04.07.2023
Konsum
Freier Mietzins: Der Willkür ausgesetzt
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Der freie Mietzins trifft die meisten: Immerhin 22,1 Prozent aller rund 175.000 Haushalte in Vorarlberg werden durch das Mietrechtsgesetz überhaupt nicht geschützt. Das hat zum Teil heftige Auswirkungen. Denn die Höhe des Mietzinses ist bei Wohnungen, für die das Mietrechtsgesetz (MRG) gar nicht oder nur teilweise gilt, frei vereinbar.
In diesem Beitrag
Wo das Mietrechtsgesetz zahnlos bleibt
Im Grunde sollte ein Mietrechtsgesetz die Rechte und Pflichten aller Vermieter:innen und Mieter:innen regeln. Doch das geltende MRG und damit die Mietzinsbestimmungen gelten derzeit nicht für:
- Wohnungen in Ein- und Zweiobjekthäusern, wobei Räume, die durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht mitzuzählen sind,
- Dienstwohnungen,
- Zweitwohnungen, wenn auf maximal sechs Monate befristet vermietet wird,
- Ferienwohnungen,
- Mietverhältnisse in Beherbergungsunternehmen wie Hotel oder Pension,
- Senioren-, Schüler- und Studentenheime sowie sonstige Heime und
- Wohnräume, die von karitativen oder humanitären Organisationen im Rahmen sozialpädagogisch betreuten Wohnens vermietet werden.
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Die Mietzinsbestimmungen des MRG gelten auch nicht für:
- Mietwohnungen in Mehrfamilienhäusern, die mit Baubewilligung nach dem 30. 6. 1953 und ohne öffentliche Fördermittel errichtet wurden,
- vermietete Eigentumswohnungen in Wohnanlagen, die mit Baubewilligung nach dem 8. 5. 1945 errichtet wurden,
- Mietgegenstände, die durch den Ausbau eines Dachbodens oder einen Aufbau mit Baubewilligung nach 31. 12. 2001 neu errichtet wurden,
- nicht ausgebaute Dachbodenräumlichkeiten, die nach dem 31. 12. 2001 mit der Abrede vermietet wurden, dass darin – zum Teil oder zur Gänze – durch die Mietpartei eine Wohnung oder Geschäftsräumlichkeit errichtet wird und
- Mietgegenstände, die durch einen Zubau mit Baubewilligung nach dem 30. 9. 2006 neu geschaffen wurden.
Der weitaus größte Anteil der Vorarlberger Mieter:innen, die auf den freien Mietwohnungsmarkt angewiesen sind – das sind immerhin 22,1 Prozent aller Haushalte – können somit auf gar keinen mietrechtlichen Preisschutz zurückgreifen.
Vom Gebhardsberg aus gesehen wirkt das Vorarlberger Rheintal total zersiedelt, als reihten sich das lauter kleine Eigenheime aneinander. Aber der Eindruck täuscht: Wir sind längst ein Volk der Mieter geworden. © Thomas Matt, AK Vorarlberg
Überwiegend befristete Verträge
2022 waren in Vorarlberg laut Statistik Austria 73,4 Prozent der bestehenden Verträge befristet abgeschlossen. Die durchschnittliche Befristungsdauer betrug 4,9 Jahre. In Wien waren es nur 18,1 Prozent.
In den Jahren 2020 bis 2021 wurden Verträge in Vorarlberg oftmals nur dann verlängert, wenn eine Mieterhöhung über dem Verbraucherpreisindex (VPI) für die Verlängerung von den Mietinteressenten akzeptiert wurde, zumal die Inflationsrate bis Mitte 2021 vergleichsweise gering war. So betrug die Inflation des Zeitraums Mai 2019 bis Mai 2021 nur 3,6 Prozent. Also 3,6 Prozent in zwei Jahren!
Die Mietverträge werden in der Regel nur befristet, zumeist auf drei Jahre abgeschlossen und der Mietzins wird schon während des Mietverhältnisses grundsätzlich wertgesichert vereinbart und an die Inflation angepasst. Maßgeblich ist zumeist der von der Statistik Austria erhobene Verbraucherpreisindex (VPI). Der Verbraucherpreisindex ist ein Maßstab für die allgemeine Preisentwicklung bzw. für die Inflation in Österreich. Er dient auch als Datenbasis für Lohnverhandlungen.
