Soziales
Teuerungswelle schreit nach staatlichem Eingriff
Die Preissteigerungen schlagen inzwischen überall durch. AK-Präsident Hubert Hämmerle fordert staatliches Schutzpaket für überlastete Arbeitnehmer:innen und Pensionist:innen.
Zahlen klingen mitunter ganz wunderbar. Zum Beispiel diese: Österreich reklamiert 78 Prozent Ökostromanteil für sich. Das ist sehr gut. Elektrizität macht aber nur ein Fünftel des Gesamtenergieverbrauchs der Alpenrepublik aus. Und dieser Energieverbrauch ist viel zu hoch.
Über 57 Prozent der Energie beziehen wir immer noch aus Kohle, Öl und Gas. Dass 80 Prozent des Erdgases aus Russland stammen, das vor wenigen Tagen in die Ukraine einmarschiert ist und die Welt seither mit der latenten Drohung atomarer Schläge in Atem hält, rundet eine Denksportaufgabe ab, die jetzt keinen Aufschub mehr duldet: Wie nur, um alles in der Welt, kommen wir aus der Nummer wieder raus? Schon kostet der Liter Sprit über zwei Euro, saftige Preissteigerungen im Lebensmittelhandel kündigen sich an.
Wie andere wichtige Anliegen – etwa die Gehalts- und Pensionsunterschiede zwischen Mann und Frau – hat auch Österreichs Energiewirtschaft ihren eigenen Tag: Es ist der 4. Mai. Nur gefeiert wird da nichts. Denn dies ist der „Tag der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas“.
Bis zum 3. Mai wird die in Österreich benötigte Energie aus Wasser, Sonne, Wind und Wald erzeugt. Danach funktionierten das Arbeiten und Leben in Österreich für den Rest des Jahres rechnerisch nur mehr in Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas.
Nun ist es Österreichs erklärtes Ziel, bis spätestens 2040 die Klimaneutralität zu erreichen – also das ganze Jahr über so zu leben und zu wirtschaften, dass das Klima nicht beeinflusst wird. Derzeit kommen wir jedoch erst 123 Tage mit Energie aus natürlichen Ressourcen wie Wasser, Sonne, Wind und Wald sowie Erdwärme aus. „Ab dem 4. Mai sind wir für den Rest des Jahres abhängig von Öl, Kohle und Erdgas“, sagt Peter Traupmann, Geschäftsführer der Österreichischen Energieagentur.
Wie lässt sich der Tag der Abhängigkeit von Öl, Kohle und Erdgas möglichst weit an das Ende des Jahres verschieben? Dazu braucht es Traupmann zufolge neben dem Ausbau erneuerbarer Energie vor allem Energieeffizienz: „Das bedeutet, mit weniger Energie dasselbe Ergebnis oder sogar mehr zu erreichen.“
Ein gutes Beispiel dafür sei die Raumwärme. Bei einem thermisch sanierten Einfamilienhaus sinken die Energiekosten im Vergleich zu einem nicht sanierten Haus um 60 Prozent, die CO2-Emissionen um 63 Prozent. Die Bedeutung der Wärmeversorgung ist in Traupmanns Augen nicht zu unterschätzen. 50 Prozent der Endenergie wird in Österreich für das Heizen und für Wärme in Betrieben aufgewendet. Erdgas hat derzeit den höchsten Anteil bei der Wärmeversorgung. Der Anteil der erneuerbaren Energie beträgt bei der Wärme 33,8 Prozent.
Anders beim Strom: Mehr als 60 Prozent des in Österreich produzierten elektrischen Stroms stammen aus Wasserkraftwerken. Rund hundert große und tausende kleine Wasserkraftwerke garantieren eine stabile Grundversorgung. Von allen erneuerbaren Energiequellen unterliegt die Wasserkraft den wenigsten Schwankungen und ist weitgehend unabhängig von Wetter oder Jahreszeit. Gemeinsam mit Windkraft, Biomasse und Solarstrom werden in Österreich besagt 78 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen erzeugt. Das letzte Kohlekraftwerk ist in Österreich seit 2020 Geschichte.
Doch zurück zur Gesamtsicht, und da erweist sich Österreich als Großverbraucher: Von 1970 bis 2004 hat sich der österreichische Energieverbrauch im Verkehr, zur Stromerzeugung, zur Wärmeerzeugung usw. beinahe verdoppelt. Der Erdgasverbrauch hat sich im selben Zeitraum vervierfacht, jener von elektrischer Energie fast verdreifacht. Erneuerbare Energie stieg um 157 Prozent und Öl um 62 Prozent. Nach einem Verbrauchsrückgang in den 1980er Jahren und einer Stagnation bis Anfang der 1990er stieg der Ölverbrauch seit 1973 vor allem aufgrund des starken Anstiegs um die Jahrtausendwende noch um rund 30 Prozent. Dagegen ging der Kohleverbrauch um 74 Prozent zurück.
2004 betrug der Anteil russischen Erdgases in der österreichischen Versorgung 58,6 Prozent. Heute stellt russisches Gas sogar rund 80 Prozent der von uns verbrauchten Gasmengen dar. Die heimischen Gasspeicher waren zu Beginn des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine nur zu 18 Prozent gefüllt. Das hat nun hektische Diplomatie zur Folge. Denn die zentrale Frage lautet: Wie kommen wir aus dieser fatalen Abhängigkeit wieder heraus?
Bietet norwegisches Erdgas die Lösung oder verflüssigtes Erdgas aus Katar? Warum steigen die Preise überhaupt derart heftig, wo doch Gas und Öl weiter fließen? Welchen Anteil hat die Finanzwirtschaft? Zwingt nicht sie in Wahrheit die Konsument:innen in die Knie und verdient dabei hervorragend? Gewiss ist: Österreich hat einen harten Weg vor sich hin zu einer diversifizierten Energiebeschaffung, die an die Stelle der großen Abhängigkeiten treten muss.
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