Ein weinendes Baby liegt auf einem Bett und zeigt seine Traurigkeit in einem emotionalen Moment.
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08.03.2023
Soziales

Gleichstellung in Vorarlberg: Warum Frauen noch immer den Kürzeren ziehen

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Trotz rechtlicher Gleichstellung klafft in Vorarlberg die Schere zwischen Männern und Frauen weit auseinander. Wir zeigen, wo echter Handlungsbedarf besteht.

Ihr gebt im Job alles, jongliert nebenbei Familie und Haushalt, und am Ende des Monats steht auf dem Gehaltszettel trotzdem deutlich weniger als bei euren männlichen Kollegen? Willkommen im Ländle, wo die Gleichstellung zwar auf dem Papier existiert, die Realität aber ganz anders aussieht. Gesellschaftlich ist Vorarlberg leider bei weitem nicht so fortschrittlich, wie wir uns selbst vielleicht gerne sehen. Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich sogar erschreckende Ungleichheiten.

Wo muss Vorarlberg aufholen, damit Gleichstellung Realität wird? Wir haben dafür die Zahlen aus dem aktuellen Vorarlberger Gleichstellungsbericht (2021) genauer angesehen.

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Frauen im Beruf: Vorarlbergs ernüchternde berufliche Realität

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Frauen machen zwar die Hälfte der Vorarlberger Bevölkerung aus – genau genommen 203.000 Frauen gegenüber 201.000 Männern – doch damit endet die Gleichstellung auch schon. Besonders alarmierend ist die Situation bei den Vollzeitbeschäftigten: Nur 30 Prozent der Vollzeitstellen sind von Frauen besetzt, eine Quote, die sich seit 2006 praktisch nicht verändert hat. Im Gegenteil: Verglichen mit 2019/2020 ist der Anteil sogar leicht zurückgegangen.

Während nur 46.000 Frauen in Vollzeit arbeiten, sind es bei den Männern 109.600. Bei der Teilzeitarbeit zeigt sich ein komplett umgekehrtes Bild: Hier dominieren Frauen mit 82,6 Prozent. Die Teilzeitquote der Vorarlbergerinnen liegt mit 51,1 Prozent deutlich über dem österreichischen Durchschnitt von 47,7 Prozent. Zum Vergleich: Bei den Männern beträgt die Teilzeitquote gerade einmal 8,8 Prozent.

Gender Pay Gap Vorarlberg: 23 Prozent Gehaltsunterschied

Wenn es ums Geld geht, wird die Ungleichheit besonders deutlich. Mit einem durchschnittlichen Bruttojahreseinkommen von 21.719 Euro verdienen Vorarlbergerinnen nicht einmal die Hälfte ihrer männlichen Kollegen, die im Schnitt 41.367 Euro mit nach Hause nehmen. Noch erschreckender: Ein Viertel aller unselbständig beschäftigten Frauen in Vorarlberg muss mit weniger als 9.646 Euro brutto im Jahr auskommen (2019).

Wer jetzt denkt, diese Unterschiede lägen an Faktoren wie Beschäftigungsgrad, Branche oder Ausbildung, irrt sich gewaltig. Selbst bei ganzjähriger Vollzeitbeschäftigung beträgt der Gehaltsunterschied noch immer 23,3 Prozent – der höchste Wert im österreichischen Bundesländervergleich. Eine Studie der Statistik Austria aus dem Jahr 2017 bestätigt: Der größte Teil des Gender Pay Gaps in Österreich (13,6 von 22,2 Prozent) lässt sich durch keine strukturellen Faktoren erklären.

Kinderbetreuung Vorarlberg: 97 Prozent Frauenanteil

In Vorarlberg wird Kinderbetreuung nach wie vor als „Frauensache“ verstanden – das belegen die Zahlen eindrücklich: Sage und schreibe 96,7 Prozent aller Menschen in Elternkarenz sind Frauen. Von einer partnerschaftlichen Aufteilung der Familienarbeit kann also keine Rede sein. Besonders herausfordernd ist die Situation für Alleinerziehende, von denen 86,8 Prozent Frauen sind. Das Kinderbetreuungsgeld wird zu 97,8 Prozent von Müttern bezogen – Zahlen, die uns aufrütteln müssen!

Die Konsequenzen der ungleichen Verteilung sind weitreichend: Sobald das erste Kind da ist, sinkt die Vollzeiterwerbsquote von Frauen auf unter 20 Prozent, während über 80 Prozent in Teilzeit arbeiten. Dass die Vorarlberger Männer sich nicht um Kinder kümmern, spiegelt sich auch in den Bildungseinrichtungen wider: Unter den 3.341 Beschäftigten in Vorarlberger Kinderbildungseinrichtungen befinden sich gerade einmal 58 Männer – ein Frauenanteil von 98,3 Prozent.


