Filiz Uzundal (22) steht als angehende Malerin im dritten Lehrjahr. Ihre Lehre hat sie in Leipzig angefangen und beendet sie jetzt im Ausbildungszentrum Vorarlberg.
Filiz Uzundal (22) steht als angehende Malerin im dritten Lehrjahr. Ihre Lehre hat sie in Leipzig angefangen und beendet sie jetzt im Ausbildungszentrum Vorarlberg. © Thomas Matt, AK Vorarlberg
11.2.2025
Arbeit

Wertschätzen, dass man einen Platz bekommt

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Filiz Uzundal ist Lehrling. Sie hat Schatten- und Sonnenseiten der Ausbildung kennengelernt. Im Ausbildungszentrum Vorarlberg schätzt sie vor allem den mitmenschlichen Umgang.

Die AK traf Filiz Uzundal (22) im Ausbildungszentrum Vorarlberg zum Interview. Wie erlebt sie die Lehre? Was schwebt Ihr in der Zukunft vor? Was rät sie anderen? Es entspann sich ein beeindruckendes Gespräch.

In diesem Interview

  1. Warum ausgerechnet eine Malerlehre?
  2. Mobbing an der Tagesordnung
  3. Wie hast Du Dich während der Lehre verändert?
  4. Ein ganz anderes Wohlbefinden
  5. Waren und sind da Vorurteile und Hürden?
  6. Nicht respektlos sein
  7. Und wo geht Dein Weg jetzt hin?
  8. Dein persönliches Wunschziel?
  9. Stichwort lebenslanges Lernen
  10. Was hat Dich motiviert?
  11. Was ein Lehrling tunlichst unterlassen sollte
  12. Was ein Lehrling braucht
  13. Schätzt die Gesellschaft die Lehre? 
  14. Wie kann man junge Menschen für die Lehre begeistern?
  15. Deine ganz persönliche Botschaft für junge Menschen?

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Was hat Dich ursprünglich dazu bewegt, gerade diesen Ausbildungsweg einzuschlagen? Gab es einen bestimmten Moment oder eine Person, die Dich inspiriert hat

Filiz Uzundal: Das hatte verschiedene Gründe. Ich habe Praktika gemacht beim Tierarzt, im Verkauf, in der Altenpflege. Aber den Malerberuf fand ich so vielseitig, auch wenn er körperlich belastend werden kann. Persönliche Vorbilder gab es keine. Mein Bruder ist Elektrotechniker, mein Onkel arbeitet in der Metalltechnik.

Gibt es ein Erlebnis während Deiner Ausbildung, das Dich nachhaltig geprägt hat?

Filiz Uzundal: Ich habe ja meine Lehre in Leipzig begonnen und schließe sie jetzt im AZV ab. Hier ist ein viel besseres Klima, alle sind freundlicher. Das AZV, das ist für mich fast wie Urlaub. In meiner vorigen Firma war es dagegen schon kritisch, wie sie mit anderen umgegangen sind. Mobbing war an der Tagesordnung. Wir hatten auch Behinderte angestellt, aber die wurden genau gleich fertiggemacht.

Die Pyramiden von Gizeh hat Filiz Uzundal als Prüfungsarbeit zu Papier gebracht.
Die Pyramiden von Gizeh hat Filiz Uzundal als Prüfungsarbeit zu Papier gebracht. © Thomas Matt, AK Vorarlberg


Wie hast Du Dich persönlich und fachlich seit Beginn deiner Ausbildung weiterentwickelt?

Filiz Uzundal: Vom Wissenstand her habe ich mich klar weiterentwickelt. Hier ist viel mehr dazu gekommen. Von der Persönlichkeit her bin ich eher gleichgeblieben: Ein wenig schüchtern und zurückgezogen. Wenn die Leute sagen „mach!“, dann mach ich das

Hast du in Deiner Ausbildung als Frau besondere Herausforderungen erlebt? Wie bist Du damit umgegangen?

Filiz Uzundal: Hier ist es eigentlich egal, welches Geschlecht man hat. Mann, Frau, Trans – das gibt es alles. Hier in Hohenems erlebe ich ein ganz anderes Wohlbefinden.

Gibt es Vorurteile oder Hürden, die Du überwinden musstest? Wie hat Dich das stärker gemacht?

Filiz Uzundal: Rassistische Vorurteile gab es in der alten Firma, hinterm Rücken, aber auch frontal. Ich nahm es locker, habe es halt gehört und wieder vergessen. Das ging zum einen Ende rein und am anderen wieder raus.

