Auch in noch so düsteren Situationen gibt es Licht am Horizont. Der Innsbrucker Historiker und Katastrophenforscher Josef Nussbaumer hat 40 solcher Lichter zusammengetragen, jedes einzelne ein Mutmacher.
Auch in noch so düsteren Situationen gibt es Licht am Horizont. Josef Nussbaumer hat 40 solcher Lichter zusammengetragen, jedes einzelne ein Mutmacher. © Thomas Matt/ AK Vorarlberg
3.8.2023
Bildung

Humanitäre Sternschnuppen: Menschen, an denen man sich ein Beispiel nehmen kann

Bildung,Geschichte,Gesellschaft,Solidarität,Vordenker:in

Dem Publikum der AK Reihe "Wissen fürs Leben" ist er gut vertraut: Zuletzt hat der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Josef Nussbaumer zusammen mit Andreas Exenberger und Stefan Neuner modellhaft beschrieben, was wäre, wenn man die Welt auf ein Dorf mit 100 Bewohnern herunterbricht. Jetzt legt er ein neues Buch vor. Darin porträtiert er mehr als 40 Menschen, die weitgehend unbekannt blieben und doch Außergewöhnliches geleistet haben: Humanitäre Sternschnuppen eben.

In diesem Beitrag

Frieden mitten im Krieg

Kennen Sie Franjo Starcevic? Aus den Jugoslawienkriegen Anfang der 1990er Jahre, die in etwa 200.000 Menschen das Leben gekostet haben, blieben allenfalls die Namen prominenter Kriegsverbrecher in Erinnerung. Von den Friedensstiftern ist nur selten die Rede, sonst wäre Franjo Starcevic in aller Munde. Denn diesem Mann gelang es, wenigstens in seiner Ge­gend den Kampf abzuwenden und den Frieden zu bewahren. 

Ein Mann, der in die Kamera blickt


Franjo Starcevic lebt in der Region Gorski Kotar im Westen Kroatiens. Er lehrte als Professor für Psychologie und Philosophie, verlor aber schon 1971 wegen seines Eintretens für die kroati­sche Autonomie seinen Arbeitsplatz. Seine Pension verbrachte er weitgehend zurückgezogen in sei­nem kroatischen Geburtsort Mrkopalj. Die Menschen schätzten ihn. Im Spätherbst 1991 schließlich sieht es so aus, als ob der Krieg auch seine Region erreichen. würde.  Kroaten und Serben, die relativ ge­schlossen in benachbarten Dörfern lebten, bereiteten sich vor. Sie sammelten Waffen, bauten Barrika­den . Nurmehr der berühmte Funke fehlte, und es wäre auch hier zu Kämpfen ge­kommen. Doch der alte Mann stellte sich dagegen. 

Unbewaffnet und zu Fuß

Der pensionierte Professor wanderte ins serbische Nachbardorf Jasenak auf der anderen Seite eines Berges, der Bjelalasica. Beide Dörfer liegen rund 30 km ausein­ander. Wie viele andere kroatische und serbische Dörfer auch waren Mrkopalj und Jasenak eng verbunden, aber hat alle Freundschaft zerbrochen. Und doch: Starcevic wird freundlich empfangen, stundenlang spricht er im Gemeinderat darüber, wie dumm es wäre, jetzt im 20. Jahr­hundert mit Waffen gegeneinander zu kämpfen. 

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Josef Nussbaumer hat bei "Wissen fürs Leben"W schon mehrfach vorgetragen. Als Katastrophenforscher kennt er das Elend der Welt, aber auch die Lichtblicke. © Jürgen Gorbach/ AK Vorarlberg


Zu diesem Zeitpunkt haben die Menschen schon auf beiden Seiten Barrikaden errichtet. Die Kroaten fürchten eine Offensive der Volksarmee und legen zehn Bäume auf die drei Verbindungs­straßen Richtung Jasenak. Auch die Serben verperren den Zugang zu ihrem Dorf. Die Männer tragen Waffen. Franjo Starcevic gelingt es, seine Landsleute vom Frieden zu überzeugen. Und so gewinnt auf beiden Seiten allmählich die Vernunft die Oberhand. IN der ganzen Regionen schließen sich serbische und kroatische Nachbardörfern dem Beispiel an, und während im Osten der Bruderkrieg tobt, fällt in den Bergen von Gorski Kotar kein Schuss.

Mehr als 40 solcher Geschichten hat Josef Nussbaumer in seinem neuen Buch über humanitäre Sternschnuppen zusammengetragen. Ihm ist es auch weit über den Zeitpunkt seiner Emeritierung hinaus ein Anliegen, den Menschen gerade dieser Tage eine Welt vor Augen zu führend, die nicht so schlecht ist, wie wir glauben. Schon 2018 hat Nussbaumer in der Reihe Wissen fürs Leben Menschen vor den Vorhang geholt, die Beispielhat wirken, darunter Yacouba Sawadogo, einen selbstversorgenden Ackerbauern aus Burkina Faso.

Nussbaumer bei "Wissen fürs Leben"

2018 stellte Univ.-Prof. Dr. Josef Nussbaumer in der AK Reihe "Wissen fürs Leben" sein Buch „Hoffnungstropfen“ vor. Darin beschreibt er gemeinsam mit Stefan Neuner zahlreiche Beispiele, Ereignisse und Fakten, die belegen: Die Welt ist nicht so trostlos, wie es scheint.

"Mehr als 30 Jahre ist er als Esel verspottet worden", erzählt Nussbaumer. "Aber er hat an sich geglaubt und als Einzelner Millionen Menschen geholfen." Yacouba Sawadogo hatte eine Methode entwickelt, um afrikanische Wüstengebiete neu zu begrünen. 2018 erhielt er gemeinsam mit Tony Rinaudo den Right Livelihood Award, der auch als Alternativer Nobelpreis bezeichnet wird. "Man sieht", sagt Nussbaumer, "was ein einzelnes Individuum 
Positives bewirken kann."

Informationen zum Buch

Humanitäre Sternschnuppen
Josef Nussbaumer
ISBN 978-3-99105-037-7
138x210 mm | 275 Seiten
2023, Studia Verlag
Preis: 19,90 Euro

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