AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Viel zu tun: Die Pflege steht auch in Vorarlberg vor großen Herausforderungen © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach
18. Oktober 2021
Soziales

AK-Zukunftsdialog: Pflegenotstand schreit nach Maßnahmen

Arbeit,Pflege,Solidarität

AK und Landeskrankenhäuser baten Menschen aus unterschiedlichsten Gesundheitsberufen darum, gemeinsam über die Zukunft der Pflege nachzudenken. Sie legten sich einen Tag lang mächtig ins Zeug, denn sie sind allesamt stolz auf ihren Beruf und wollen sich das durch Personalmangel und Überlastungen nicht nehmen lassen.


Inhaltsverzeichnis

AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Ein Dialog auf Augenhöhe: AK-Präsident Hubert Hämmerle begrüßt die Gäste. © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach

Nicht die Politiker, jetzt sind die Profis am Wort. AK Vorarlberg und Landeskrankenhäuser haben bewusst 64 Expert:innen zum Zukunftsdialog gebeten, die sich auf diese Zukunft in der Pflege freuen dürfen oder mit ihr irgendwie zurechtkommen müssen – je nachdem, ob Mediziner und Pflegepersonal endlich gehört werden. 

Der Bedarf wächst Tag für Tag

Sie diskutieren engagiert. Die Flipcharts füllen sich im Nu. Ärztin und Pfleger, Hauskrankenpflege und Krankenhausmanager – alle auf Augenhöhe. Alle hören zu. Jeder kommt zu Wort. Schließlich sitzen alle im selben Boot. „Pflege“, betont Gesundheitswissenschaftler Prof. Heinrich Geißler, „wird an Bedeutung stetig zulegen“. Man braucht nur Altersstruktur und Geburtenzahlen anschauen. Bedarf und Kapazitäten klaffen immer weiter auseinander.  

AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Nachdenken, diskutieren, in Worte fassen: Für die Teilnehmer:innen war viel zu tun © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach

Beglückend und fordernd

Deshalb steht der Personalbedarf ganz oben auf den Listen. Aber geht es nicht darum, möglichst rasch möglichst viele Menschen in diesen Beruf zu karren. Arno Geiger arbeitet als Pflegedirektor am LKH Hohenems. Er unterstreicht das Wort „Berufung“. Pflege gebe dem Personal „Gelegenheit Beziehung zu Patienten zu leben, menschlich zu sein“. Albert Lingg, der bis 2014 dem LKH Rankweil vorstand, geht noch weiter und stellt neben die gute Ausbildung die Menschenliebe. Erst die Würde macht die Pflege zur guten Pflege. Das beglückt und fordert gleichermaßen.  

AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Konzentriert bei der Sache. © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach

Ausbildungszugang erweitern

Für den dringend benötigten Nachwuchs muss sich der Zugang zur Ausbildung erweitern, darin sind sich alle einig. Nur Marturaniveau für Ausbildungen des gehobenen Dienstes, das wird sich nicht länger spielen. Es braucht mehr Ausbildungsplätze, und zwar dringend. Auch das Berufsbild in der Öffentlichkeit muss sich verbessern. Pflege ist Betriebsrätin Elke Zimmermann vom LKH Bludenz zufolge „einer der tollsten Berufe überhaupt“. Die Einsatzgebiete erstrecken sich von der Säuglingspflege über die Notfallambulanz bis zum Seniorenheim.  

AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Und immer wieder: zuhören. © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach

Doch glücklich sind die Mitarbeiter:innen nur dann, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Dazu zählen sichere Dienstpläne, die sich nicht alle Nase lang ändern. Vom alternsgerechten Arbeiten ist viel die Rede an diesem Tag, denn nicht jeder Pflegekraft, die schon etwas älter ist, sind beliebig viele Nachtdienste zumutbar.  

Eine Bezahlung, die der Ausbildung und dem Können entspricht, wünschen sich die Betroffenen. Sie reden der Vernetzung von Berufsgruppen das Wort und einem anerkennenden und wertschätzenden Umgang miteinander, der nur auf Augenhöhe gedeihen kann. Ein ganzheitliches Menschenbild rangiert ganz oben auf der Themenliste der 64 Gesundheitsprofis.

