Die Arbeit zeigt viele Gesichter. Sie bedeutet so viel mehr als nur Gelderwerb. Sabine Benzer hat die aktuelle Debatte um Sinn, Ausmaß und Stellenwert der Arbeit mit einem beeindruckenden Buch bereichert.
Die Kulturvermittlerin und Pädagogin Sabine Benzer ist um mannigfaltige Erfahrungen mit Arbeit nicht verlegen. Sie prägt seit Jahren die Kulturlandschaft Vorarlbergs: Als Geschäftsführerin des Theaters am Saumarkt, als Kulturvermittlerin an der Pädagogischen Hochschule, als Publizistin und nicht zuletzt als pointierte Stimme im gesellschaftspolitischen Diskurs. Zum runden Geburtstag des Feldkircher Theaters, das Anfang der 1970er Jahren aus einem Handwerksbetrieb erwuchs, erfüllte sich Sabine Benzer einen Herzenswunsch: Sie interviewte Denker:innen wie Lisa Herzog, Sabine Kock, Stefanie Gerold, Konrad Paul Liessmann, Michael Hirsch, Andreas Oberprantacher und andere zur Frage, was gute Arbeit ausmacht.
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Die Frage drängt. Denn Arbeit verändert sich. Alte Sicherheiten lösen sich auf. Noch weiß niemand zu sagen, wie heftig künstliche Intelligenz die bestehenden Verhältnisse erschüttern wird. All die vermeintlich allwissenden Helfer wie ChatGPT und Copilot entfalten ihre Wirkmacht leise. Werden sie Kreative entlasten? Oder zahllose Jobs vernichten?
Es könnte ja auch Gutes dabei herauskommen. Sabine Benzer erinnert an den österreichisch-US-amerikanischen Sozialphilosophen Frithjof Bergmann, der schon in den 1970er Jahren in seinem Konzept der New Work mahnte: „Nicht wir sollten der Arbeit dienen, sondern die Arbeit sollte uns dienen. Die Arbeit, die wir leisten, sollte nicht all unsere Kräfte aufzehren und uns erschöpfen. Sie sollte uns stattdessen mehr Kraft und Energie verleihen…“ Hat sich diese Zielvorstellung erfüllt? Oder arbeiten wir in die andere Richtung?
Wissen fürs Leben
In der Reihe "Wissen fürs Leben" lädt die AK namhafte ReferentInnen aus Philosophie, Psychologie, Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften zu Vorträgen nach Feldkirch ein, die auf unserem Youtube-Kanal erhalten bleiben.
Sabine Benzer hat die unterschiedlichsten Standpunkte erfragt. Die deutsche Philosophin Lisa Herzog erhielt für ihren Aufruf zur „Rettung der Arbeit“ 2019 den Tractatus-Preis und war 2023 in der AK Reihe „Wissen fürs Leben“ online zu Gast. Sie kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es eines Tages "überhaupt nichts mehr gibt, was mit dem vergleichbar wäre, was wir heute Arbeit nennen". Nachsatz: "Wir sind nun einmal soziale Wesen, die gemeinsam arbeiten und leben". Wenn der wirtschaftswissenschaftliceh Diskurs Arbeit lediglich als Kostenfaktor wertet, ist das in Herzogs Augen problematisch. Menschen suchen Sinn ihrer Tätigkeit. Teilhabe am Arbeitsleben ist nicht zuletzt gesellschaftliche Teilhabe.
Was ist gute Arbeit? Lisa Herzog spricht von "Jobs, in denen die Einzelnen sich in einem gewissen Maß selbst verwirklichen, aber auch einen sinnvollen Beitrag zum Gemeinwohl leisten können". Das trifft auf Kulturarbeit genauso zu wie auf die soziale Tätigkeiten, etwa in der Pflege. Beiden Bereichen ist freilich auch gemein, dass viele Menschen dort intrinsisch motiviert und deshalb leicht ausbeutbar sind. Lisa Herzog redet im Übrigen der Demokratisierung der Arbeit das Wort, und zwa rin radikaler Weise. Zur Kulturarbeit meint sie: "Wir müssen demokratisch beschließen, welche Kulturarbeit wir wollen" und meint damit auch die ökonomischen, sozialen und politischen Bedingungen, unter denen Kulturarbeit passieren soll.
Wie die Arbeit gerecht verteilen?
Die Verteilung der Arbeit ist eines der Kernthemen der aktuellen Diskussion. Wie oft existiert die klassische patriarchale Arbeitsteilung noch immert? Stefanie Gerold hat u. a. über das Thema an der Wirtschaftsuniversität Wien dissertiert. Sie beklagt, "dass gerade gesellschaftliche notwendige Tätigkeiten entwertet oder oft unterbezahlt erbracht werden". Die Engführung des Arbeitsbegriffs auf Erwerbsarbeit muss enden und Carearbeit oder zivilgesellschaftliches Engagement gleichberechtigt als Arbeit gewürdigt werden. Die Debatte über die Arbeitszeitverkürzung – Stichwort 4-Tage-Woche – begrüßt sie, weil sie uns hilft, "selbstbestimmter über unser Leben zur verfügen". Nicht ein Recht auf Arbeit, sondern ein Recht auf Faulheit fordert sie und erinnert damit augenzwinkernd an den Schwiegersohn von Karl Marx, Paul Lafargue, der das gleichnamige Buch 1880 vorgelegt hat.
Arbeit in der Klimakrise
Der Arbeit in der der Klimakrise widmet sich u. a. der Innsbrucker Philosoph Andreas Oberprantacher, der am 1. Februar 2024 in der AK-Reihe "Wissen fürs Leben" zu Gast war. Im Interview mit Sabine Benzer für ihr Buch über die "(Kultur)arbeit der Zukunft" kritisiert er, dass "unsere Arbeitsgesellschaft in erster Linie darauf ausgerichtet
ist, etwas zu erzeugen, das wieder vergeht". Er zitiert dabei den österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter, der bereits in den 1920er Jahren von einer schöpferischen Zerstörung gesprochen hat. Oberprantacher spricht in diesem Zusammenhang dezidiert von "schlechter Arbeit, weil diese Arbeit Dinge erzeugt, die dann unmittelbar als Müll unsere Umwelt belasten".
Auf der Suche nach der guten Arbeit landet auch Oberprantacher bei "einer gewissen Demokratisierung des Arbeitsverhaltens". Weiters sollte es darum gehen weniger Privates zu schaffen sondern Gemeingüter herzustellen, die allen zugute kommen, "an denen wir alle teilhaben können". Auf die Kulturarbeit umegmünzt bedeutet das, sich einen Probenraum zu teilen oder eine Musikanlange auszuleihen. So entstehen "Orte, die nicht in erster Linie von Konsum definiert sind, sondern langlebige Beziehungen zu Dingen und Menschen pflegen".
Für ihr Buch hat Sabine Benzer u. a. auch mit der Politikwissenschaftlerin Barbara Prainsack und Konrad Paul Liessmann gesprochen. Sie kam auf katastrophale Beschäftigungsverhältnisse zu reden, die im Vertragsfreien Raum den arbeitenden Menschen zum Spielball machen. Und sie stieß auf so berückende Bekenntnisse wie das von Tobias Fend. Der gebürtige Götzner lebt als Schauspieler, Bühnenautor udn Theaterproduzent in Hittisaud und sagt klipp und klar: "Kulturarbeit ist viel schöner und besser als Fernsehen und Schokolade zusammen!"
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