Konsum
Veggie und vegan: Pflanzliche Alternativen im Test
Wie gesund sind die veganen und vegetarischen Alternativen im Vergleich zu Fleisch? Das hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) unter die Lupe genommen.
In diesem Beitrag
"In einen bunten, wilden Rezeptwirbel" führt Hanni Rützler ihr Publikum in der letzten Veranstaltung der AK Reihe "Wissen fürs Leben" vor der Sommerpause. "Essen bringt Menschen zusammen", sagt sie. "Essen verbindet uns mit unserem Leben, mit der Region, am Tisch mit den Liebsten und vielleicht auch versöhnend mit Menschen, die man nicht so mochte davor. Es verbindet uns auch mit der Saison." Und so eröffnet die in Wien lebende Food-Trend-Forscherin neben der kulinarischen auch die kulturelle, die soziologische, philosophische und kulturwissenschaftliche Dimension des Essens. In all diesen Fächern hat Hanni Rützler an Universitäten studiert. Das kommt ihr heute sehr zugute.
Hanni Rützler hat ein Jahr lang in den USA studiert, "und ich hab mir nur gedacht: Wie können so feine Menschen so miserabel essen?" Damals wurde ihr klar, wie wichtig ihr eigentlich essen ist, "auch das gemeinsam Sitzen und Essen und Reden am Tisch". So fand sie ihre ganz persönliche Forschungsfrage. Der Weg war frei zur Trendforschung.
Wie wandelt sich essen? In ihrem gemeinsamen Buch mit Wolfgang Reiter "Muss denn Essen Sünde sein?" gibt Rützler amüsanten Anschauungsunterricht. Wer den Prozess etwa über die Jahrhunderte hinweg sehen will, braucht nur die Darstellungen des letzten Abendmahls zu betrachten. Anfänglich teilen Jesus und die Apostel bibelgerecht nur Brot und Wein, spätestens Gemälden der barocken Malerei biegt sich der Tisch, dass der Betrachter am liebsten Platz nehmen möchte.
Frühstück, Mittagessen, Abendessen – das sind unseree Wurzeln. Und das Mittagessen war lange die wichtigste Mahlzeit. 1995 hat Hanni Rützler ihre erste repräsentative Studie in Österreich publiziert, "damals saßen noch 85 Prozent der Österreicher:innen am Mittagstisch zwischen halbzwölf und eins. Das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen!" Inzwischen steht das Abendessen auf Platz 1, weil meistens erst am Abend die ganze Familie zusammen kommen kann.
"Der Wandel der Arbeitswelt schiebt hier den Wandel der Mahlzeiten an." Auch der Trend zu Snacks – öfter kleinere Mahlzeiten – ist den Tagesabläufen geschuldet. Dieser schleichende Wandel "wird nicht mehr rückgängig zu machen sein".
Den "Peak-Meat" – die Spitze des Fleischkonsums – haben wir Hanni Rützler zufolge inzwischen überschritten. Und das ist gut so. Fleisch war lange Zeit das Hauptstück auf dem Teller und hat Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte & Co zu Beilagen degradiert. Das ändert sich gerade, wenn auch langsam.
"Der Salat hat sich emanzipiert." Die italienische Küche ist überhaupt eine weltweite Erfolgsgeschichte. "Wir genießen im Durchschnitt zwei bis dreimal in der Woche italienisches Essen." Die levantinische Küche wird immer heimischer – Stichwort Humus im Supermarkt. Und die asiatische sowieso: "Sushi wäre früher ein Rechtschreibfehler gewesen, weil es nur Susi heißen kann", scherzt Rützler. Die Zeiten sind längst vorbei.
Warum ist Fleisch schon so lange so wichtig für uns? Da lohnt ein Blick auf die Erde: 70 Prozent der Erdoberfläche bedeckt Wasser, 30 Prozent Land. Ein Drittel vom Land ist landwirtschaftliche Fläche. "Davon verwenden wir weltweit 80 Prozent für Tierhaltung und nur 20 Prozent für Kulturpflanzen." Fleisch ist ein mächtiger Marktplayer. "Es war auch ein politisches Ziel, Fleisch für alle leistbar zu machen. Das haben wir erreicht." Jetzt sehen wir die Konsequenzen – Treibhausgase, Klimawandel usw. Bis 2050 werden den Prognosen zufolge 10 Milliarden Menschen leben und "wir bräuchten drei Erden, um sie zu ernähren, wenn wir so weitermachen wie bisher." Deshalb müssen wir lernen, mit den Ressourcen besser umzugehen.
Hanni Rützlers Präsentation bei "Wissen fürs Leben" zum DownloadWenden wir uns also der Zukunft vor. Sie entsteht im Kopf. So wie wir manchmal in Erinnerungen schwelgen, empfiehlt Hanni Rützler allen dringend, sich die Zukunft lustvoll auszumalen: "Wir brauchen wieder Bilder von einer Zukunft, wo wir hin wollen, und nicht nur Angst und Sorgen.“ Hanni Rützler schaut sich von Berufs wegen an, was kulinarisch im Supermarkt, in der Gastronomie, in der Landwirtschaft, in der Technologie, in der Forschung passiert. Und es wimmelt nur so von Inspiration. Zum zweiten bedeutet Zukunftsarbeit auch, die inneren Bilder zu bemühen: Wo will ich hin? Was ist mir wichtig? Das muss jede:r einzelne selbst überlegen.
