5.8.2025
Bildung
Johannes Huber: "So wichtig sind die ersten Streicheleinheiten bei Babies"
Begegnung,Bildung,Gesellschaft,Kultur,Wissen,Wissen fürs Leben
Vieles ist im Menschen genetisch grundgelegt. Aber er kann diese Anlagen beeinflussen. Sein Schicksal hat der Mensch durchaus mit in der Hand, sagt der berühmte Mediziner, Theologe und Autor DDr. Johannes Huber bei den Salzburger Disputationes.
Prof. DDr. Johannes Huber (79) hat sich "die Anatomie des Schicksals" zum Thema erwählt. Er geht mit „den Augen des Gynäkologen und Biologen“ auf die Suche nach dem „Fatum“, dem "von den Göttern gesprochenen Schicksal“.
Die Salzburger Disputationes werden jedes Jahr mit viel Gespür von der gebürtigen Feldkircherin Dr. Claudia Schmidt-Hahn in Szene gesetzt. Frauen und Männer aus Wissenschaft und Kultur haben sich im Rahmen der Salzburger Festspiele 2025 dem Schicksal gewidmet.
Johannes Huber hat zeitgleich Theologie und Medizin studiert. Der langjährige Sekretär von Kadrdinal Franz König hat sich als Mediziner mit künstlicher Befruchtung, Pränataldiagnostik und Endokrinologie auseinandergesetzt.
Der Menschen erscheint ihm wie der geworfene Stein im Beispiel des französischen Mathematikers, Physikers und Literaten Blaise Pasqal (1623 bis 1662): Der Stein denkt eine Zeit lang, dass er von selber fliege. Aber er ist doch nur geworfen worden. "Auch wir sind Geworfene", ist Huber überzeugt, und wie viel uns mitgegeben wurde, zeigt die Wissenschaft.
In diesem Blog:
- Hard- und Software
- Drei epigenetische Fenster
- Was ist aus den Kindern geworden?
- Zur Person Johannes Huber
An einem Junitag im Jahr 2000 verkündeten Wissenschaftler in den USA die Dechiffrierung des genetischen Codes. Das internationale Projekt legte seinen ersten Arbeitsentwurf von der "Blaupause des Menschen" der Öffentlichkeit vor. Auf die Frage. "Werden wir das Leben kontrollieren?" antwortete James Watson, Nobelpreisträger und Gründer des Humangenom- Projekts. "Ich glaube schon ... wir alle wissen, wie unvollkommen wir sind. Warum sollten wir uns nicht ein wenig vollkommener machen?" Nun, in den Augen Hubers war das zwar ein wenig viel versprochen, aber er bringt zwei Beispiele:
- Da wäre das BRCA1-Gen, das eine wichtige Rolle bei der Reparatur von DNA-Schäden spielt. Gewisse Mutationen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Brustkrebs zu erkranken stark.
- Oder das FTO-Gen: Wer es in sich trägt, „hat mit hoher Wahrscheinlichkeit sein ganzes Leben lang Schwierigkeiten, das Gewicht zu halten“.
Aber es gibt natürlich viele FDO-Träger, die schlank bleiben, und längst nicht jede Trägerin des BRCA1-Gens erkrankt an Krebs.
In der Reihe "Wissen fürs Leben" lädt die AK namhafte ReferentInnen aus Philosophie, Psychologie, Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu Vorträgen nach Feldkirch ein, die auf unserem Youtube-Kanal erhalten bleiben.
Hard- und Software
Das Genom vergleicht Huber mit der Hardware. Sie wird von zwei Softwareprogrammen modifiziert. Wie, das können wir durch unser Leben beeinflussen. Das eine Softwareprogramm ist die elektrische Ladung der Basen, die sich bei Freude oder Leid verändern. Als zweites Softwareprogramm nennt Huber die Micro-RNA: Moleküle, die in der Lage sind, etwa durch Sport aktiviert, unser Genom zu modifizieren.
