755.000 Mieterinnen und Mieter in Österreich sind vom Richtwertmietzins und der jeweiligen Indexanpassung betroffen. Ihre Miete wird grundsätzlich alle zwei Jahre erhöht.
755.000 Mieterinnen und Mieter in Österreich sind vom Richtwertmietzins und der jeweiligen Indexanpassung betroffen. Ihre Miete wird grundsätzlich alle zwei Jahre erhöht. © Ketut Subiyanto, Pexels
27.06.2023
Konsum

Richtwertmiete: Wenn eine erdachte Wohnung die Norm darstellt

Bauen & Wohnen,Konsum,Mieten,Mietrecht,Vorarlberg,Wohnen

Etwa 755.000 Mieter:innen entrichten in Österreich monatlich Richtwertmietzins.  Dieses System wurde im März 1994 eingeführt. Es löste die bis dahin geltenden Kategoriemieten in seither neu abgeschlossenen Verträgen im Vollanwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) ab.

In diesem Beitrag

Daneben gibt es als weitere Mietzinsobergrenzen für Mietverträge im Vollanwendungsbereich, die seit 1. März 1994 abgeschlossen werden, auch noch den Kategorie C- und D-Mietzins für Substandardwohnungen sowie den „angemessenen Hauptmietzins“ für gewisse Ausnahmen: Zum Beispiel für 

  • Luxuswohnungen der Kategorie A und B, die größer als 130 m² sind, wenn sie innerhalb von sechs Monaten nach Räumung durch die Vormieter:innen neu vermietet werden (bei Verbesserungsarbeiten kann sich diese Frist auf 18 Monate verlängern),
  • Wohnungen in denkmalgeschützten Häusern, in die der/die Vermieter:in nach dem 8. Mai 1945 erhebliche Eigenmittel zur Erhaltung des Gebäudes gesteckt hat, oder
  • Wohnungen, die nach dem 8. Mai 1945 durch Um-, Auf-, Neu- oder Zubau im bzw. zum „alten Gemäuer“ neu geschaffen wurden.

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Mit „angemessenem Hauptmietzins“ ist der ortsübliche frei vereinbarte Mietzins gemeint. Doch zurück zum Richtwertmietzins:

Richtwert als Basismiete

Wie funktioniert das Richtwertsystem? Ihm liegt ein bestimmter Richtwert als Basismiete zugrunde, der 1994 in jedem Bundesland mit der Begründung der bundesländerweise abweichenden Bau- und Grundkosten unterschiedlich hoch festgesetzt wurde. Das Burgenland hat den niedrigsten (6,09 Euro), Vorarlberg den höchsten (10,25 Euro), Wien hat den zweitniedrigsten (6,67 Euro) Richtwert. 

Ein Mann, der in die Kamera blickt


Anpassung alle zwei Jahre

Diese Richtwertbeträge werden seit 2010 alle zwei Jahre (davor jährlich) mit dem Verbraucherpreisindex valorisiert. Die so errechneten neuen Beträge werden dann vom Justizministerium jeweils kundgemacht. In der Folge kann die Vermieterseite den vereinbarten Richtwertmietzins gegenüber der Mieterseite entsprechend anpassen.

Dieser Zwei-Jahres-Rhythmus kam nur 2021 aufgrund der Corona-Pandemie etwas aus dem Takt: Zur Entlastung der Mieter:innen wurde im Jahr 2021 die Indexanpassung gesetzlich um ein Jahr verschoben und erst am 1. April 2022 vorgenommen, was eine Erhöhung um 5,8 Prozent bedeutete. Die darauffolgende Anpassung des Richtwertes fand aber schon am 1. April 2023, also im Folgejahr, statt, was zu einer neuerlichen Erhöhung um 8,6 Prozent (!) führte. Die weiteren Anpassungen werden wieder alle zwei Jahre vorgenommen. Die nächste Richtwertänderung ist daher für den 1. April 2025 vorgesehen.

Da die Richtwerte für jedes Bundesland verschieden hoch sind, ergeben sich auch jeweils unterschiedliche Erhöhungen pro Quadratmeter, zuletzt für Wien + 52 Cent, für Vorarlberg aber + 81 Cent.

BundeslandRichtwert 1.4.2022 – 31.3.202
Richtwert seit 1.4.2023
Burgenland5,61 € pro m²
6,09 € pro m²
Kärnten7,20 € pro m²
7,81€ pro m²
Niederösterreich6,31 € pro m²
6,85 € pro m²
Oberösterreich6,66 € pro m²
7,23 € pro m²
Salzburg8,50 € pro m²
9,22 € pro m²
Steiermark8,49 € pro m²
9,21 € pro m²
Tirol7,50 € pro m²
8,14 € pro m²
Vorarlberg9,44 € pro m²
10,25 € pro m²
Wien6,15 € pro m²
6,67 € pro m²


„Brauchbare Wohnung“ der Kategorie A als Norm

Die Richtwerte gelten als maximal zulässiger Hauptmietzins für die sogenannte Normwohnung, die im Gesetz fiktiv beschrieben wird: Eine brauchbare Wohnung der Kategorie A in einem Haus mit ordnungsgemäßem Erhaltungszustand auf einer Liegenschaft mit durchschnittlicher Lage.

