Tobias Ilg, Obmann des Biomasseverbands, Landesrat Daniel Zadra und Paul Rusching (AK): Gemeinsam haben sie den neuen Index geschaffen, um mehr Transparenz zu erwirken.
Tobias Ilg, Obmann des Biomasseverbands, Landesrat Daniel Zadra und Paul Rusching (AK): Gemeinsam haben sie den neuen Index geschaffen, um mehr Transparenz zu erwirken. © Alexandra Serra, VLK
16. November 2023
Konsum

Mithilfe der AK: Biomasseindex als neues Instrument, falls Preise durch die Decke schießen 

Bauen & Wohnen,Energie,Teuerung,Vorarlberg

Künftig soll in Vorarlberg ein Biomasse-Nahwärmeindex (BMNWI) für Transparenz sorgen, vor allem in der Preisgestaltung. Die AK war am Prozess beteiligt. Mag. Paul Rusching wird in der neuen Indexkommission ein wachsames Auge darauf haben.

Vorarlberg will raus aus dem Verbrauch fossiler Energieträger. Bis 2050 soll der regionale Energiebedarf vollständig mit erneuerbarer Energie gedeckt werden. Das schließt den weitgehenden Verzicht auf Heizöl und fossiles Gas in Gebäuden mit ein. Die 140 Biomasseheizwerke im Land tragen ihren Teil dazu bei. Doch sorgten die Preise für Kritik. Künftig soll nun ein Biomasse-Nahwärmeindex (BMNWI) für Transparenz sorgen, vor allem in der Preisgestaltung. Die AK war am Prozess beteiligt. Mag. Paul Rusching wird in der neuen Indexkommission ein wachsames Auge darauf haben.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz stellten Energie-Landesrat Daniel Zadra, der Obmann des Biomasseverbands, Tobias Ilg, und Paul Rusching (Arbeiterkammer Vorarlberg), den neu geschaffenen Nahwärmeindex vor. Der Index nahm in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe über Monate hinweg Gestalt an und gibt den Betreibern der Fernwärme-Heizwerke nun vernünftige Richtwerte zur Preisbildung an die Hand.

In diesem Beitrag

Abseits von den Berg- und Talfahrten der Preisgestaltung ist Dekarbonisierung das große Thema, sprich: Raus aus der Ausbeutung nicht erneuerbarer Energieträger! Schließlich strebt das Land bis 2050 Energieautonomie an. Gemeint sind vor allem Öl und Gas. Und ausgerechnet diese beiden fossilen Brennstoffe haben in der Preisgestaltung der Nahwärme aus Biomasse bislang eine erhebliche Rolle gespielt.  

Wie wird denn bislang verrechnet?

In Vorarlberg laufen derzeit 140 Biomasseheizwerke. Sie schließen mit ihren Kunden einen Wärmelieferungsvertrag ab. In den allermeisten Fällen werden pro Betreiber einheitliche Standardverträge verwendet, die Vereinbarung kann aber auch ganz individuell gestaltet werden. "Bislang lässt die Branche mit Ausnahme von Gas und Strom jeden Regulierungsrahmen vermissen", beklagt Rusching. Die bestehenden Verträge in Vorarlberg setzen sich in der Regel meist aus diesen Komponenten zusammen:


Anschlussgebühr: Grundpreis + Leistungskomponente für den Netzzutritt (einmalig)
Wärmepreis (Verbrauch): Arbeitspreis je bezogener MWh zzgl. Messpreis (laufend)

Grundpreis je kW: Preis für die zur Verfügung Stellung von Leistung (laufend)

Praktisch alle Heizwerke verrechnen einmalige Anschlussgebühren. Für den laufenden Betrieb stellen die meisten Heizwerke derzeit nur einen Wärmepreis (= Arbeitspreis + Messpreis) in Rechnung. Anlagen, die eine Aufteilung in Grundpreis und Arbeitspreis vornehmen, nehmen jedoch zu. Die Aufteilung in Grundpreis und Arbeitspreis bietet eine höhere Stabilität gegenüber Preis- und Energieverbrauchsschwankungen. Praktisch alle Heizwerke in Vorarlberg verfügen über eine vertraglich festgelegte Indexierung für den Wärmepreis und (falls vorhanden) den Grundpreis. Die beiden derzeit häufigsten Modelle sind:

