Beim Thema Karenz ändert sich im November einige Dinge.
© Vlada Karpovich, Pexels
08.03.2023
Soziales

Was muss sich in Vorarlberg ändern, damit bei der Gleichstellung etwas weiter geht?

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Frauen und Männer sind in Österreich gleichgestellt. Rechtlich, auf dem Papier. Die Realität sieht anders aus – auch in Vorarlberg. 

Vorarlberg, das ist doch dieses Land der Ideen, der Innovation, des Fortschritts. Das stimmt schon, wenn man es technisch betrachtet. Gesellschaftlich sind wir bei weitem nicht so fortschrittlich, wie wir uns selbst vielleicht gerne sehen. Besonders bitter: Corona hat diese Situation sogar noch verschärft. 

Wir haben uns die Zahlen des letzten Gleichstellungsberichts angesehen (2021). Wo muss Vorarlberg aufholen, damit Gleichstellung auch Wirklichkeit wird?

Quicklinks:


Frauen und Berufsleben

Die Hälfte der Bevölkerung in Vorarlberg sind Frauen. Ziemlich exakt: Im Jahr 2022 leben hier 203.000 Frauen und 201.000 Männer. Auch die Hälfte der Erwerbstätigen sind Frauen. Das war es dann aber auch mit der Gleichstellung.

Der Anteil an Frauen an den Vollzeitbeschäftigten beträgt in Vorarlberg nur knapp über 30 Prozent. Seit dem Jahr 2006 ist dieser Anteil de facto unverändert. Gegenüber den Jahren 2019/2020 ist der Anteil sogar leicht zurückgegangen. Bei den Teilzeitbeschäftigten sind hingegen 82,6 Prozent Frauen.

2019 arbeiten in Vorarlberg 46.000 Frauen in Vollzeit und 48.100 in Teilzeit, von den Männern sind 109.600 Vollzeitbeschäftigte und 9.600 Teilzeitbeschäftigte.

Die Teilzeitquote der Frauen liegt bei 51,1 Prozent – deutlich über dem österreichischen Schnitt von 47,7 Prozent. Die Teilzeitquote der Männer liegt mit 8,8 Prozent deutlich darunter (Österreich 10,7 Prozent).

Was macht es für Frauen schwer, ganztägig berufstätig zu sein? Die unbezahlte Hausarbeit, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen, die in Vorarlberg vor allem Frauen leisten.


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Frauen und Einkommen

Im Jahr 2019 erzielten die Arbeitnehmerinnen in Vorarlberg ein durchschnittliches Bruttojahreseinkommen von 21.719 Euro. Die unselbständig erwerbstätigen Männer verdienten 41.367 Euro (Median) – fast das Doppelte.

Die Vorarlbergerinnen erzielen bei den unselbständig Beschäftigten durchschnittlich das geringste Jahreseinkommen in Österreich, die Vorarlberger hingegen das höchste. 25 Prozent der unselbständig beschäftigten Frauen verdienten im Jahr 2019 in Vorarlberg weniger als 9.646 Euro brutto.

Von einer Verbesserung der Situation kann keine Rede sein. Das Verdienstgefälle zwischen Männern und Frauen verringerte sich in den vergangenen 15 Jahren nur um 4,4 Prozent.

Wer glaubt, das liege an Faktoren wie Beschäftigungsgrad, Branche, Beruf, Ausbildung und Alter, irrt sich. Das Verdienstgefälle betrug 2019 in Vorarlberg selbst bei den ganzjährig Vollzeitbeschäftigten 23,3 Prozent – auch hier ist Vorarlberg im Bundesländervergleich das Schlusslicht. 

Eine Studie der Statistik Austria (2017) hat gezeigt, dass die strukturellen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt zwar eine wesentliche Einflussgröße für die Einkommensunterschiede darstellen, diese jedoch nicht ausreichend erklären. Der überwiegende Teil (13,6 Prozent) des Gender Pay Gap (22,2 Prozent) bleibt ungeklärt (2014).


Petition unterzeichnen!

Beruf und Familie sind in Vorarlberg noch immer nicht vereinbar. Das trifft alle, und schadet allen: Frauen, Männern, Eltern, Kindern, Familien und Firmen. Eine Initiative fordert nun ein Bürger:innenrat zur Care-Arbeit!

Frauen und Kinderbetreuung

Kinderbetreuung ist in Vorarlberg reine „Frauensache“. 96,7 Prozent der Menschen in Elternkarenz sind Frauen. Das heißt: Innerfamiliäre Partnerschaft existiert bei der Kinderbetreuung praktisch nicht. 86,8 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Kinderbetreuungsgeld wird zu 97,8 Prozent von Frauen bezogen (2021).

Daraus ergibt sich: Beruf und Familie zu vereinbaren, ist fast ausschließlich für Frauen ein Problem. Frauen müssen beruflich zurückstecken, haben in der Folge (viel) geringere berufliche Aufstiegschancen und ein (viel) geringeres Einkommen und in Folge auch eine geringe Pension. Schon mit einem Kind liegt die Vollzeiterwerbstätigkeit von Frauen unter 20 Prozent, die Teilzeitquote hingegen bei über 80 Prozent.