Wo liegen die Trends? Ein neues Produkt, ein neuer Geschmack, das ist noch kein Trend. Trends sind größer. Sie antworten auf Problemlagen. Hanni Rützler clustert die Foodtrends auf der Welt nach Themenbereichen. Stichwort: Nachhaltigkeit. Der Flexitarier ist so ein Trend. "Flexitarier sind Menschen, die einfach bewusster Fleisch essen." Nicht mehr täglich, sondern nur zwei, drei Mal pro Woche, dafür von guter Qualität.
Ein anderer Trend setzt auf „Plant-Based-Food“. Neue Lebensmittel aus Pflanzen – Hanni Rützler demonstriert es am Fall der Erbse: „Die kommt in einen Extruder mit viel Druck und Hitze, damit verändert sie ihre Struktur. Man kann sie sozusagen in fasrige Strukturen ziehen, oder es sieht am Ende mehr aus wie Faschiertes. Aus diesen Ausgangsprodukten kann man dann Produkte wie Wurst und Fleisch herstellen. Die sehen aus wie Fleisch, und ich glaube, bei Blindverkostungen könnte ich sie austricksen. Ich habe Produkte probiert, die man wirklich kaum mehr unterscheiden kann.“ Dieser Markt hat sich weltweit rasant entwickelt.
Pflanzen, könnte man sagen, erfinden sich gerade neu. Manche Produkte haben Rützler schmunzeln lassen. „Natürlich waren es die Amerikaner, die nicht einfach ein faschiertes Leibchen wollten, sondern den Geschmack eines Steaks.“ Also haben sie geforscht, woher der blutige Fleischgeschmack kommt. Das Protein Heme, das es in ganz vielen Nahrungsmitteln gibt, unter anderem auch in Soya, macht diesen Fleischgeschmack aus. Das haben sie isoliert und in den pflanzlichen Burger reingegeben. „Und dann haben sie noch Roterübensaft hinzugefügt, damit es blutig wirkt.“
Oder ein Schweizer Beispiel: "Planted" braucht Wasser, Erbsenprotein 33 Prozent, Erbsenfasern, Rapsöl, Salz und Vitamin B12, „das sieht wirklich schon aus wie Hühnerteile“. Es gibt inzwischen richtige Hühnerbrüste und auch schon Steakspitzen. In Wien stellen sie aus Proteinen und Algenextrakt und zum Teil auch Pilzmyzel veganen Lachs her. „Der riecht fast wie Lachs und ist von der Konsistenz wahnsinnig nah dran.“ Für Hanni Rützler „war das eines der beeindruckendsten Produkte der letzten Jahre“.
Vollends verrückt wird die Reise durch die neue Lebensmittelwelt in Berlin. Das Startupp Neggst stellt vegane Eier her, inklusive Schale, die man aufschlagen kann…
Hanni Rützler hat vor über zehn Jahren den Forscher Mark Post kennengelernt. Er ist Mediziner an der Universität Maastricht und Mitbegründer des niederländischen Unternehmens Mosa Meat, das im August 2013 den weltweit ersten im Labor gezüchteten Burger auf einer Pressekonferenz in London präsentierte. Hanni Rützler saß damals als Test-Esserin und Expertin vor laufender Kamera im Studio.
„Sie wissen, dass wir menschliche Zellen nachziehen und sozusagen wieder einbauen kann“, sagt Rützler. „Das ist ein Segen nach vielen Unfällen und Gesundheitsproblemen.“ Mark Post hat sich nun gefragt, warum wir das das nicht auch beim Rind können. „Wir nehmen Rinderzellen und vermehren die Zellen. Am Anfang stehen also die Petrischalen.
Der Burger, den Rützler verköstigt hat, war aus Zellen vom Rind gewachsen, die den lebenden Tieren entnommen und vermehrt worden waren. Der Versuch war astronomisch teuer: „Der Burger, in den ich da beiße, dieser Biss allein war 250.000 Euro wert.“ Sie hatten vier Monate an diesem Burger gearbeitet. Das Medienecho war enorm. Die erste Zulassung erhielt "das Produkt" 2021 in Singapur. Ein israelisches Unternehmen hat inzwischen die Zulassung in der Schweiz, in Großbritannien und in der EU beantragt. "Das sind lange, schwierige Verfahren, aber es liegt auf dem Tisch."
