22.12.2025
Arbeit
Im Dienst, damit andere mit ihren Familien Weihnachten feiern können
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Wer am 24. Dezember arbeitet, tut das meist freiwillig. Denn auch in der Heiligen Nacht müssen vielen Serviceleistungen reibungslos funktionieren. Wir haben vier Menschen an ihren Arbeitsplätzen besucht.
Aus dem Inhalt
Fiorella del Carmen ist ein weihnachtlicher Mensch. Wenn Ihnen dieser Tage im Rheintal ein gelber Bus begegnet, der glitzert und leuchtet und aus dem Kindergesang ertönt, dann brauchen Sie nicht nach einer versteckten Kamera zu suchen: Fiorella sitzt am Steuer. Das tut sie aus Leidenschaft.
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Vor Jahren fuhr die ehemalige Verkäuferin in ihrem Fiat 500 hinter einem Autobus. Am Heck prangte der Schriftzug „Werde Busfahrerin“. Zu Hause fiel ihr längst die Decke auf den Kopf, denn als Mutter von drei Kindern hatte sie ihre Arbeit aufgegeben. Also bewarb sie sich. War der Sprung vom Kleinwagen zum Bus nicht gewaltig? „Oh doch“, ruft sie und rollt die Augen. „Die Straßen sind eng, der Bus ist riesig. Aber mit der Zeit gewöhnst du dich daran. “ Heute sagt ihr Mann sogar: „Du parkst mit dem Bus besser ein als mit dem Auto. “
Hat sie eine Lieblingsroute? Nein – ob Lindau, Hohenweiler oder Koblach, sie ist überall zuhause. Besonders gerne fährt sie Schulkurse. „Ich habe wahnsinnig viel Spaß mit den Kindern“, bekräftigt sie, die alle Fahrgäste ohne Unterschied freundlich begrüßt und verabschiedet und für die Kleinen immer einen Lutscher zur Hand hat. „Wie Du in den Wald hineinrufst, kommt es heraus“, zitiert sie ein Sprichwort, das auch in ihrer alten Heimat Gültigkeit hat. Fiorella kam in der Dominikanischen Republik zur Welt. Hier hat man sich mit den verschiedenen Einflüssen von außen arrangiert: „In der Haupstadt Santo Domingo bringt das Christkind die Geschenke, in meiner Heimatstadt Moca kommt der Weihnachtsmann.“
In Fiorellas Bus verschmelzen alle Einflüsse. Tritt sie dieser Tage ihren Dienst an, bringt sie in einer großen Einkaufstasche die Dekoration mit: Den leuchtenden Christbaum, ein glitzerndes Reh, den Weihnachtsmann, das Christkind, und wenn sie sich ihr Rentiergeweih in die schwarzen Haare gesteckt hat, kann es losgehen. Kein Wunder, dass die Kinder aus voller Kehle mit der Fahrerin unlängst „feliz navidad“ geträllert haben.
Trotzdem macht Weihnachten sie manchmal traurig. „Weißt Du, ich seh’ all die Spenden und wie die Menschen jetzt großzügig sind. Aber ich denke mir: Die Armen haben das ganze Jahr über nichts zu essen oder zum Anziehen, kein Spielzeug.“ In diesen Augenblicken wandern ihre Gedanken zu ihren Eltern, die nicht reich sind, aber an deren Tisch auch die Nachbarn willkommen sind.
Oberstabswachtmeister Maximilian Partsch verbringt die Heilige Nacht auf der Krankenstation der Walgaukaserne. © Markus Koppitz, Österreichisches Bundesheer
Auf dem Posten, auch wenn die Betten leer sind
Es streicht ein kalter Wind an den Gebäuden der Walgaukaserne entlang. Hier also wird Oberstabswachtmeister Maximilian Partsch die Nacht vom 24. auf den 25. Dezember verbringen. Partsch ist diplomierter Krankenpfleger und Sanitätsunteroffizier. Das Jägerbataillon 23 hat seine zentrale Bettenstation in der Walgaukaserne. 21 Betten stehen bereit. Aber auch, wenn am 24. Dezember niemand eingeliefert wird, muss Partsch auf Station sein. Falls was passiert, man weiß ja nie.
