
„Da oben ist man in einer anderen Welt“ – Elmar Röck über seinen Arbeitsplatz an der höchsten Seilbahnstütze der Welt
215 Meter in der Luft. Kein Geländer, kein fester Boden unter den Füßen – nur eine kleine Plattform aus Stahl und rund herum Himmel. Das war der Arbeitsplatz von Elmar Röck in den letzten Wochen. Der Dornbirner ist Seilbahntechniker bei Doppelmayr. Seine Einsätze führen ihn regelmäßig auf die höchsten und spektakulärsten Stützen der Welt – zuletzt nach Vietnam. Ein Gespräch über Schwindelfreiheit, Sicherheit und Weltrekorde.

214,8 Meter über dem Boden: Wie fühlt sich das an?
Elmar Röck: Mittlerweile ist das für mich gar nicht mehr so spektakulär. Man gewöhnt sich an die Höhe. Ich war ja schon sehr oft sehr weit oben – aber anfangs geht das natürlich an die Nerven. Da ist man in einer ganz eigenen Welt. Du spürst jeden Windstoß anders, und die Menschen unten sind nicht mehr zu erkennen. Nur noch ein Teppich aus Farben. Klar, man hat Respekt – aber das große Kribbeln legt sich. Nach den ersten 40, 50 Metern macht es ehrlich gesagt keinen Unterschied mehr, ob man auf 100 oder 200 Metern steht. (lacht)
Schwindelfreiheit ist wohl Voraussetzung?
Elmar Röck: Natürlich. Und ein gesundes Vertrauen in sich selbst – und in die Ausrüstung. Ohne das geht’s nicht.

Wie kommt man überhaupt da hoch?
Elmar Röck: Es gibt tatsächlich eine Treppe oder Leiter an jeder Stütze. Schließlich muss man bei Stromausfall oder im Notfall ja auch irgendwie hoch und runter kommen. Normalerweise fahren wir aber wie alle anderen auch mit der Gondel. Wobei: Nicht ganz wie alle anderen – denn wir sitzen nicht drin, sondern obendrauf. (lacht)
Wie bitte?!
Elmar Röck: Ja, tatsächlich. In der Talstation sitzen wir noch ganz normal drin. Sobald wir rausgefahren sind, klettern wir obendrauf – das geht nur draußen, sonst wäre es zu gefährlich. Oben hält die Gondel dann direkt an der Stütze, und wir steigen weiter hoch bis zur Plattform.
Oben ist nicht der Ort für Zweifel.
Elmar Röck
Seilbahntechniker bei Doppelmayr
Gab es auch schon mal den Ernstfall, dass ein Kollege während des Einsatzes gemerkt hat: Ich kann doch nicht mit dieser Höhe umgehen?
Elmar Röck: Ja, das ist schon vorgekommen. Das kann sogar erfahrenen Kollegen passieren. Es ist eben nicht jeder Tag gleich und manchmal geht es gerade einfach nicht. Das ist auch nicht schlimm. Wichtig ist nur – und das sagen wir auch immer allen Mitarbeiter:innen – dass man es früh genug kommuniziert, bevor es weit oben auf der Stütze zu gefährlichen Situationen kommt. Oben ist nicht der Ort für Zweifel.

Du warst in Vietnam auf der weltweit höchsten Seilbahnstütze. Das war aber nicht der einzige Rekordhalter, den du erklommen hast.
Elmar Röck: Nein, auch an der längsten Seilbahn der Welt habe ich gearbeitet – ebenfalls in Vietnam: 7.900 Meter lang. Dort war ich auch auf jener Anlage, die zur damaligen Zeit den größten Höhenunterschied weltweit überwunden hat. Inzwischen hat sie die Zugspitzbahn übertroffen, mit 1.945 Metern.
Und ihr bewegt euch nicht nur auf Stützen, sondern auch auf Seilen?
Elmar Röck: Richtig. Die Plattformen, auf denen wir arbeiten, sind etwa einen Quadratmeter groß. Da ist Konzentration gefragt – nichts für Zartbesaitete. Aber solche Einsätze macht man auch nicht gleich, wenn man in diesem Beruf startet.

Apropos Beginn: Wie bist du zu dem Job gekommen?
Elmar Röck: Ich habe eine Lehre zum Schlosser gemacht, damals noch in meiner Heimat Tirol. Im Jahr 2008 bin ich dann nach Dornbirn gezogen und bei Doppelmayr eingestiegen. 2015 war mein erster Einsatz auf Montage, also direkt auf den Stützen. Heute bin ich im technischen Kundendienst, arbeite öfter im Büro – aber alle paar Monate darf ich trotzdem wieder rauf.
Plötzlich stiegen zwei Männer mit Maschinengewehren in unseren Bus.
Elmar Röck
Seilbahntechniker bei Doppelmayr
Und du kommst dabei ganz schön herum. Wo warst du schon überall?
Elmar Röck: Das sprengt fast den Rahmen. (lacht) Vietnam, China, Südkorea, Aserbaidschan, Georgien, Israel, Saudi-Arabien, Nepal, Griechenland… ich vergesse sicher ein paar Länder.