Hanni Rützler bringt eine dritte Technologie ins Spiel: „Im Moment wird wahnsinnig viel fermentiert. Fermentieren ist eine uralte Technik. Wir kennen das vom Brotbacken, Bierbrauen, der alkoholischen Gärung, dem Sauerkraut." Der Mensch nimmt entweder Rohes, Gekochtes oder Fermentiertes zu sich. „Das ist das Dreieck unserer Esskultur.“
Heute wird Fermentation nicht mehr dem Zufall überlassen. „Jetzt versuchen wir, auch den Hefen oder den Bakterien genau zu sagen, welches Protein sie bauen sollen. Diese Zellen werden dann in großen Containern gefüttert und dann geerntet. „Zum Beispiel kann man so die Milch von der Kuh nachbauen.“ Bei vielen Medikamenten ist diese Art von Produktion State of Art.
Es ist an diesem Abend noch viel vom Myzel die Rede, dem riesigen Wurzelgeflecht der Pilze. Es lässt sich künstlich züchten. „Auch da gibt es erste Produkte.“ Und augenzwinkernd kehrt Hanni Rützler noch einmal ins Umland zurück: In Herzogenburg erzeugt die Firma Kern-tec Milch, Öle und Süßwaren aus Steinobstkernen.
In St. Gallen hat die Firma Re-Nut ihren Sitz. Das Team dort verarbeitet Nussschalen zu Milch, Pasten usw. Mit jeder Menge Nährwerte, die wir tagtäglich achtlos in den Müll schmeißen…
Unsere Esskultur verändert sich permanent. Seit 2014 bringt Hanni Rützlers jedes Jahr einen detaillierten Foodreport heraus. der die Fachwelt am Laufenden hält und den Menschen der Branche hilft, kurzfristige Hypes von nachhaltigen Trends zu unterscheiden. Dazu die Herausgeber: "Küchenchefs waren schon immer die Innovatoren der Esskultur. Heute stehen sie auch an der Spitze des nachhaltigen Wandels. Im Gastro-Kapitel analysiert Hanni Rützler – diesmal auch mit KI-gestützten Methoden – Entwicklungen in der Top-Gastronomie, setzt sie in Bezug zu wegweisenden Food-Trends und stellt Restaurant-Konzepte, Köche und Köchinnen vor, die auch für die breite Gastronomie starke Sogeffekte bzw. Vorbildwirkung entfalten. Im Retail-Kapitel wirft Hanni Rützler einen Blick auf die vielfältigen, wachsenden und attraktiven Alternativen zum Einkaufen im Supermarkt und die neuen Chancen der Landwirte und Landwirtinnen in der digital unterstützten Direktvermarktung. Leseprobe
Thomas A. Vierich/Thomas A. Vilgis: Aroma – Die Kunst des Würzens – Ein ganz außergewöhnliches Nachschlagewerk: Wer die Hintergründe und Zusammenhänge vieler Gewürz- und Lebensmittelkombinationen verstehen will, bekommt hier einen detaillierten Überblick.
Stiftung Warentest
Lucy Cooke: Die erstaunliche Wahrheit über Tiere – Aale, die aus Sand entstehen; Schwalben, die unter Wasser Winterschlaf halten; und Bären, die gestaltlose Klumpen auf die Welt bringen, die erst von ihren Müttern in Form geleckt werden müssen … Die Geschichte wimmelt von abstrusen Behauptungen über Tiere, erfunden von den hellsten und einflussreichsten Köpfen ihrer Zeit. Lucy Cooke deckt zahlreiche Mythen und Irrtümer auf, verrät faszinierende Fakten, die sie gesammelt hat, während sie Hyänen hinterherjagte, Fledermäuse ausspionierte und betrunkene Elche stalkte. Das Buch ist nur noch gebraucht erhältlich.
Malik
Florence Gaub: Zukunft – eine Bedienungsanleitung Selten war die Zukunft mit so vielen und großen Unsicherheiten behaftet wie heute. Aber: „Der Mensch ist das das Wesen, das die Fähigkeit hat, sich die Zukunft so detailliert vorzustellen, dass es sie erschaffen kann“, schreibt Florence Gaub. Sie ist Politikwissenschaftlerin, Militärstrategin und Zukunftsforscherin. Als Direktorini leitet sie den Forschungsbereich am NATO Defense College in Rom. dtv
Konsum
Zu klein, zu groß, zu krumm – Wir hegen so hohe Ansprüche an Obst und Gemüse, dass es nur die Makellosen in den Supermarkt schaffen. Tomaten scheitern täglich an der Rot-Ton-Karte, Marillen mit Druckstellen fallen ohnedies durch … aber bei Cornelia Diesenreiter sind sie alle willkommen. In Wien rettet die gebürtige Oberösterreicherin seit 2006 Lebensmittel im großen Stil. Sie hat ein Buch über ihre Motivation geschrieben. Am 3. Oktober 2023 ist sie in der AK Reihe "Wissen fürs Leben" zu Gast.
Bildung
Wir sollten wieder Utopien entwickeln. Der deutsche Autor und Übersetzer Ilija Trojanow meint dieses „Das kann doch nicht alles gewesen sein“. Der Satz greift Herrschaftsstrukturen an: Der neoliberale Kapitalismus ist wie die Herrschaft von früher davon überzeugt, dass er ohne Alternative ist. Was für ein Irrtum!
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