22.09.2025
Arbeit
„Mein Arbeitstag beginnt, wenn die anderen ins Bett gehen“
Arbeit,Interview,Jugend,Lehre,Portrait,Vorarlberg
Wenn andere schlafen, steht Angie Amann in der Backstube Schertler in Feldkirch. Ein Gespräch über den Rhythmus des Bäckerhandwerks und die Kunst, Lehrlinge zu begeistern.
Zwischen Mehlsäcken, Rührmaschinen und Backblechtürmen huscht eine blonde, junge Frau wendig hin und her – und das in einem Tempo, dass so manche:n Athlet:in neidsch werden ließe. Angie Amann ist Bäckerin in der Backstube Schertler in Feldkirch. Im Interview erzählt sie von Ausbildung, Meisterbriefen – und von ihren Arbeitstagen, die eigentlich Arbeitsnächte sind.
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Angie, wenn der Tag für die meisten bereits endet, beginnt dein Arbeitstag erst. Wie lebt es sich gegen den Takt der Welt?
Angie Amann: Montag bis Freitag arbeite ich von 23:30 Uhr bis 7 Uhr, von Freitag auf Samstag fange ich sogar schon um 19 Uhr an. Das klingt verrückt, aber für mich sind diese Zeiten mittlerweile völlig normal geworden.
Wie hast du die Umstellung auf den Nachtmodus erlebt?
Angie Amann: Am Anfang habe ich mich extrem schwergetan und auch oft verschlafen. Besonders an die Hitze musste ich mich erst gewöhnen – zu Beginn war mir davon sogar oft übel. Es war eine radikale Umstellung: direkt von der Schulbank in die nächtliche Backstube. Da war ich natürlich noch an einen „normalen“ Tagesrhythmus gewöhnt. Aber nach ein paar Monaten hatte sich mein Körper daran gewöhnt.
Wolltest du immer Bäckerin werden?
Angie Amann: Ehrlich gesagt wollte ich ursprünglich Floristin werden. Dumm nur, dass ich zu tollpatschig war und mich ständig geschnitten habe. Irgendwann hat man mir freundlich mitgeteilt, dass das wohl nicht mein Beruf sei. (lacht) Beim Schnuppern bei einem Konditor durfte ich dann auch die Backstube besichtigen – und da hat es „Klick“ gemacht: Die Arbeit dort hat mich sofort fasziniert. Es hat mir so gut gefallen, dass ich mich entschieden habe, Bäckerin zu werden.
»Beim Schnuppern bei einem Konditor durfte ich die Backstube besichtigen – und da hat es ,Klick' gemacht.«
Angie Amann
Bäckerin
Heute bildest du selbst Lehrlinge aus. Was hat dich dazu bewogen?
Angie Amann: Ich entwickle mich gerne weiter und lerne ständig dazu. Außerdem arbeite ich sehr gerne mit jungen Menschen. In der Backstube war ich schon immer die Ansprechpartnerin für die Lehrlinge. Da dachte ich mir: Warum nicht einen Ausbilderkurs machen und das professionell angehen? Zumal ich einige Dinge in der Ausbildung optimieren wollte.
Welche Dinge waren das?
Angie Amann: Bäckerei-Lehrlinge dürfen „erst“ um 4 Uhr morgens anfangen. Das ist bereits eine Ausnahmeregelung, üblicherweise dürfen Jugendliche erst ab 6 Uhr arbeiten. Aber selbst um 4 Uhr morgens ist für uns Bäcker:innen spät: Um diese Zeit ist die meiste Arbeit schon getan, vor allem Brote, Brötchen und Brezeln sind längst fertig. Den Lehrlingen bleiben dann meist nur noch Feingebäcke wie Nusskipferl oder Muffins. Das ist auf Dauer eintönig, und sie lernen so kaum das Herzstück unseres Handwerks: das Brotbacken. Deshalb organisiere ich regelmäßig Übungstage, an denen sie all das lernen, was normalerweise schon fertig ist, wenn sie kommen.
Was ist die größte Hürde für angehende Bäcker:innen?
Angie Amann: Die Nachtschicht ist natürlich eine Herausforderung. Aber mindestens genauso schwierig ist das Tempo: In einer Backstube geht alles sehr schnell, das können sich Außenstehende kaum vorstellen. Die Lehrlinge müssen erst in diesen Rhythmus hineinwachsen. Das braucht Zeit und Geduld.
Was brauchen Lehrlinge, um erfolgreich zu starten?
Angie Amann: Eine:n engagierte:n Ausbilder:in – das ist entscheidend. Ich habe in verschiedenen Backstuben leider viele kennengelernt, die den Ausbilderkurs nur für das höhere Gehalt machen, sich aber kaum um die Lehrlinge kümmern. Sie lassen sie arbeiten, bringen ihnen aber nur das Nötigste bei und bauen keinen echten Bezug zu ihnen auf. Ich hatte zum Glück eine hervorragende Ausbildung: Wir haben alles handwerklich gemacht, sogar Salzstängel und Croissants selbst gewickelt. Dort habe ich unendlich viel gelernt, weil sich jemand wirklich um mich gekümmert hat. Genau das möchte ich weitergeben.
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Du bist seit elf Jahren AK Mitglied. Hast du die Services der AK schon mal in Anspruch genommen?
Angie Amann: Nicht direkt ich, aber mein Freund. Sein damaliger Arbeitgeber hat ihm monatelang das Gehalt vorenthalten und nur sporadisch ein paar hundert Euro ausgezahlt. Wir mussten natürlich trotzdem Miete zahlen und leben. In dieser Zeit habe ich uns beide allein finanziert – das war wirklich belastend. Ohne die Unterstützung der AK hätte er sein Geld vermutlich nie erhalten.
Was planst du als nächstes?
Angie Amann: Ich möchte unbedingt den Meisterbrief machen. Die Kurse starten allerdings nicht jedes Jahr, deshalb muss ich noch etwas warten. Aber die Unterlagen habe ich bereits besorgt und fange schon mal selbständig mit dem Lernen an.
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