Zuschläge und Abstriche

Dazu kommen in der Regel aber noch diverse Zu- und/oder Abschläge. Mit dem klar festgelegten Richtwert ist der zulässige Hauptmietzins einer konkreten Altbauwohnung noch nicht bestimmt. Die zu vermietende Wohnung muss mit der mietrechtlichen Normwohnung verglichen werden. Für werterhöhende oder wertvermindernde Umstände, die bei der Wohnung im Vergleich zur Normwohnung vorliegen, sind Zuschläge oder Abstriche zu berechnen, woraus sich der Richtwertmietzins erst ergibt. Die mögliche Höhe der jeweiligen Zuschläge und Abstriche zum Richtwert legt Gesetz freilich nicht fest.

Wird der Mietvertrag befristet abgeschlossen, so ist ein so genannter Befristungsabschlag von 25 Prozent vom Richtwertmietzins vorgesehen. Dieser Befristungsabschlag gilt auch für Kategoriemieten und den „angemessenen Mietzins“, wenn das Mietverhältnis befristet ist. Die Vermieterseite ist allerdings nicht verpflichtet, ihre Berechnungen zur Ermittlung des Richtwertmietzinses offen zu legen und im Mietvertrag anzugeben.

Weil in Vorarlberg – anders als in Wien – eine Schlichtungsstelle fehlt, landen die Fälle beim Bezirksgericht. Mit anderen Worten: Die Mietpartei trägt man von Anfang an das Risiko vpn Sachverständigen- oder Anwaltskosten.
Weil in Vorarlberg – anders als in Wien – eine Schlichtungsstelle fehlt, landen die Fälle beim Bezirksgericht. Mit anderen Worten: Die Mietpartei trägt man von Anfang an das Risiko vpn Sachverständigen- oder Anwaltskosten. © Thomas Matt/AK Vorarlberg, AK Vorarlberg


Nach eigenem Gutdünken

In der Praxis legen Vermieter:innen grundsätzlich einen Hauptmietzins nach eigenem Gutdünken fest, ohne aufzuschlüsseln, wie der Betrag konkret errechnet wurde. Dann warten sie ab, ob die Mieter:innen den vereinbarten Hauptmietzins auf seine gesetzliche Zulässigkeit hin überprüfen lassen. Erst im Verfahren wird dann – in der Regel unter Beiziehung eines Sachverständigen – geklärt, welche Zuschläge zulässig sind und in welcher Höhe sie und überhaupt der gesamte vereinbarte Hauptmietzins gerechtfertigt sind.

Die gesetzlichen Vorschriften zu den Zu- und Abschlägen sind so ungenügend, dass bei Mietvertragsabschluss kaum beurteilt werden kann, ob der Hauptmietzins korrekt berechnet wurde. Zur Klärung der Frage, ob der Vermieter einen gesetzmäßigen oder überhöhten Hauptmietzins verlangt hat, ist in vielen Fällen ein Verfahren bei Gericht unvermeidlich.

In Vorarlberg fehlt Schlichtungsstelle

Im Gegensatz zu Wien gibt es in Vorarlberg keine dem Gerichtsverfahren vorgeschaltete Schlichtungsstelle, die ein Schlichtungsverfahren samt Sachverständigengutachten weitgehend kostenlos für Mieter:innen durchführen könnte. In Vorarlberg sind die Bezirksgerichte ohne vorgeschaltete Schlichtungsstelle zuständig, das heißt, als Mietpartei trägt man von Anfang an das Risiko, für Sachverständigenkosten und für allfällige Anwaltskosten aufkommen zu müssen.

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755.000 Mieterinnen und Mieter in Österreich sind vom Richtwertmietzins und der jeweiligen Indexanpassung betroffen. In Vorarlberg betrifft es jedoch nur einen geringen Anteil auf dem Mietwohnungsmarkt. In erster Linie ist an Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu denken, die vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet wurden, etwa die Altstadthäuser in den Vorarlberger Städten. Aufgrund eines Denkmalschutzes könnte aber gerade bei diesen Gebäuden wird der „angemessene Mietzins“ zum Tragen kommen – allerdings bei befristeten Mietverträgen – mit 25 Prozent Befristungsabschlag!

System hat Vorteile

Auch wenn der Richtwertmietzins schwer zu ermitteln und zu überprüfen ist, so gibt es für Mieter:innen jedenfalls folgende Vorteile gegenüber den frei vereinbarten Mietzinsen:

  • 25-prozentiger Abschlag bei befristeten Mietverträgen
  • Indexanpassung grundsätzlich nur alle zwei Jahre
  • keine rückwirkende Mietanpassung
  • Möglichkeit der gerichtlichen Mietzinsüberprüfung 

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