Soziales
Gleichstellung in Vorarlberg
Trotz rechtlicher Gleichstellung klafft in Vorarlberg die Schere zwischen Männern und Frauen weit auseinander. Wir zeigen, wo echter Handlungsbedarf besteht.
Gleichstellung braucht eine klare Datengrundlage. Deshalb fordert die AK Vorarlberg das Land auf, den Gleichstellungsbericht wieder regelmäßig vorzulegen – gemeinsam, konstruktiv und mit dem Ziel einer gerechten, wirtschaftlich florierenden Gesellschaft.
Über zwei Jahrzehnte lang war der Gleichstellungsbericht ein zentrales Instrument, um die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen und Männern sichtbar zu machen – insbesondere in Bezug auf Bildungswege, berufliche Chancen und Entwicklung, Einkommensunterschiede und Verteilung der Care-Arbeit. Seit 2021 wird der Bericht als wichtiges politisches Werkzeug jedoch vom Land nicht mehr genutzt. Dabei ist es heute dringlicher denn je, Gleichstellung datenbasiert zu verfolgen und gezielt voranzutreiben – sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit als auch aus wirtschaftlicher Vernunft.
Seit dem Jahr 2000 wurde in Vorarlberg regelmäßig ein Gleichstellungsbericht erstellt – alle drei Jahre, systematisch und datengestützt. Der letzte erschien 2021 in Zusammenarbeit mit der AK Vorarlberg und dem ÖGB. Seither: Funkstille. Die Berichterstattung wurde nicht fortgesetzt. Damit fehlt dem Land eine belastbare Grundlage, um Gleichstellungspolitik evidenzbasiert weiterzuentwickeln – und strukturelle Ungleichheiten bei den Chancen, in der Erwerbsbeteiligung und bei den Belastungen von Frauen und Männern sichtbar zu machen.
Die AK Vorarlberg hat deshalb 2025 im Rahmen ihres Standort-Ratings ein deutliches Zeichen gesetzt: Im Spotlight der diesjährigen steht das Thema Gleichstellung. Ziel war es, das entstandene Informationsdefizit zumindest teilweise aufzuzeigen – und erneut klarzumachen, dass die Erhebung geschlechtsspezifischer Daten kein Selbstzweck ist, sondern die Voraussetzung für gezieltes politisches Handeln.
Der Vorarlberger Gleichstellungsbericht war nie bloß eine reine Zahlenansammlung. Er war ein Steuerungsinstrument: Wo hakt es beim Zugang zu Bildung und Beruf? Wie steht es um die Verteilung unbezahlter Arbeit? Wo bestehen Einkommensunterschiede? Ohne aktuelle Daten bleiben diese Fragen unbeantwortet – und können damit auch nicht gelöst werden.
Wenn das Land den Bericht nicht fortsetzt, ist das keine Einsparung, sondern die Verhinderung von gesellschaftlichem Fortschritt. Es spart damit nur an einem: der Chancengleichheit. Und es spart an der Möglichkeit, gesellschaftlichen Fortschritt aktiv zu gestalten.
Eine alternde Gesellschaft mit wachsendem Fachkräftemangel kann es sich nicht leisten, das Erwerbspotenzial von Frauen weiter zu ignorieren. Viele Frauen wollen mehr arbeiten – doch strukturelle Hürden, unbezahlte Care-Arbeit, Teilzeitfalle und mangelnde Vereinbarkeit bremsen sie aus. Gleichstellung zu forcieren bedeutet, diese Bremsen zu lösen.
Die AK Vorarlberg hat mit ihrem Standort-Rating 2025 klar gemacht: Gleichstellung ist kein gesellschaftliches Randthema – sie ist ein harter Standortfaktor. Vorarlberg ist zwar wirtschaftlich stark, aber sozial unausgeglichen. Die Menschen hier arbeiten überdurchschnittlich viel und produktiv, profitieren aber nicht im selben Ausmaß davon.
Strukturell besonders benachteiligt sind Frauen: Unzureichende elementarpädagogische Angebote – vor allem für Kinder unter drei Jahren – sowie fehlende Pflegekräfte zwingen viele Frauen dazu, privat unbezahlte Sorgearbeit zu übernehmen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist nach wie vor schlecht, die Beteiligung von Vätern gering, und veraltete Rollenbilder wirken tief. Geringe Qualifizierung und wenige Weiterbildungsmöglichkeiten verschärfen die Situation für Frauen zusätzlich. Die Folge ist eine besonders hohe Teilzeitquote, ein Gender Pay Gap von über 35 %, eingeschränkte ökonomische Teilhabe – und für viele Frauen hohe Abhängigkeit, ein erhöhtes Risiko für Armutsgefährdung, gesundheitliche Belastungen und sogar die Gefahr von Gewalterfahrungen.
Wer Gleichstellung politsch nicht ernst nimmt, riskiert, das Potenzial zehntausender Frauen zu übergehen – und nimmt in Kauf, dass sie in prekäre Lebenssituationen gedrängt und gesellschaftlich abgehängt werden. Das gefährdet nicht nur soziale Gerechtigkeit, sondern auch den langfristigen Wohlstand für alle.
Die AK Vorarlberg möchte Wohlstand für alle. Und was meinen wir mit damit? Es geht nicht nur um Einkommen, es geht um vieles. Ja, um gerecht verteilten materiellen Wohlstand geht es auch und besonders. Es geht aber auch um gute Arbeit für alle, unabhängig vom Geschlecht. Um Zeit für Familie und Gesundheit. Um eine intakte Umwelt und ein stabiles gesellschaftliches Klima. Um einen funktionierenden Staat.
Ohne Gleichstellung ist Wohlstand für alle nicht möglich. Fortschritte können wir hier nur durch Messen der Entwicklungen erkennen und steuern. Ohne regelmäßige Datenerhebung kann es auch keine wirksamen politischen Maßnahmen geben, um gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken – und deshalb brauchen wir den Vorarlberger Gleichstellungsbericht.
Die AK Vorarlberg ist bereit, wie schon 2021 gemeinsam mit dem ÖGB, in dieser Frage erneut Verantwortung zu übernehmen. Unsere Hand ist ausgestreckt. Wir möchten mit dem Land zusammenarbeiten, um den Vorarlberger Gleichstellungsbericht neu aufzusetzen – regelmäßig, handlungsorientiert, öffentlich nachvollziehbar.
Jetzt ist der Moment, an dem Vorarlberg zeigen kann: Wir meinen es ernst. Mit der Gleichstellung. Mit dem Fortschritt. Mit dem Wohlstand für alle.
Soziales
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