Ein Blick in die Vergangenheit zeigt uns: Im Vergleich mit früheren Epochen gibt es für Schönheit heute nur wenig Platz. Doch brauchen wir sie dringend.
Schönheit ist, wie Michael Köhlmeier erzählt, für unser Leben von zentraler Bedeutung. Wozu wir Schönheit brauchen, warum es nichts zu beschönigen gibt und was ein Mangel an Schönheit mit uns macht, das erfährst du in diesem Beitrag.
Hand aufs Herz: Wann war das letzte Mal, dass du über einen klaren Nachthimmel, den Sonnenaufgang oder die zwitschernden Vögel auf einem Baum gestaunt hast?
„Die meisten Menschen wissen gar nicht, wie schön die Welt ist“, schrieb Rainer Maria Rilke in einem Brief an einen Freund. „Nur die Kinder wissen noch, wie viel Pracht in den kleinsten Dingen, in irgendeiner Blume, einem Stein, einer Baumrinde oder einem Birkenblatt sich offenbart. Die erwachsenen Menschen, die Geschäfte und Sorgen haben und sich mit lauter Kleinigkeiten quälen, verlieren allmählich ganz den Blick für diese Reichtümer.“
Rilke notierte diese Zeilen vor mehr als 100 Jahren, seine Beobachtung ist aktueller denn je: Geschäfte, Sorgen und Kleinigkeiten, die uns quälen, gibt es heute ohne Ende.
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Schönheit hatte schon bessere Zeiten
Darüber nachzudenken und uns zu fragen, welche Bedeutung Schönheit für unser Leben hat (haben könnte) und wie sich ein Mangel an Schönheit auf auswirkt, das lohnt sich. Michael Köhlmeier gibt uns Gelegenheit dazu. Im Februar war er Gast von Franz Köb bei Wissen fürs Leben. Köhlmeier trug – pandemiebedingt vor versammeltem Online-Publikum – zwei bedeutsame und zeitlose Reden zur Schönheit vor.
Hört man dem Autor und Erzähler zu, stellt man ernüchtert fest: Schönheit hatte schon bessere Zeiten.
Zur Ehre Gottes war einst genug
Schönheit musste sich in der Antike und noch viele Jahrhunderte danach nicht rechtfertigen. Zumindest brauchte sie, wie Köhlmeier festhält, dafür keine Theorie. Und warum auch: Dass man Schönheit zur Ehren der Götter und später des Gottes hervorbringt, warnug.
Nachdem sie kein Gottesdienst mehr ist, braucht Schönheit heute eine andere Begründung. Und welche könnte das in einer Verwertungsgesellschaft wie der unseren sein? Richtig: Schönheit soll – wie alles – etwas abwerfen.
Zitat
„Das ist das Leben, und das Leben interessiert mich am meisten unter dem Gesichtspunkt der Schönheit. Und tatsächlich lässt sich fast alles unter diesem Gesichtspunkt betrachten.“
Michael Köhlmeier
Autor und Erzähler
Schönheit will nichts beschönigen
Dabei könnte sie, wie Köhlmeier sagt, viel mehr für uns sein. Sie könnte uns ermöglichen, edel, hilfreich und gut zu sein, wie Johann Wolfgang von Goethe zum Ende der Aufklärung forderte. Man spürt schon: Schönheit hat für Köhlmeier nichts mit Beschönigung und alles mit Wahrheit und Wahrhaftigkeit zu tun.
Über nichts spricht der Autor und Erzähler lieber als über Schönheit. Dabei geht es ihm nicht nur um Kunst und Kultur – auch der Einkauf im Supermarkt gehört für ihn unter anderem dazu.
Schönheit findet Köhlmeier überall, in den Büchern, in Songs und in der Zeichnung seines Sohnes.
Was kann uns Schönheit lehren?
Schönheit findet Köhlmeier auch in einem Werk über den Krieg. Im Roman „Im Westen nichts Neues“ schildert Erich Maria Remarque die Greuel auf den Schlachtfelder des Ersten Weltkrieges. Doch er stellt das Weltgeschehen nicht in den Mittelpunkt, sondern zeigt uns die emotionale, geistige, moralische und zuletzt physische Zerstörung eines Menschen. Warum findet Köhlmeier auch hier Schönheit? Weil wir ahnen, was aus diesem Mensch hätte werden können. Schönheit, erkennen wir wieder, hat für Köhlmeier nichts mit Oberfläche zu tun.
Und was haben wir daraus zu lernen? Wir brauchen dringend mehr Humanität, jene Eigenschaft, die uns erst zu Menschen macht. Kunst, Musik und Literatur, so Köhlmeier, können die Inhumanität zwar nicht heilen, doch sie können die Humanität stärken.
Ohne Schönheit gibt es nichts Gutes
Köhlmeier warnt uns ausdrücklich vor ihrem Mangel und führt uns vor Augen, was auf uns zu kommt, wenn wir Schönheit vernachlässigen und aufgeben.
Zitat
„Köhlmeiers andere, meist kurze Reden sind eine Einladung zur Menschenliebe.“
Wolfgang Schreiber
Süddeutsche Zeitung
Literaturtipp
Interessiert an Michael Köhlmeiers Reden zur Schönheit? Diese findest du in „Reden gegen das Vergessen“, erschienen im dtv Verlag.
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