Das heißt: Es gibt einen Bauplan des Menschen mit hochkomplexen Anlagen. Aber der Mensch kann die Saiten in gewisser Hinsicht zum Klingen bringen. Eltern, die wollen, dass ihr Kind einmal schlank bleibt, rät die Wissenschaft nicht ohne Grund, den Nachwuchs bei kühlen Temperaturen zu zeugen. „Die Temperatur bei der Zeugung hat Einfluss – ein Leben lang.“ Wenn Väter Sport treiben, lösen sich dadurch kleine RNA-Stücke und wandern auch ins Sperma. Wenn Eltern depressiv sind, wird auch das übertragen. Huber: „Das Feuilleton hat völlig zurecht die Väter aufgefordert: Lebt gesund! Denn schon vor unserer Zeugung wird das Leben, das da entsteht, eingefärbt.“
Drei epigenetische Fenster:
Johannes Huber beschreibt drei epigenetische Fenster die für das Werden eines Menschen entscheidend sind:
Das erste epigenetische Fenster ist die Schwangerschaft. „Sprechen Sie jeden Tag mit Ihrem ungeborenen Kind!“ Denn das Kind antizipiert die Stimme der Eltern. „Spielen Sie ihm viel vor!“ Das Kind kann Musik ab der 30. Woche hören. „Das ist auch der Grund, warum es musikalische Kinder gibt.“ Das erste Sinnesorgan, das der Mensch ausprägt, ist der Berührungsreiz. „Schon im Mutterleib beginnt das Kind die Mutter zu streicheln.“ Auch die Mutter streichelt ihren Bauch und damit das ungeborene Kind. „Diese Berührungen begleiten uns ein Leben lang.“
Das zweite epigenetische Fenster umfasst die ersten 1000 Tage nach der Geburt: „Das Kind sehnt sich wieder nach der Gebärmutter zurück. Deshalb müssen Sie ihr Kind so oft wie möglich abschmusen und streicheln.“ Also das imitieren, was neun Monate in der Gebärmutter der Fall war. Sonst erlebt der Menschen jeden Stress später mit einem Schallverstärker. „Materiell geht es der Jugend heute so gut wie nie“, sagt Huber. „Trotzdem nehmen die depressiven Verstimmungen unglaublich zu. Das mag auch daran liegen, dass diese taktilen Reize fehlen. „Die Eltern kann niemand ersetzen.“
Was ist aus den Kindern geworden?
Das dritte epigenetische Fenster ist die Pubertät. „Hier wird der Ablehnungs- und Zustimmungsmechanismus geboren. Auch hier spielt das Umfeld eine große Rolle. Langzeitstudien wie die Life-Studie haben nach 30 Jahren gezeigt: Kinder aus konservativen Haushalten wählten konservativ, „grüne Eltern hatten grüne Kinder“, gingen die Eltern gern ins Theater oder ins Konzert, waren auch die Kinder kulturaffin, Kinder von Langzeitarbeitslosen wurden selber langzeitarbeitslos, Gewalt überträgt sich, usw.
So viel zu Verantwortung und Einfluss auf ein Menschenleben. Und was oder wie viel ist nun grundgelegt? Huber beruft sich auf den österreichischen Physiker und Nobelpreisträger Anton Zeilinger, der erklärt hat, man könnte den ersten Satz des Johannesevangeliums „Am Anfang war das Wort“ auch übersetzen mit „Am Anfang war die Information“. Huber ist überzeugt: "In der Geburtssekunde des Universums war die Information für alles, was nachher entstanden ist, schon vorhanden – aus ihr heraus hat sich das Leben und damit auch unsere Existenz entwickelt." Information, die dem Erhaltungssatz der Energie folgend auch mit dem Tod nicht verloren geht: "Warum soll diese Information mit unserem Tod verschwinden? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sie, in einer veränderten Form, dauerhaft bleibt?"
„Hirnfit“ ist in der Edition a erschienen. © Verlag, edition a
Zur Person Johannes Huber
Prof. DDr. Johannes Huber (79) ist Mediziner und Theologe. Er war von 1992 bis 2011 Professor und Leiter der klinischen Abteilung für Endokrinologie und Reproduktionsmedizin an der Universität Wien bzw. (ab 2004) der Medizinischen Universität Wien. Von 1973 bis 1983 war er einer von zwei persönlichen Sekretären von Kardinal Franz König. Er ist in Wien als Arzt tätig, seine Vorträge und Bücher machten ihn im gesamten deutschsprachigen Raum bekannt. Auswahl an Publikationen: Woher wir kommen. Wohin wir gehen. (2021); Die Anatomie des Schicksals (2022); zuletzt erschienen: gemeinsam mit Elisabeth Gürtler, Hirnfit bis 100. Der 14-Punkte-Plan (2025)
Huber und Gürtler, Betreiberin eines Hotels mit Better Aging Academy, sind Mitte siebzig und stehen voll im Leben. In diesem Buch erzählen sie medizinisch gut begründet, wie sie das machen, warum freudvolles Hirntraining besser wirkt und für welches Mittagessen Ihr Gehirn ganz sicher danke sagt.
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