„Dass die Jugendlichen nicht mehr arbeiten wollen“, entspricht nicht der Erfahrung von Dominik Ender: „Sie legen mehr Wert auf Balance in der Firma. Das Arbeitsklima ist ihnen wichtig, die Möglichkeiten voranzukommen zählen.“
„Dass die Jugendlichen nicht mehr arbeiten wollen“, entspricht nicht der Erfahrung von Dominik Ender: „Sie legen mehr Wert auf Balance in der Firma. Das Arbeitsklima ist ihnen wichtig, die Möglichkeiten voranzukommen zählen.“ © Yaroslav Shuraev, pexels.com
11.2.2025
Arbeit

Teamgeist, handwerkliches Geschick und das Wollen

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Stimmt das? Sind Jugendliche gar nicht mehr an Vollzeitjobs interessiert? Demotiviert, desorientiert? Dominik Ender hält dagegen. Er bildet Lehrlinge aus. Aber die rosa Brille ist ihm fremd. Es gibt Probleme, die schulischen Leistungen etwa zählen dazu.


Dominik Ender (39) leitet den Standort des Ausbildungszentrums Vorarlberg (AZV) im Hohenemser Hejomahd. Dort werden Jugendliche in den Lehrberufen Tischlerei, Tischlereitechnik, Betriebslogistik, Malerei, Elektrotechnik, Fahrradmechatronik, und Büro ausgebildet. „Wir bilden derzeit 125 Jugendliche aus“, präzisiert Ender. „Mit 130 wären wir komplett voll. Wir müssen bereits jetzt leider Gottes Anwärter:innen absagen.“ Im AZV ist die Zahl der Anwärter:innen definitiv größer geworden im vergangenen halben Jahr. Und das, obwohl die Jugendlichen „bei uns keine Lehrlingsentschädigung erhalten, sondern über das AMS nur Ausbildungsbeihilfen. Das ist weniger, als sie draußen verdienen würden.“

Also steckt die Lehre nun in der Krise, ja oder nein?

In diesem Interview

  1. Bedeutung der Lehrlingsausbildung
  2. Faul und lernschwach?
  3. Was im AZV anders ist
  4. Aktuelle Herausforderungen
  5. Lehrlingsausbildung im Wandel
  6. Erfolgsgeschichten
  7. Was spricht für eine Lehre?
  8. Welchen Beruf würden Sie selber heute wählen?
  9. Was muss ein Lehrling mitbringen?

AZV

Das AZV Ausbildungszentrum Vorarlberg organisiert klassische duale Lehrausbildungen. Hier werden die Lehrlinge sozialpädagogisch begleitet.

Welche Vorteile bietet eine Lehre sowohl für Jugendliche als auch für Unternehmen?

Dominik Ender: Für Jugendliche ist es vor allem wichtig, dass sie im Betrieb bleiben können. Es stellt immer einen Mehrwert dar, wenn Du als Geselle weiterarbeiten kannst. Der Vorteil liegt auf der Hand: Schon, dass Du auf lange Sicht den besseren Job haben wirst und auch mehr verdienen wirst, rechnet sich. Die Option, Hilfsarbeiter zu bleiben, ist ziemlich kurzsichtig gedacht. Wenn ein Unternehmen sich aufgrund der Wirtschaftslage verkleinern muss, wird mit Sicherheit erst der Hilfsarbeiter gekündigt. Fachkräfte sind mit den Strukturen des Unternehmens ausgebildet worden.


„Schulisch schlechter, das kann ich auch unterstreichen“, bedauert Dominik Ender.
„Schulisch schlechter, das kann ich auch unterstreichen“, bedauert Dominik Ender. © Thomas Matt, AK Vorarlberg

Die Zahl der Lehrlinge schwindet. Österreichweit haben wir in zehn Jahren 12.313 Lehrlinge verloren. Warum? Es scheitere an den schulischen Leistungen, an den sogenannten Basisqualifikationen und viele Jugendliche würden ohnehin gar nicht Vollzeit arbeiten wollen, heißt es allerorten. Stimmt das? 