AK-Zukunftsdialog zur Pflege
Thomas Matt moderierte den AK-Zukunftsdialog. © AK Vorarlberg, Jürgen Gorbach

Dringend mehr Pflegepersonal vonnöten

Zahlen lügen nicht. ÖGK-Landesstellenleiter Manfred Brunner hat für den AK-Fachausschuss Gesundheits- und Pflegeberufe die derzeit relevanten Studien und Prognosen durchgeackert.

„In Vorarlberg steigt demnach die Zahl der über 80-Jährigen bis 2025 um 19,3 Prozent auf 23.300 Menschen an. Das Land hat das errechnet.“ Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) sieht den Bedarf an Hauskrankenpflege und Pflegeheimplätzen in Vorarlberg bis 2030 um 49 Prozent ansteigen. Die Krankenhausaufenthalte werden in diesem Zeitraum um 19 Prozent zunehmen. „All dies hat zur Folge, dass uns in Vorarlberg 2028 rund 400 Pflegekräfte fehlen werden.“ Laut Analyse der GÖG macht sich das insbesondere in der Langzeitpflege beim diplomierten Personal und bei der akutstationären Pflege durch Pflegefachassistenz bemerkbar.

Die GÖG-Pflegepersonal-Prognose rät für Vorarlberg, vor allem die Anzahl der Ausbildungsplätze für Pflegefachassistenz zu erhöhen. Gerade hier ortet die GÖG „eine klare Unterdeckung“. Aber werden nicht laufend neue Kräfte ausgebildet? Ja, aber viel zu wenig. Zumal einer österreichweiten Umfrage im Pflegepersonal zufolge jede(r) Zweite in unregelmäßigen Abständen mit dem Gedanken spielt, alles hinzuschmeißen und den Beruf zu wechseln.

Der Zukunftsdialog „Gute Arbeit und gute Pflege“ hat zahlreiche Handlungsfelder skizziert. Darüber aber steht in roten Lettern die wichtigste aller Forderungen: „Tun“, statt nur drüber reden.

Es wäre hoch an der Zeit!


Schon abonniert?

Hol dir den AK-Newsletter in die Inbox, jeden Montag neu.


DAS KÖNNTE dich AUCH INTERESSIEREN

Glückliche Familie
7. Oktober 2021

Soziales

Mehr als drei Millionen Euro für Familien

„Statt langer Wege Beratung aus einer Hand“ lautete 2006 die Devise, als das AK-Büro für Familien- und Frauenfragen seine Arbeit aufnahm. 15 Jahre im Dienste der Vereinbarkeit von Beruf und Familie – ein Jubiläum zum Feiern, wie der Blick auf die Zahlen zeigt. 

Schneller arbeiten am Computer
20. September 2021

Arbeit

Gleiche Stunden, weniger Tage?

Innovative Arbeitszeitmodelle können ein Gewinn sein – auch für Arbeitnehmer:innen, die darauf angewiesen sind oder sich mehr Flexibilität wünschen. Entlastung geht damit nicht automatisch einher. Oft heißt es: Das volle Programm in weniger Tagen.

Hochwasser Österreich 2021
20. Juli 2021

Soziales

Schaut so Gerechtigkeit aus?

Kurzarbeit, Rekordarbeitslosigkeit, Kündigungen, die unsichere Lage in tausenden Betrieben in ganz Österreich. All das und vieles mehr hat die Arbeitnehmer:innen an ihre Grenzen gebracht, teilweise auch weit darüber hinaus. Wir stellen die Frage: „Wie gerecht ist Österreich?“

AK Bildungsgutschein

NÜTZLICHE LINKS

Wissenswertes auf Mausklick.  Das könnte dich auch interessieren:

Newsletter

AK für die Inbox, jeden Montag neu.

AK-Pflegemodell

Das AK-Modell für die Pflege daheim würde pflegende Angehörige entlasten.

Stark für dich

Als AK-Mitglied profitierst du von Services zu Arbeit, Bildung und Konsum.