Soziales
Wozu brauchen wir Schönheit?
Ein Blick in die Vergangenheit zeigt uns: Im Vergleich mit früheren Epochen gibt es für Schönheit heute nur wenig Platz. Doch brauchen wir sie dringend.
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Letztes Jahr, zum hundertjährigen Jubiläum des AK-Gesetzes, wollte die AK Vorarlberg das Thema Gerechtigkeit ins Zentrum stellen, wie auch die anderen acht Länderkammern. Dabei sollte nachvollziehbar erzählt werden, warum es auch heute noch eine Institution wie die Arbeiterkammer braucht. „Gerechtigkeit, gekommen um zu bleiben. Für immer“ war der Aufhänger für die Kampagne. Dann kam Corona und alles ganz anders.
Gerechtigkeit rückte in einem anderen Zusammenhang in den Fokus. Nämlich mit der Frage, wer unser gesellschaftliches System in Bewegung hält und wie dieses Bewegen honoriert wird. Und es musste nicht erzählt werden, warum es die Arbeiterkammer noch immer braucht, die Mitglieder erfuhren es leidvoll am eigenen Leib. Während die Regierung nach dem Motto „koste es was es wolle“ größtenteils die Wirtschaft unterstützt hat, schaute die Arbeitnehmer:innenschaft erst mal durch die Finger.
Markus Marterbauer, Leiter der Abteilung Wirtschaftswissenschaft und Statistik der AK Wien, erklärt im Video, wer die Krise aus seiner Sicht letztlich bezahlt:
Neben Arbeitseinkommen ist Erben in Österreich ein wichtiger Bestandteil der Vermögensbildung. Und auch bei der Vererbung gibt es ein eklatantes Ungleichgewicht. Nur etwa jeder dritte Haushalt der unteren 90 Prozent in der Vermögensverteilung erhält überhaupt ein Erbe in Form von Fahrzeugen, Immobilien oder finanziellem Vermögen. Im Durchschnitt dreht es sich dabei um etwa 120.000 Euro.
Die reichsten zehn Prozent haben da schon eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit etwas vererbt zu bekommen. Sie liegt dort bei rund 71 Prozent und das zu erwartende Erbe beläuft sich auf durchschnittlich 830.000 Euro. Das reichste Prozent erbt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und zwar durchschnittlich rund 3,4 Millionen Euro.
Die AK Vorarlberg hat verschiedene Förderprogramme ins Leben gerufen, um den Arbeitnehmer:innen aus Notlagen herauszuhelfen, die durch die Krise entstanden sind. Instrumente wie etwa der Härtefonds für Arbeitnehmer:innen laufen noch bis Ende dieses Jahres, weil die Krise tiefe Spuren hinterlassen hat, die manche erst jetzt richtig zu spüren bekommen. Am Beginn der Pandemie im März letzten Jahres wurden die systemerhaltenden Berufe – die im Übrigen mehrheitlich weiblich besetzt sind – noch mit Applaus und Lobhudeleien bedacht. Ihre enorme Wichtigkeit stand am laufenden Band auf der Politikagenda und wurde wie ein Mantra ständig wiederholt.
Mehr als ein Jahr später ist von diesen Lippenbekenntnissen nichts mehr übrig. Die Arbeitsbedingungen in den Pflegeberufen beispielsweise sind immer noch denkbar schlecht und die Löhne spiegeln keineswegs den enormen Einsatz wieder. Gerade im Gesundheitsbereich überlegen viele Arbeitnehmer:innen einen Wechsel in andere Branchen, weil nicht sehr wertschätzend mit ihnen umgegangen wird. Andernorts wird wieder zur Tagesordnung übergegangen und fleißig zugelangt, wenigstens wenn es um die hoch dotierten Jobs der ATX-Manager:innen geht. Trotz staatlicher Zuschüsse und enormer Umsatzeinbußen sind die Vorstandsgehälter in den ATX-Unternehmen laut einer Untersuchung der AK Wien letztes Jahr um knapp vier Prozent gestiegen.
So kommen durchschnittlich stattliche 1,9 Millionen Euro zusammen. Die Fixgehälter sind konstant, fast verdoppelt haben sich allerdings die sonstigen Gehaltsbestandteile, wie beispielsweise die Beendigungszahlungen. Den Arbeitnehmer:innen wird der Gehalt zusammengekürzt, sie werden in Kurzarbeit geschickt oder einfach „freigesetzt“, wie das im Personaler:innen-Jargon heißt, wenn Personal abgebaut wird. Im zeitlichen Vergleich werden die Unterschiede zwischen Manager:innengehältern und den Durchschnittslöhnen besonders sichtbar.