Was würdest Du anderen jungen Frauen raten, die einen ähnlichen Berufsweg einschlagen möchten?

Filiz Uzundal: Sie sollten wissen, was sie wollen. Im handwerklichen Beruf müssen sie damit rechnen, dass es anstrengend werden kann. Es kann auch mal rauer zugehen.


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Wie siehst Du Deine berufliche Zukunft in Vorarlberg? Welche Chancen bietet die Region für junge Fachkräfte?

Filiz Uzundal: Ich glaube nicht, dass ich als Malerin weitermachen werde. Ich bin für manche Malerfirmen mit meinen 1,58 m einfach zu klein. Wenn man mit Gerüsten arbeitet und so, ist das schon nachvollziehbar. Ich könnte auf Lackiererin oder Dekorateurin umlernen oder die Malerei mit dem Verkauf verbinden. Auch das Lehramt geht mir noch durch den Kopf. Ich könnte z. B. die Berufsschule anpeilen.

So, und welcher Farbton ist jetzt der richtige? Vielfältig erlebt Filiz Uzundal den Beruf, den sie eben erlernt. Vielfältig und mitunter auch ganz schön anstrengend.
So, und welcher Farbton ist jetzt der richtige? Vielfältig erlebt Filiz Uzundal den Beruf, den sie eben erlernt. Vielfältig und mitunter auch ganz schön anstrengend. © Thomas Matt, AK Vorarlberg


Gibt es ein konkretes Ziel oder einen Traum, den Du Dir nach deiner Ausbildung erfüllen möchtest?

Filiz Uzundal: Die Ausbildung bestehen und wirklich etwas finden, wo ich meinen Platz haben kann, das ist das Wichtigste. Derzeit wohne ich bei meinem Bruder und will ihn auch finanziell unterstützen. Auch meine Eltern möchte ich unterstützen, die sich um die demente Großmutter kümmern.

Wie wichtig sind Weiterbildung und lebenslanges Lernen für Dich?

Filiz Uzundal: Man lernt ja ein Leben lang, egal, was es ist. Zu sagen „man lernt jetzt gar nichts mehr“, das ist einfach grundfalsch.

Was hat Dir während deiner Ausbildung am meisten geholfen, dranzubleiben und motiviert zu bleiben?

Filiz Uzundal: Meine Mitlehrlinge und meine Ausbildner und die Pädagogen. Die unterstützen einen, egal, was man hat.

Welchen Fehler sollte man als Lehrling unbedingt vermeiden?

Filiz Uzundal: Man sollte nicht respektlos sein oder sich Chancen vermasseln, indem man auf krank macht. Und man sollte wertschätzen, dass man einen Platz bekommt.

»Die Ausbildung bestehen und wirklich etwas finden, wo ich meinen Platz haben kann, das ist das Wichtigste.«

Filiz Uzundal

Lehrling

Welche Skills oder Eigenschaften sind besonders wichtig für eine erfolgreiche Ausbildung?

Filiz Uzundal: Durchhaltevermögen. Du solltest verstehen können, was man von Dir möchte. Freundlich sein mit seinen Mitmenschen und nicht aus der Reihe tanzen.


Schwindelfrei sollte man schon sein…
Schwindelfrei sollte man schon sein… © Thomas Matt, AK Vorarlberg

Wie nimmst Du die Wertschätzung der Gesellschaft gegenüber Lehrlingen wahr? Hat sich das in den letzten Jahren verändert?

Filiz Uzundal: Das ist von Firma zu Firma ganz verschieden. Da gibt es die Unternehmen, die Lehrlinge wertschätzen und die anderen, die Dich nur ausbeuten.

Was könnte aus Deiner Sicht noch verbessert werden, damit junge Menschen sich stärker für eine Lehre entscheiden?

Filiz Uzundal: Wenn junge Leute sagen, dass sie als Hilfsarbeiter:innen mehr verdienen als in der Lehre, das verstehe ich schon. Da braucht es dann ganz individuelle Anreize. Manche Unternehmen bieten den Führerschein an oder den Weg zur Matura.

Wenn Du eine Botschaft an alle jungen Menschen richten könntest, die über ihre Zukunft nachdenken und ratlos sind– was würdest Du ihnen mit auf den Weg geben?

Filiz Uzundal: Ich war auch mal in der Phase. Man muss sich überlegen, was man in der Zukunft erreichen will. Möchte man später ein Haus, eine Familie haben, im Wohlstand bleiben oder einmal auf der Straße leben. Darüber sollten sie nachdenken, sie können ja nicht immer bei Mutti wohnen.

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