Sind dir bei so vielen Einsätzen und Ländern manche besonders in Erinnerung geblieben?
Elmar Röck: Oh ja – ganz besonders gleich mein erster Auslandseinsatz. (lacht) Das war in Pakistan. Die Gegebenheiten dort sind eben andere als bei uns und Doppelmayr hat deshalb gegenüber dem Kunden dort vorausgesetzt, dass wir als Crew immer zu 100 Prozent sicher sein müssen. Nach der Landung sind wir direkt in den Kleinbus, der uns abholte. Wir sind aus dem Flughafengelände gefahren und plötzlich wurde der Bus gestoppt, zwei Männer mit Maschinengewehren stiegen ein. Kein Wort. Wir dachten zuerst an das Schlimmste – bis uns klar wurde: Das waren unsere Sicherheitskräfte. Sie waren da, um uns zu beschützen!

Wie ging es weiter?
Elmar Röck: Die beiden sind die ganze Zeit bei uns geblieben. Und sie haben uns nicht nur beschützt – sie haben angefangen, unser Werkzeug zu tragen. Da konnten wir sagen, was wir wollten, sie haben darauf bestanden, uns zu helfen. Alle Menschen, die wir dort getroffen haben, auf der Baustelle oder abseits, waren unglaublich freundlich zu uns.

Dann seht ihr bei euren Einsätzen also mehr vom Land, als nur die Baustelle?
Elmar Röck: Ich nehme mir bei jedem Einsatz Zeit dafür. Ich frage die Einheimischen, wo man hin sollte – nicht die typischen Touri-Tipps. In Pakistan war ich in einem kleinen Dorf, begleitet von unseren Sicherheitsleuten. Die Kinder dort haben mich bestaunt, als wäre ich von einem anderen Stern. Die Menschen hatten selbst so wenig – und waren trotzdem so gastfreundlich. Diese Armut, die ich dort gesehen habe – da lernt man wieder richtig zu schätzen, wie privilegiert man ist und wie gut man lebt. Solche Erlebnisse rücken einem den Kopf zurecht.
Es gibt sogar Gondeln nur für Ziegen.
Elmar Röck
Seilbahntechniker bei Doppelmayr

Dein außergewöhnlichster Einsatz?
Elmar Röck: Schwer zu sagen. In Nepal habe ich an einer Bahn gearbeitet, die zu einem Tempel auf 1.300 Metern Höhe führt. Dieser Ort hat bei den Einheimischen eine ganz besondere Bedeutung: Es soll nämlich Glück bringen, dort oben eine Ziege zu opfern. Deshalb gibt es dort ganz eigene Gondeln für den Ziegentransport. Und in Israel war ich an zwei sehr besonderen Seilbahnen: Die eine führt 223 Meter unter den Meeresspiegel – zum tiefstgelegenen See der Welt. Die andere ist nur 100 Meter lang.

2018 warst du auch bei den Olympischen Spielen in Südkorea. Was macht man da als Seilbahntechniker?
Elmar Röck: Wir waren vor Ort, um sofort eingreifen zu können, falls etwas passiert. Die Athlet:innen und die Organisationscrew mussten ja täglich viele Male per Seilbahn zu den Schanzen und Starthäusern hoch. Unvorstellbar, wenn mitten während der Olympischen Spiele die Seilbahn streiken würde und die Sportler:innen nicht zum Start kommen! Schiefgegangen ist tatsächlich nichts, aber wir hatten eine spektakuläre Zeit: Wir durften uns ja im gesamten Gebiet – bis auf die Starthäuser – frei bewegen. Und so standen wir dann gerade einmal fünf, sechs Meter von den Top-Athlet:innen entfernt, wenn sie in die Piste gestartet sind oder direkt vor uns in der Halfpipe ihre Tricks gemacht haben.

Bei so vielen Auslandseinsätzen und Ländern, die du schon gesehen hast: Wo würdest du noch gern einmal arbeiten?
Elmar Röck: Ich mag den asiatischen Raum. Dort habe ich schon vieles gesehen, Japan aber noch nicht. Wir haben demnächst wohl auch einen Einsatz dort. Aber tatsächlich hoffe ich, dass nicht ich diesen Auftrag bekomme, sondern mein Kollege. Er ist nämlich ein riesiger Japan-Fan und ich würde es ihm so sehr gönnen, dorthin zu reisen.
Und wenn du – in Japan oder woanders – wieder ganz oben auf einer Stütze stehst, was denkst du dann?
Elmar Röck: Manchmal gar nichts. Es ist ruhig dort oben, fast meditativ. Und manchmal denk ich: Wahnsinn, was wir da bauen. Man steht mitten in der Luft – und alles hält.