Modell 1


Je 1/3 Lebenshaltungskostenindex, 1/3 Ölpreisentwicklung 
und 1/3 Konstant

Modell 2
Je 1/3 Lebenshaltungskostenindex, 1/3 Ölpreisentwicklung
(teilweise Gaspreisentwicklung), 1/3 Energieholzindex 
140 Biomasseheizwerke lieferten 2020 in Vorarlberg mehr als 316 GWh Wärmeenergie Der neue Nahwärme-Biomasseindex soll für transparente Preise sorgen.
140 Biomasseheizwerke lieferten 2020 in Vorarlberg mehr als 316 GWh Wärmeenergie Der neue Nahwärme-Biomasseindex soll für transparente Preise sorgen. © Ilg, Biomassehof Ilg

Ein Drittel Öl?

Ein Drittel Heizöl? Bei den Entwicklungen auf dem Weltmarkt? Von der ökologischen Komponente ganz zu schweigen. Tatsächlich werden die Preise bislang auf der Basis von Indices gebildet, die weder die Heizwerkbetreiber noch die Wärmekunden beeinflussen konnten und sie zum Spielball der internationalen Ölspekulanten machten. Sie entsprechen weder den tatsächlichen Kosten im Heizwerk noch den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes, betont Paul Rusching (AK). Der gemeinsam mit der AK geschaffene neue Index ist wertneutral und drängt das Öl auf ein Minimum zurück. Er setzt sich so zusammen:

Vorarlberger Nahwärmeindex neu
 Arbeitspreis

Grundpreis

50 Prozent Verbraucherpreisindex

50 Prozent Baupreisindex

72 Prozent Energieholzindex
19 Prozent Tariflohnindex
5 Prozent Verbraucherpreisindex
4 Prozent Öl

Neuer Index ist freiwillig

Die Heizwerk-Betreiber sind nicht gezwungen, den neuen Index anzuwenden, er basiert auf Freiwilligkeit. Verbandsobmann Tobias Ilg schätzt, "dass etwa die Hälfte umsteigen werden". Neue Verträge werden sich nur noch am neuen Index orientieren.

Bereits bestehende Verträge müssen Kund:innen und Betreiberfirmen rechtskonform anpassen, betont Rusching und macht darauf aufmerksam, dass es mitunter noch ganz andere Ungereimtheiten auszuräumen gilt als den hohen Ölanteil. Werden die bestehenden Verträge nicht rechtskonform übeschrieben und erleiden Konsument:innen dadurch entscheidende Nachteile, etwa weil der Ölpreis wieder durch die Decke schießt, dann wird der Konsumentenschutz der AK Vorarlberg deren Rechte wahren, sagt Rusching: "Notfalls ziehen wir auch vor Gericht!"

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Kommission wacht über die Preisgestaltung

Mag. Paul Rusching, Arbeiterkammer Vorarlberg
Mag. Paul Rusching © Jürgen Gorbach, AK

Rusching gehört neben dem Landesrat für Energie, Vertretern des Fachbereichs Energie und Klimaschutz, der Landesstelle für Statistik, dem Biomasseverband und der Landwirtschaftskammer jener Indexkommission an, die über die Einhaltung der neuen Spielregeln wachen wird. Ihre Aufgaben sind:

  • Die Beobachtung der Preisentwicklung aller für die Wärmeversorgung relevanten Energieträger inklusive der erforderlichen Investitionskosten mit Fokus auf Nah- bzw. Fernwärme
  • Das Aufzeigen von Problemen im Verhältnis Anbieter/Kunde und erarbeiten von Lösungsvorschläge

Alle fünf Jahre soll das Kostenmodell evaluiert werden. Dass das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) alle Heizwerkbetreiber dazu zwingt ab 2024 ihre tatsächlichen Kosten offenzulegen, spielt dem neuen Vorarlberger Index in die Hände. "Es ist dies ein nächster Schritt zu mehr Transparenz", darin sind sich alle Beteiligten einig.  

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