Rechenschieber
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5. Dezember 2022
Soziales

Von wegen kinderleicht: Verordnungen zum Kinderbetreuungsgesetz ernten viel Kritik

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Kinderbetreuung ist kein Kinderspiel. Das ist allen Eltern und Beschäftigten bewusst. Mit dem neuen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (KBBG) des Landes kommt in Vorarlberg Schwung in die Thematik. Was tut sich da im Ländle? Welche Kritik gibt es an dem Gesetz und den zugehörigen Verordnungen? Wo sollte nachgebessert werden?

In diesem Beitrag

Chancengerechtigkeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Standortattraktivität Vorarlbergs: Von einer hochwertigen und für alle verfügbaren Kinderbetreuung und Elementarbildung hängt viel ab!

Wohin steuert Vorarlberg mit den Verordnungen zum Kinderbetreuungsgesetz?

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Rechtsanspruch und Wahlfreiheit fehlen

Bereits 2018 fasste der Vorarlberger Landtag den Entschluss, ein neues Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzt (KBBG) auszuarbeiten. Als das Gesetz im März diesen Jahres endlich zur Begutachtung auf den Tisch gelegt wurde, gab es Kritik und Anregungen von vielen Seiten.

Die AK Vorarlberg bemängelte, dass nach wie vor kein Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung im Gesetz verankert wurde – eine Maßnahme, die bei unseren Nachbaren in Deutschland seit fast einem Jahrzehnt etabliert ist! Stattdessen wurde ein Versorgungsauftrag der Gemeinden beschlossen, aus dem sich allerdings kein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ableiten lässt. 

Zudem bemängelte die AK Vorarlberg, dass mit dem neuen Gesetz Eltern auch weiterhin keine Wahlfreiheit haben, wenn es um die Betreuungseinrichtung ihrer Kinder geht.

Thomas Kelterer von der zuständigen Gewerkschaft Younion kritisierte darüber hinaus, dass vieles im Gesetz zu allgemein gehalten ist und zentrale Eckpunkte erst noch in einzelnen Landesverordnungen konkretisiert werden müssen. Der damalige Gesetzesentwurf, so Kelterer, gleiche einem „Blankoscheck“.

Novellen schaffen nur bedingt Klarheit 

Nun liegen auch die neuen Verordnungsnovellen des Gesetzes zur Begutachtung vor. Ihr Zweck ist es, das Gesetz weiter zu konkretisieren. Klarheit konnte mit ihnen allerdings nur bedingt geschaffen werden. Die Verordnungsentwürfe ließen einen klaren und erkennbaren Fokus auf das Wohl der Kinder, die Chancengleichheit und die Sicherstellung und Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität in Kinderbildungs- und Kinderbetreuungseinrichtungen vermissen, bedauert AK-Präsident Bernhard Heinzle. 

Ähnliche Kritik äußert auch der ÖGB und deren Landesgeschäftsführerin Manuela Auer. Die Verordnungen zum KBBG würden den Trägern der Betreuungseinrichtungen viel Flexibilität einräumen. Der ÖGB befürchtet, dass sich diese hohe Flexibilität in der Praxis negativ auf das bestehende Personal und damit auch auf die Bildungsqualität auswirken wird. Besonders angesichts des besorgniserregenden Mangels an Pädagog:innen im Ländle.  

Unscharfe Begriffe und zu viel Spielraum

Ein Beispiel für die oft bemängelte Unschärfe in den Verordnungen bietet etwa der Begriff der Betreuungsperson. AK-Bildungsexpertin Sarah Isele hält fest, dass über die Qualität des Betreuungsschlüssels sowie der Gruppengröße keine Aussage getroffen werden kann, wenn nicht klar ist, ob es sich bei den Betreuungspersonen um pädagogische Fachkräfte oder Assistenzkräfte handelt. Leider werden, neben derartigen Ungenauigkeiten, in den Verordnungen noch einige weitere zentrale Punkte vernachlässigt.

Fehlende Reglungen und keine Kontrolle

Der ÖGB bemängelt beispielsweise das Fehlen eines Raumprogramms in den Verordnungen, welche die Belange vom Raumangebot bis hin zum Schallschutz regeln. Positiv hervorzuheben ist, dass die Ausbildung zur Pädagogischen Fachkraft in Kleinkindgruppen durch eine neue Verordnung geregelt wurde. Allerdings wurde darauf vergessen, jemanden mit der Überprüfung der Ausbildungsqualität zu betrauen. Auch hinsichtlich der Anforderungen und Inhalte der Ausbildung bleiben mit der vorliegenden Verordnung noch zu viele Fragen offen, gibt Sarah Isele zu bedenken.

Betreuungsschlüssel sogar verschlechtert

An anderer Stelle, etwa beim Bereuungsschlüssel, wurde man zwar konkreter, die geplanten Änderungen in diesem Bereich werden allerdings inhaltlich vielfach kritisiert. Der Betreuungsschlüssel beschreibt das Verhältnis von Betreuungspersonen und betreuten Kindern. Beatrix Madlener-Tonetti vom Landesverband selbstorganisierter Kindergruppen und Elterninitiativen rechnet vor, dass früher bei einer Gruppe Kindern unter drei Jahren die Betreuung nach dem Schlüssel eins zu drei stattfinden musste und maximal neun Kinder in einer Gruppe sein durften. Heute liegt der Schlüssel bei eins zu fünf und zwölf Kindern. Der alte Schlüssel kommt nur noch zur Anwendung, wenn vorwiegend (oder insgesamt mehr als vier) Null- und Einjährige in einer Gruppe sind.

Fachkraft-Kind-Relation ist entscheidend

In der Studie „Frühe Bildung in Vorarlberg“ der AK Vorarlberg wird die Fachkraft-Kind-Relation als Schlüssel zur guten Bildung, Erziehung und Betreuung betont. Man muss keine Wissenschaftlerin sein, um nachvollziehen zu können, dass weniger Personal und größere Gruppen weder im Sinne der Kinder noch der Pädagog:innen sein können. Die Autor:innen der Studie nennen für Kinder unter drei Jahren eine Fachkraft-Kind-Relation von mindestens eins zu drei, eins zu acht bei Gruppen mit Drei- bis Sechsjährigen und eins zu zehn bei Fünf- bis Sechsjährigen. Der geplante Betreuungsschlüssel muss unbedingt angepasst werden!

Eines steht fest: der Ausbau der Kinderbildungs- und Betreuungseirichtungen darf nicht mit einem Abbau der Qualität einhergehen. Die AK Vorarlberg und viele weitere Akteure haben ihre konstruktiven Verbesserungsvorschläge auf den Tisch gelegt. Die Probleme sind bekannt. Die Lösungen auch. Jetzt liegt der Ball bei der Landesregierung.

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