Hat ein:e Manager:in 2003 noch etwa das 24fache eines normalen Arbeitnehmer:innen-Lohnes verdient, war es letztes Jahr schon mehr als die doppelte Differenz und er oder sie konnte sich über den 56fachen Lohn freuen. Die Führungskraft erhält also in einem Monat etwa das selbe ausbezahlt, wofür normale Arbeitnehmer:innen etwas mehr als viereinhalb Jahre arbeiten müssen.
Marterbauer schlägt Maßnahmen vor, die im Steuersystem gesetzt werden sollten, um mehr Verteilungsgerechtigkeit zu erreichen:
Das reichste Prozent (1 %) der Haushalte in Österreich besitzt über vierzig Prozent (40,5 %) des gesamten Vermögens. In absoluten Zahlen verfügen also rund 90.000 Österreicher:innen über knapp 487 Milliarden Euro. Die untere Hälfte in der Vermögensverteilung (50 %, 4,4 Millionen Österreicher:innen) verfügt über 35 Milliarden Euro. Die obersten zehn Prozent bringen es auf stattliche 687 Milliarden Euro, das sind 55 Prozent des Gesamtvermögens (1.249 Milliarden Euro).
Während also die Spitze des Eisbergs immer reicher wird, haben die Otto-Normal-Österreicher:innen mit ständig steigenden Kosten in allen Bereichen und weniger Ausgleich durch Lohnerhöhungen zu kämpfen. Auch Arbeitslosigkeit ist ein großes Thema. Marterbauer formuliert klar, welche Maßnahmen es jetzt braucht, um der Arbeitslosigkeit Herr zu werden:
Die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen sorgt in letzter Konsequenz auch dafür, dass Frauen über weniger Nettovermögen verfügen als Männer. 2017 wurde dieser Umstand erstmals mit Daten untermauert. Herausgekommen ist nicht die „eine Zahl“ oder das „eine Verhältnis“, es gibt krasse Unterschiede zwischen den reichsten Österreicher:innen und dem Rest. Die untere Hälfte der Vermögenspyramide ist noch relativ gleichauf, dann werden deutliche Unterschiede sichtbar. Im Durchschnitt verfügen Frauen über 23 Prozent weniger Nettovermögen als Männer. Bei den reichsten fünf Prozent der Single-Männer sind es 50 Prozent mehr als bei den reichsten fünf Prozent der Single-Frauen.
In Paarhaushalten treten extreme Vermögensunterschiede besonders im Topbereich auf, nämlich dem reichsten Prozent der Haushalte. Dort besitzen vom jeweiligen Haushaltsvermögen die reichsten Frauen nur ein Viertel, während die reichsten Männer ganze drei Viertel für sich beanspruchen können. Dieses eine Prozent besitzt im Übrigen etwa 28 Prozent des Gesamtvermögens von Paarhaushalten.
Geschlechterspezifische Vermögensdifferenzen sind also auffällig am oberen Rand der Verteilung zu finden, genau dort, wo das Vermögen zu einem großen Teil aus Unternehmenseigentum besteht. Genau dieser Bestandteil ist auch einer, aus dem wirtschaftliche und politische Macht generiert wird. Das ist demnach auch ein Baustein, aus dem die vielbesagte gläserne Decke besteht, an die Frauen im Karriereverlauf oft stoßen, weil die mächtigen und finanzstarken Netzwerke überwiegend aus Männern bestehen.
Laut Markus Marterbauer kann diese Ungleichheit bei den Einkommen aber bekämpft werden:
Die rhetorische Frage „Ist Österreich gerechter als vor der Krise?“ lässt sich also mit einem klaren „Nein!“ beantworten. Ob Gender-Pay-Gap, ungerechte Vermögensverteilung oder Steuergerechtigkeit, es wartet noch viel Arbeit auf die Arbeiterkammer und eine andere Frage lässt sich ebenfalls eindeutig beantworten: Gerade jetzt braucht die Arbeitnehmerschaft eine starke und unabhängige Interessenvertretung wie die AK Vorarlberg.
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