Bildung als Schlüssel zur Chancengleichheit für Frauen in Vorarlberg

Bildung ist ein wichtiger Schlüssel zu besseren Berufschancen. Mit steigendem Bildungsniveau wächst auch die Erwerbsbeteiligung von Frauen signifikant. Während 2019 nur 47,5 Prozent der Frauen mit Pflichtschulabschluss erwerbstätig waren (im Vergleich zu 63,6 Prozent der Männer), stieg die Quote bei Frauen mit AHS- oder BHS-Abschluss auf 78,8 Prozent (Männer: 84 Prozent). Am deutlichsten wird der Zusammenhang bei Akademikerinnen: Hier liegt die Erwerbsquote bei 87,6 Prozent – auch wenn sie immer noch unter der männlichen Quote von 95,2 Prozent liegt.

Umso besorgniserregender ist ein anderer Befund: Vorarlberg hat österreichweit den höchsten Anteil an Menschen, die nur einen Pflichtschulabschluss vorweisen können – 21,2 Prozent gegenüber 18 Prozent im österreichischen Durchschnitt. Auch hier trifft es Frauen besonders hart: Während bei den Männern „nur“ 26 Prozent nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung absolvieren, sind es bei Frauen über 15 Jahren erschreckende 34 Prozent.

Diese Zahlen verdeutlichen: Der Zugang zu höherer Bildung ist ein entscheidender Faktor. Hier braucht es dringend Maßnahmen – von gezielter Förderung bis hin zum Abbau traditioneller Rollenbilder, die Mädchen und Frauen von bestimmten Bildungswegen abhalten. Denn eines ist klar: Ohne eine gute Ausbildung ist es bis zu echter Gleichstellung ein noch weiterer Weg.

Führungspositionen Vorarlberg: Nur 23 Prozent Frauen

Der Weg nach oben bleibt für Vorarlberger Frauen steinig: Von 12.800 Führungskräften in Vorarlberg sind nur 3.000 weiblich. In den Aufsichtsräten sieht es noch düsterer aus – hier liegt der Frauenanteil bei nur 16,4 Prozent (123 Frauen gegenüber 626 Männern). Damit landet Vorarlberg auf dem drittletzten Platz im Bundesländer-Ranking.

Noch ernüchternder wird es beim Blick in die Geschäftsführungsetagen: Mit einem Frauenanteil von 13,1 Prozent liegt Vorarlberg gemeinsam mit Oberösterreich auf dem letzten Platz – der österreichische Durchschnitt beträgt immerhin 15,9 Prozent. Bei den handelsrechtlichen Geschäftsführungen sind sogar nur 11,2 Prozent der Positionen von Frauen besetzt – auch hier das Schlusslicht im Bundesländervergleich.


Frauenpensionen Vorarlberg: Große Einkommenslücke im Alter

Die Kombination aus geringeren Gehältern, häufigerer Teilzeitarbeit und Karriereunterbrechungen führt zu einem Problem, das viele Frauen erst im Alter mit voller Wucht trifft: niedrige Pensionen. Das österreichische Alterssicherungssystem basiert auf kontinuierlichen Erwerbsverläufen und existenzsichernden Einkommen – beides ist für viele Vorarlberger Frauen aufgrund der beschriebenen Umstände kaum erreichbar.

Die Zahlen sind alarmierend: Vorarlberger Pensionistinnen haben mit 14.680 Euro brutto pro Jahr das niedrigste Medianeinkommen in ganz Österreich. Zum Vergleich: Männliche Pensionisten erhalten im Schnitt 27.374 Euro – fast das Doppelte. Noch dramatischer: Ein Viertel aller Pensionistinnen in Vorarlberg muss mit maximal 9.332 Euro brutto im Jahr auskommen.

Frauen in der Politik: In Vorarlberg noch viel Luft nach oben

Leider ist auch das Realität: Ohne Stimme in politischen Gremien bleiben Fraueninteressen oft auf der Strecke. Das zeigt sich besonders in der Vorarlberger Politik. Nach den Gemeindewahlen 2020 ist nur ein Viertel der Gemeindevertreter:innen weiblich. Der Anteil der Bürgermeisterinnen ist mit 6,3 Prozent verschwindend gering. In den 14 Jahren zwischen 2006 und 2020 stieg er lediglich um 3,2 Prozentpunkte.

Ein kleiner Lichtblick zeigt sich immerhin auf Landesebene: Im Landtag liegt der Frauenanteil mittlerweile bei 41,7 Prozent, in der letzten Landesregierung (2019–2024) bei 42,8 Prozent. 

Quellen für diesen Beitrag:

  • Vorarlberger Gleichstellungsbericht 2021
  • Indikatoren für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2021

Weitere Informationen zur Situation der Frauen in Vorarlberg sowie die Berichte und Studien zur Gleichstellung von Frauen findest du hier:

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