Vorarlberg am teuersten
Von Mai 2021 bis Mai 2023 ist der VPI um 17,4 Prozent angestiegen. Viele Vermieter:innen haben die Miete im gleichen Ausmaß an die Rekordinflation angepasst. Mittlerweile sind die Mieten (ohne Betriebskosten) in Vorarlberg laut Statistik Austria gleichauf mit Salzburg die höchsten im Bundesländervergleich.
Auf dem freien Mietwohnungsmarkt in Vorarlberg ist es daher immer schwerer, langfristige Mietverhältnisse zu erschwinglichen Preisen einzugehen, da auch der Anteil der Genossenschafts- und Gemeindewohnungen am Mietwohnungsmarkt mit 37 Prozent im Bundesländervergleich der niedrigste ist. Im Österreichdurchschnitt liegt der Anteil bei 56 Prozent und trägt so zu einer Preisdämpfung und Entspannung auf dem Mietwohnungssektor bei. In Vorarlberg gibt es dagegen zu wenige erschwingliche Mietwohnungen für die Bevölkerung! Mit ein Grund für die Forderung der AK Vorarlberg nach einem zehnjährigen Sonderprogramm für gemeinnützige Wohnbauträger: Sie sollen jährlich 1000 Wohnungen errichten, fordert AK Präsident Bernhard Heinzle.
Im Vollanwendungsbereich des MRG ist die Vorgehensweise bei der indexbedingten Mietanpassung reglementiert. So ist eine rückwirkende Mieterhöhung nicht erlaubt, die Anpassung erfolgt frühestens nach Überschreiten eines Schwellenwerts von fünf Prozent der Änderungsrate oder beim Richtwertmietzins nur alle zwei Jahre
Bis hin zu hohen Nachforderungen
Beim frei vereinbaren Mietzins gibt es diese Reglementierungen nicht. Vielfach ist in den Mietverträgen nur ein zweiprozentiger Schwellenwert vereinbart, auch eine auf drei Jahre rückwirkende Geltendmachung ist im Regelfall erlaubt, sodass sich hohe Nachforderungen ergeben können.
Die Mieter:innen in Vorarlberg sind der Mietpreisspirale ungeschützt ausgesetzt. Die indexbedingten Mietsteigerungen befeuern ihrerseits wieder die Inflation, da der Verbraucherpreisindex auch die Miet- und Wohnkosten berücksichtigt.
Pressekonferenz der AK im Februar 2023. Die große Wohnumfrage der AK lässt keinen Zweifel: Der Kosten-Hammer schlägt vor allem für Geringverdienende und Mieter:innen von privaten Wohnungen erbarmungslos zu. © Dietmar Stiplovsek
Das fordert die AK in Sachen Miete
Deshalb rückt die AK Vorarlberg von ihrer Forderung nach einer Mietpreisbremse nicht ab, auf die sich die Bundesregierung partout nicht einigen will. Im Einzelnen fordert die AK:
- Für sämtliche Wohnungsmietverhältnisse ist in Zeiten hoher Inflation eine einheitliche Regelung zur Wertanpassung des Hauptmietzinses einzuführen. Die Mieten sollen nicht öfter als einmal jährlich erhöht werden dürfen, die Erhöhung soll mit zwei Prozent gedeckelt sein. Das soll so lange gelten, bis es zu einer großen Mietrechtsreform kommt, die längst überfällig ist.
- Die letzte Mietanpassung vor Einführung dieser Regelung muss mindestens ein Jahr zurückliegen und eine rückwirkende Mieterhöhung wird gesetzlich für alle Wohnungsmietverhältnisse ausgeschlossen. Die Anpassung ist vom Vermieter 14 Tage vor dem Inkrafttreten dem Mieter schriftlich mitzuteilen.
- Die Befristungsmöglichkeit für gewerbliche Vermieter sollte abgeschafft werden.
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