„Soldaten, die erkrankt sind, dürfen nicht nach Hause geschickt werden. Sie werden in der Bettenstation gepflegt, bis sie wieder gesund sind.“ Auch für Vorarlberger Grundwehrdiener, die in einer anderen österreichischen Kaserne ausgebildet werden und auf Heimaturlaub erkranken, gilt das. „Während ihres Präsenzdienstes sind sie beim Bundesheer versichert, da haben wir eine Obsorge-Pflicht.“
Wer die Weihnacht in der Kaserne beschreiben will, kommt am Wort nüchtern nicht vorbei. Es gibt keine gemeinsame Feier, „Ich darf die Krankenstation auch nicht für längere Zeit verlassen. Jeder versieht Dienst in seinem Bereich.“ Partsch geht am Abend in die Kantine essen und holt den Patienten die Menage. Ansonsten schaut vielleicht der Offizier vom Tag auf eine Schale Kaffee vorbei. Das war’s dann schon. Partsch ist das gewohnt. Er leistet drei bis vier Journaldienste im Monat. Dann kommen die Nachtdienste in Feldkirch noch dazu, denn Partsch ist außerdem Kommandant des Roten Kreuzes in der Montfortstadt.
Dass er hauptberuflich Soldat werden will, war ihm schon mit 14 Jahre klar. Sein Firmpate trug auch Uniform. 2011 hat Maximilian Partsch sich verpflichtet. Hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine ihn ins Grübeln gebracht? Eher bestärkt, würde er sagen und sieht den Soldatenberuf als Berufung, „denn wegen dem Geld macht man das nicht“.
Patricia Federer und Simone Altmann (r) auf der Station im Hospiz am See: Auch die Gäste sind am 24. Dezember „besonders“, das hat Simone schon mehrfach erfahren. © Thomas Matt , AK Vorarlberg
„Das hat etwas Heiliges“
Die große Tanne im Park breitet weit ihre Zweige. Ihre Lichter tauchen das Hospiz am See in warmes Licht. Hier wird Simone Altmann die Heilige Nacht verbringen. „Meine Familie lebt in Oberösterreich“, sagt die Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. „Also hab’ ich mich entschlossen, nicht allein zu sein, sondern den Heiligen Abend mit den Menschen hier herinnen zu verbringen.“ Das Hospiz am See liegt nahe beim Bregenzer Kloster Mehrerau. Hier finden Menschen, deren Erkrankung unheilbar und schon weit fortgeschritten ist, ein letztes, liebevolles Zuhause.
Simone Altmann leitet das Pflegeteam. Am 24. Dezember beginnt ihr Dienst um 16 Uhr. Aber sie wird schon eine Stunde früher auf der Station sein. Denn im Gemeinschaftsraum feiern Pflege, Ehrenamtliche, die Gäste und Angehörige gemeinsam mit Caritas-Seelsorger Wilfried Blum die Christmette. „Das ist meine Heilige Messe, die ich genieße.“ Ist sie ein frommer Mensch? „Ja“, sagt Simone Altmann ohne Umschweife, und sie erzählt von der ganz besonderen Stimmung, die am Heiligabend das Hospiz erfüllt. „Das hat etwas Heiliges.“ Auch die Gäste sind an diesem Tag „besonders“. Sie gehen tiefer in sich. „Für viele ist es das letzte Weihnachtsfest.“
Am Abend senkt sich dann Müdigkeit über die Zimmer. Die vielen Eindrücke fordern ihren Tribut. Familien haben sich noch einmal sehr zusammengenommen. Die Gäste haben versucht, wach und aufmerksam zu bleiben. Jetzt aber wird es still. „Ich feiere gerne Weihnachten im Hospiz am See“, unterstreicht Simona Altmann. Auch ihr Lebensgefährte ist diese Nacht im Dienst als Anästhesist am Landeskrankenhaus Feldkirch. „Unser gemeinsamer Weihnachtstag ist der 25. Dezember.“ Da gehen die beiden Skifahren. „Dann sind die Pisten leer.“
Was wünscht sie sich denn zu Weihnachten? Da muss Simone nachdenken. „Ich hab gar keine materiellen Wünsche“, sagt sie. „Aber was ich mir wünsche, ist, dass wir alle gut im Dialog bleiben und weiter das Gespräch suchen.“ Und für sich wünscht sie sich gar nichts? „Ein bisschen mehr Zeit für mich selbst wär’ schon fein.“
Für Corina Albrecht ist Weihnachten ein sehr ruhiger Dienst. Alle Bewohner:innen des Kaplan Bonetti Hauses erhalten auch Weihnachtsgeschenke. Ein Duschgel, Haarshampoo, eine Kappe, ein Schal. © Thomas Matt, AK Vorarlberg
„Für viele eine voll schwierige Zeit“
Im Kaplan Bonetti Haus nahe am Dornbirner Bahnhof leben zurzeit 97 Menschen, darunter 20 Frauen. Corina Albrecht leitet seit drei Jahren die „Kaplan Bonetti Wohnprojekte GmbH“. Die Weihnachtsfeiertage verbringt sie großenteils vor Ort. Hier stranden unterm Jahr fast 400 Menschen, die nicht mehr weiterwissen. Sie haben ihren Job verloren, sind obachlos, kommen in der Gesellschaft nicht mehr klar, sind aus der Haft entlassen, weggewiesen worden, süchtig… Hier erhalten sie ein Zimmer in einer Sucht akzeptierenden Einrichtung der Wohnungslosenhilfe.