Dominik Ender: Schulisch schlechter, das kann ich unterstreichen. 2016 haben wir den Zweig Elektrotechnik gegründet, seitdem sehe ich, dass ab 2019 die Leistungen wirklich immer schlechter geworden. Ob Corona ein Grund ist? Das kann ein Thema sein. Dass die Jugendlichen nicht mehr arbeiten wollen, entspricht hingegen nicht meiner Erfahrung. Sie legen mehr Wert auf Balance in der Firma. Das Arbeitsklima ist ihnen wichtig, die Möglichkeiten voranzukommen zählen. Deshalb kommen auch viele Jugendliche zu uns, weil sie das bei uns haben.

Welche Schwerpunkte setzt Ihr in der Ausbildung, und gibt es innovative Ansätze, die Euer Zentrum besonders auszeichnen?

Dominik Ender: Wir haben einfach mehr Zeit für die Jugendlichen, um nicht nur fachliche, sondern auch zwischenmenschliche Kenntnisse zu vermitteln. Kurz zusammengefasst: Weniger Stress und in jeder Ausbildung Top-Ausbildner.

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Viele Branchen kämpfen mit Fachkräftemangel. Welche Lösungsansätze siehst Du, um mehr junge Menschen für eine Lehre zu begeistern?

Dominik Ender: In gewissen Branchen ist es sicher das Gehalt, etwa im Tourismus. Im Einzelhandel sind sie jetzt eh auf 1000 Euro im ersten Lehrjahr raufgegangen. In jungen Jahren spielt das Gehalt noch eine wichtigere Rolle als später. Was das schlechte Image der Lehre anlangt, haben alle 20 Jahre dagegen gearbeitet. Jetzt liegen wir wieder im Aufwärtstrend. Aber es wird noch mehr brauchen.

Wie muss sich die Lehrlingsausbildung in den nächsten Jahren verändern?

Dominik Ender: Man müsste schon früher ansetzen, und zwar in der schulischen Ausbildung. Jugendliche kommen zu uns und können nicht einmal einfachste Rechnungen. Den Rest kann man ja lernen, aber ein Grundstock muss da sein. Wichtig wäre außerdem, dass sich Unternehmen zumindest im ersten halben Jahr mehr Zeit nehmen und individuelle Förderangebote im Portfolio haben. 

Bestimmt kennst Du eine inspirierende Erfolgsgeschichte eines ehemaligen Lehrlings, die zeigt, was mit einer guten Ausbildung möglich ist?

Dominik Ender: In der Tischlerei hatten wir einen Jugendlichen, der wirklich extrem introvertiert war. Er hat zu Anfang kaum etwas gesagt und bei den Schnuppertagen kein Wort heraus gebracht. Bei uns gilt als Voraussetzung, dass wenigstens die Möglichkeit besteht, dass er die Lehrausbildung schafft. Das stand lange auf Knopf und Spitz. Wir hatten viele Besprechungen auch in der Lehrzeit. Er ist dann drei Jahre bei uns geblieben. Ideal wäre es ja, wenn wir Jugendliche nach dem ersten Lehrjahr vermitteln. Und doch hat er die Lehrabschlussprüfung geschafft. Das Feedback der Ausbilder lautet am Schluss, dass er ein Top-Lehrling ist. Heute arbeitet er in einem kleinen Betrieb, sie sind sehr zufrieden mit ihm.

»Jugendliche kommen zu uns und können nicht einmal einfachste Rechnungen. Den Rest kann man ja lernen, aber ein Grundstock muss da sein.«

Ausbildungszentrum Vorarlberg

Dominik Ender


Was würdest Du einem Jugendlichen sagen, der unsicher ist, ob eine Lehre der richtige Weg für ihn oder sie ist?

Dominik Ender: Ich würde ihm erzählen, dass ich in seinem Alter auch selber nicht gewusst habe, wo die Reise hingeht. Dann habe ich eine Lehre als Metaller gemacht, abgebrochen, dann die zweite als Elektriker grandios bestanden. Man kann immer wechseln. Mir wurde das Jahr übrigens angerechnet, nichts war verloren.

Wenn Sie heute selbst noch einmal Lehrling wären – welchen Beruf würden Sie wählen und warum?

Dominik Ender: Elektriker hat mir schon gut gefallen. Ich hab ja auch den Meister gemacht.

Welche drei Eigenschaften sollte jemand mitbringen, um in der Lehre und im Berufsleben erfolgreich zu sein?

Dominik Ender: Teamgeist, handwerkliches Geschick und das Wollen.



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