Kundeyt Şurdum
© Rudolf Zündel
22. Dezember 2022
Soziales

Kundeyt Şurdum: Poet und Brückenbauer

Bildung,Geschichte,Theater,Vorarlberg

Lehrer, Autor, Radiosprecher, Brückenbauer – Kundeyt Şurdum war so viel. Nun ist ihm am Vorarlberger Landestheater ein Theaterstück gewidmet. Für die Vorstellung am 12. Jänner 2023 verlost der AK-Theater-Treff 5 x 2 Karten.

In diesem Beitrag

Er kam in Konya zur Welt und hat in Vorarlberg seinen literarischen Ruhm erworben. Im Dienst der Arbeiterkammer baute Kundeyt Şurdum (1937–2016) über viele Jahre hinweg Brücken zu den Zugezogenen, die damals noch Gastarbeiter hießen. Jetzt hat ihm die Autorin Daniela Egger ein Theaterstück gewidmet. „Zwei Frauen, ein Leben" erzählt die Geschichte aus der Perspektive seiner Witwe Ayşe.

Türkisch für Anfänger

Er sah uns gütig durch seine dicken Brillengläser an. Die Finger seiner rechten Hand drehten ein Stück Kreide, ehe er zur Tafel schritt. Damals hieß das BFI noch Bildungscenter und Kundeyt Şurdum mühte sich redlich, seinen erwachsenen Schüler:innen ein wenig Türkisch beizubringen. „Bugünün gazetesi var mı?“, tönte es radebrechend aus Schülermund. „Haben Sie die heutige Zeitung?“ Die hatte er nicht. Aber 1001 Gedichte hätte er uns sagen können. Kundeyt Şurdum, der Lehrer. Der Autor. Der Radiosprecher. Er war so viel. Dabei  kam uns „nur“ ein äußerst freundlicher, gerne rauchender, bescheidener älterer Herr entgegen, klein von Wuchs, mit Baskenmütze und abgegriffene Aktentasche als Markenzeichen.

Er war 1971 von der Türkei nach Österreich ausgewandert. Zu einer Zeit also, in der die beiden Kulturen ungebremst aufeinanderprallten. Wir wussten voneinander … nichts. Kundeyt Şurdum erhob früh seine Stimme in der noch jungen deutsch-türkischen Literatur. Vor allem mit seiner Lyrik hat er nachhaltige Spuren in der Literaturlandschaft seiner neuen Heimat hinterlassen. Er wurde zur Vorzeigefigur kulturübergreifenden Austausches, zu einem Autor der Migration und Mehrsprachigkeit. „Seine Gedichte sind lyrische Inszenierungen des Dazwischen, der Brüchigkeit des Seins zwischen den Kulturen, Gesellschaften und Sprachen.

Der Fremde mit dem gebrochenen Deutsch

Als Kundeyt Şurdum 1996 den Johann-Peter-Hebel-Preis verliehen bekam, sprach er über sich als „der Fremde mit dem gebrochenen Deutsch“. Die Badische Zeitung berichtete damals, wie Şurdum seine Zuhörer in Staunen versetzte, als er aus seinen Gedichten zu lesen begann: „Da paarte sich hohe sprachliche Sensibilität mit einem Grad an Formbewusstsein und Rhythmusgefühl, wie ihn nur sehr wenige Dichter in einem erlernten Idiom erreichen."

Den 40.000 eine Stimme

Kundeyt Şurdum stammte – so das vorarlberg museum anlässlich der Präsentation der Werkausgabe im April 2022 – aus einer wohlhabenden tscherkessischen Familie. Er maturierte am österreichischen St. Georgs-Kolleg in Istanbul und studierte anschließend Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie. 1971 wanderte er aus der Türkei nach Vorarlberg aus und traf dort auf rund 40.000 Landsleute – „Gastarbeiter“, wie man sie damals nannte. Für sie setzte er sich ein, gründete Zeitungen, arbeitete als Dolmetscher, unterrichtete türkische Kinder in ihrer Muttersprache. Seine türkischsprachige Nachrichtensendung bei Radio Vorarlberg war eines der wenigen Medienangebote für diese Bevölkerungsgruppe. Darüber hinaus arbeitete er beim Institut für Sozialdienste als Berater für Arbeiter aus der Türkei. Ein Wunder, dass der Familienvater noch Zeit fürs Schreiben fand.

Brückenbauer

Für die Arbeiterkammer war er in unzähligen Fällen als wertvoller Brückenbauer tätig. Er unterrichtete Türkisch. Er vermittelte in schwierigen Problemstellungen. Er half dem damaligen Gastarbeiterreferat der AK, wo es ging. Das war nicht immer einfach. Als die FPÖ 1993 ihr unseliges Anti-Ausländer-Volksbegehren durchs Land trieb, versuchte u.a . der spätere Landtagspräsident Manfred Dörler als Vorsitzender des ÖVP-Ausländerforums das Zusammenleben von In- und Ausländern in Vorarlberg zu verbessern. Da war auch Kundeyt Şurdum mit an Bord.

„Die Nächte der Lichtermeere sprachen wie einer, der sagte, hab keine Angst, ich bin ja bei dir“, sagt er. „Das Endergebnis des Volksbegehrens gibt mir die Kraft, dass ich doch hierbleibe. Und wenn ich weiß, dass ich hierbleibe, wird die Integration von meiner Seite leichter.“

Ümran Algün und Hürdem Riethmüller im Theaterstück „Zwei Frauen, Ein Leben“ von Daniela Egger
© Anja Köhler


Theaterkarten zu gewinnen

Die Autorin Daniela Egger hat Kundeyt Şurdum ein Theaterstück gewidmet. Inszeniert hat es Suat Ünaldı. Wir verlosen im AK-Theater-Treff 5 x 2 Karten für „Zwei Frauen, ein Leben” am 12. Jänner 2023, 19:30 Uhr im Vorarlberger Landestheater. Im Anschluss sind die Gewinner:innen herzlich zu einem Gespräch mit dem Dramaturgen und den Schauspieler:innen eingeladen.

 Was ist für Dich Heimat? Schenkt uns einen Satz und gewinnt zwei Karten!


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