Der Neubau mit dem breiten Aufgang wirkt licht und einladend. Vor Weihnachten sind alle Zimmer belegt, nur im dritten Stock, der Frauen vorbehalten ist, stehen noch Räume leer. Es muss dennoch niemand fürchten, abgewiesen zu werden. „Wir finden immer eine Lösung“, bekräftigt Albrecht. Dass alle hier in finanziellen Nöten stecken, macht ihre Vermittlung in den Wohnungsmarkt schwer. „Wer sagt, er komme aus dem Kaplan-Bonetti-Haus, hat seine Chance meist verspielt.“ Viele Vermieter akzeptieren Albrecht zufolge anstelle einer Kaution in Bar auch keine Behördengarantie. Verstehen kann sie das nicht. „Schließlich zahlt niemand sicherer als die BH."
„Unser ältester Bewohner ist derzeit 88, der Jüngste 18 Jahre alt.“ Das Haus hat Regeln. „Die Haupttüre bleibt von Mitternacht bis 05:30 Uhr verschlossen.“ Den Nachtdienst rausklingeln ist ein No-Go. „Auch ein gewisses Maß an sozialer Verträglichkeit verlangen wir.“ Die Hygienestandards sind „sehr weit gefasst“. Das heißt? Die Zimmer sollten zumindest keine potenzielle Gefahr bedeuten, wenn jemand anders sie betritt.
Den Aufenthalt bezahlt großenteils der Sozialfonds des Landes. Den jeweiligen Eigenerlag berechnet die BH. Pensionisten etwa müssen 80 Prozent ihrer Rente beisteuern, was oft für Unmut sorgt.
Corina Albrecht hat Politikwissenschaften studiert und in der Flüchtlingsbetreuung der Caritas gearbeitet. Auf dem Freundes- und Bekanntenkreis tönt regelmäßig die Frage: Was tust Du Dir da an? Dann entgegnet sie: „Nirgendwo wirst Du ehrlicher behandelt als hier herinnen. Wenn die Leute ein Problem mit Dir haben, sagen sie es direkt.“ Ihre tägliche Herausforderung ist, „menschlich bleiben, aber nicht jede einzelne Geschichte an Dich herankommen lassen“.
Am Weihnachtsabend serviert die Küche Wiener Schnitzel und Kartoffelsalat, danach gibt es Weihnachtskekse. Der 24. Dezember ist „ein sehr ruhiger Dienst“, obwohl es „eine voll schwierige Zeit ist für ganz viele“. Im Speisesaal machen Geschichten von früher die Runde. Es ist hübsch dekoriert. Weihnachtsmusik erklingt. „Es gibt Geschenke für jeden.“ Viel ist es nicht: Ein Duschgel, Haarshampoo, eine Kappe, ein Schal. „Eine Damenrunde strickt das ganze Jahr über für uns,“, erzählt Corina. Einige Bewohner werden von ihren Familien zum Essen eingeladen. Da drückt die Heimleitung dann ein Auge zum, wenn es etwas später wird. Andere kommen nicht einmal zum Abendessen aus ihren Zimmern. „Da schauen wir dann nach.“ Gottesdienst wird keiner mehr angeboten. „Die Nachfrage war nicht so groß.“ Ist Alkohol ein Thema? „Sagen wir, der Pegel steigt an diesem Abend wie in jedem anderen österreichischen Haushalt.“
Nach dem Abendessen, „wenn die ersten sich zurückziehen“, geht auch Corinna Albrecht nachhause zu ihren Eltern. „Bei uns gibt’s Raclette.“ Aber spät wird es nicht. Denn am 25. Dezember um 06:45 Uhr übernimmt Corina Albrecht den Tagdienst im Kaplan Bonetti Haus.
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