Dass sich Männer nicht um Kinder kümmern, zeigt sich auch in den Institutionen: In den Kinderbildungseinrichtungen arbeiten in Vorarlberg 3.283 Frauen und nur 58 Männer, der Frauenanteil beträgt hier 98,3 Prozent (2021).



Frauen und Bildung

Bildung hat auf die Erwerbstätigkeit massiven Einfluss. Mit höherer Schulbildung steigt die Erwerbstätigkeit und auch der Frauenanteil steigt. Im Jahr 2019 waren nur 47,5 Prozent der Frauen mit Pflichtschulabschluss erwerbstätig (Männer 63,6 Prozent), bei den Frauen mit einem AHS- und BHS-Abschluss waren es 78,8 Prozent (Männer 84 Prozent) und bei den Frauen mit Hochschulabschluss 87,6 Prozent (Männer 95,2 Prozent).

Problematisch ist in diesem Zusammenhang folgende Zahl: Vorarlberg weist in Österreich den größten Bevölkerungsanteil auf, der nur über einen Pflichtschulabschluss verfügt (Vorarlberg 21,2 Prozent, Österreich 18 Prozent). Auch hier sind Frauen besonders betroffen: 34 Prozent der Frauen über 15 Jahre haben nur einen Pflichtschulabschluss als höchste abgeschlossene Ausbildung (Männer rund 26 Prozent).

Frauen und Karriere

Die Folgen der Ungleichheit am Vorarlberger Arbeitsmarkt zeigen sich auch ganz oben auf der Karriereleiter. Von 12.800 Führungskräften sind gerade einmal 3.000 Frauen. 

Der Frauenanteil in Vorarlberger Aufsichtsräten beläuft sich auf 16,4 Prozent (123 Frauen, 626 Männer), im Bundesländer-Ranking rangiert Vorarlberg damit an siebter Stelle vor Niederösterreich und Kärnten. In Österreich beträgt der Frauenanteil in Aufsichtsräten in allen Unternehmen 19 Prozent (2019). 

In der Geschäftsführung auf Berechtigungsebene lag der Frauenanteil in Vorarlberg im Jahr 2019 bei 13,1 Prozent, der österreichische Wert betrug 15,9 Prozent. Im Bundesländervergleich liegt Vorarlberg mit Oberösterreich an letzter Stelle. Unter den handelsrechtlichen Geschäftsführenden befinden sich 11,2 Prozent Frauen. Auch hier liegt Vorarlberg als Bundesland an letzter Stelle, der Österreich-Durchschnitt beträgt 14,4 Prozent.

Frauen und Pension

Alle oben erwähnten Faktoren führen für Frauen zu einem weiteren Problem im späteren Leben: Das Alterssicherungssystem in Österreich ist erwerbszentriert. Es baut auf kontinuierlichen Erwerbsverläufen und existenzsichernden Erwerbseinkommen auf. 

Frauen stehen aufgrund der geringeren Erwerbseinkommen und fehlenden Erwerbsjahre vor einer Pensionslücke. Die Vorarlbergerinnen sind davon in Österreich am schlimmsten betroffen. Das Medianeinkommen der Vorarlberger Pensionistinnen ist österreichweit das kleinste und liegt bei 14.680 Euro brutto.

Das Medianeinkommen der Pensionisten in Vorarlberg beträgt 27.374 Euro brutto und ist um insgesamt 12.694 Euro höher als jenes der Pensionistinnen. Ein Viertel aller Pensionistinnen in Vorarlberg bezieht ein jährliches Pensionseinkommen von maximal 9.332 Euro brutto (netto maximal 8.859 Euro).


Frauen und Politik

Dass die Gleichstellung in Vorarlberg nicht vom Fleck kommt, liegt unter anderem an den politischen Verhältnissen. Damit die Anliegen und Interessen von Frauen gehört werden, müssen sie in politischen Gremien vertreten sein. 

Davon sind wir in Vorarlberg weit entfernt: Nach den Gemeindewahlen im September 2020 ist nur ein Viertel der Gemeindevertreter:innen weiblich. Immerhin hat sich der Anteil der weiblichen Landtagsabgeordneten nach der Wahl 2019 auf 41,7 Prozent erhöht. Der Anteil der Frauen in der Landesregierung liegt bei 42,8 Prozent.

Verschwindend gering ist der Anteil der Frauen an den Bürgermeister:innen. Er stieg zwar im Zeitraum 2006 bis 2018 von 3,1 auf 8,3 Prozent (+ 5,2 Prozentpunkte), ging mittlerweile aber auf 6,3 Prozent zurück, sodass der Anteil der Bürgermeisterinnen im Zeitraum 2006 bis 2020 lediglich um 3,2 Prozentpunkte gestiegen ist.

Quellen: 

  • Vorarlberger Gleichstellungsbericht 2021
  • Indikatoren für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2021

Weitere Informationen zur Situation der Frauen in Vorarlberg sowie die Berichte und Studien zur Gleichstellung von Frauen findest du hier:

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