihren ersten Lehrstuhl in München inne. Heute lehrt sie am Centre for Philosophy, Politics and Economics der niederländischen Universität Groningen. Sie ist Dekanin ihrer Fakultät. In der AK Reihe "Wissen fürs Leben" können Sie mit ihr am 26. September 2023 ab 19:30 Uhr ins Gespräch kommen. Über den Wert der Arbeit zum Beispiel und darüber, wie wir sie demokratisch weiter entwickeln können. Herzogs Buch "Die Rettung der Arbeit" hat inzwischen längst Bestseller-Charakter.
In diesem Beitrag
Wovor muss man die Arbeit denn eigentlich retten?
„Davor, rein dem Marktdenken überlassen zu werden – und davor, dass die Bedeutung von Arbeit für Gesellschaft und Demokratie übersehen wird“, bekräftigt die Philosophin Lisa Maria Herzog. Der Satz „das regelt der Markt“ klingt ganz hohl in ihren Ohren. Stattdessen fordert sie: „Wir müssen die Zukunft der Arbeitswelt aktiv gestalten!“ Gerade angesichts der bevorstehenden Umbrüche.
Menschen sind soziale Wesen, und so arbeiten wir auch. „Moderne Arbeit ist ihrer Natur nach arbeitsteilig.“ Gründlich räumt Herzog mit dem Mythos der wenigen strahlenden schöpferischen Genies auf, denen wir all unseren Fortschritt verdanken. Diese Erzählung hinkt schon deshalb, weil sie die Heerschar derer abwertet, die den Genies erst die Wege ebnen und „den großen Rest“ erledigen: Menschen im Transportwesen etwa oder bei der Post, Feuerwehr, Krankenpflege, die Menschen am Bau…
Lisa Maria Herzog setzt Hoffnungen in die Digitalisierung, „aber nur, wenn sie demokratisch ausgestaltet wird“. © Herzog, Universität Groningen
Was ist gute Arbeit?
„Gute Arbeit hat mit der Qualität von Beziehungen zu tun, mit dem Bewusstsein, dass die eigene Arbeit einen sinnvollen Zweck erfüllt, damit, wie man seine Talente entwickelt und seine Zeit verbringt.“ Arbeit ist in den Augen von Lisa Herzog so viel mehr als nur ein Instrument zur Einkommensgenerierung. Arbeit, der ihre soziale Dimension abgesprochen wird, „verliert ihre Würde“.
Digitalisierung – weckt Sie in Ihnen mehr Hoffnung oder Sorge? Wird die KI auf absehbare Zeit vielleicht auch die Philosoph:innen brotlos machen?
Zumindest der zweite Teil der Frage ringt Lisa Maria Herzog ein Lachen ab: Digitalisierung weckt in ihr Hoffnung, „aber nur, wenn sie demokratisch ausgestaltet wird“. Die KI wird oft unterstützen, nicht ersetzen, auch in der Philosophie, davon ist die Professorin am Centre for Philosophy, Politics and Economics der niederländischen Universität Groningen überzeugt. „Selbst, wenn KI Texte schreiben kann, muss jemand die richtigen Fragen stellen, und sie auf die richtige Weise stellen. Und Fragenstellen ist eine der Aufgaben der Philosophie!“
Was möchten Sie als Philosophin den Arbeitnehmer:innen mit auf den Weg geben?
Lisa Maria Herzog: „Sehen Sie sich auch in der Arbeit als Bürger:in, mit demokratischen Rechten und auch mit der Verantwortung, die wir alle gemeinsam für unsere Gesellschaft und für unsere Umwelt haben.“
Und Ihr Denkanstoß an die Arbeitgeber:innen?
Lisa Maria Herzog: „Trauen Sie Ihren Arbeitnehmer:innen zu, mehr selbst zu entscheiden – demokratisches Arbeiten ist viel öfters möglich, als man vielleicht denkt!“
Was kann und soll die Politik beisteuern, wenn wir versuchen Arbeit neu zu denken?
Lisa Maria Herzog: „Vieles - ich greife einen Punkt heraus. Oft wird nur über bezahlte Arbeit diskutiert, aber unsere Gesellschaften hängen auch von sehr vielen Formen unbezahlter Arbeit ab, die viel mehr gewürdigt werden sollten. Bei allen politischen Maßnahmen muss das Zusammenspiel von bezahlter und unbezahlter Arbeit im Leben von Menschen mitgedacht werden.“
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