Ein Geldschein und Münzen liegen auf einer Gehaltsabrechnung.
Lohnnebenkosten sind tatsächlich eine gute Sache für Arbeitnehmer:innen – wir erklären, wieso. © benjaminnolte, Adobe Stock
17.7.2024
Soziales

LohnnebenKOSTEN oder eigentlich LohnnebenLEISTUNGEN? 7 Fakten, die du wissen musst

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Lohnnebenkosten – das klingt doch wie etwas, das man bezahlen muss, aber von dem man herzlich wenig hat. Dabei stimmt das ganz und gar nicht! Denn es handelt sich dabei um wichtige Beiträge zum Sozialstaat, die alle Menschen bei Krankheit, Unfall und im Alter absichern sowie Familien unterstützen. Sie zu kürzen ist gar keine gute Idee.

In diesem Beitrag:

#1: Was sind eigentlich Lohnnebenkosten?

Die Lohnnebenkosten sind Abgaben, die dein Arbeitgeber von deinem Gehalt an den Staat abführt. Verwendet werden diese Gelder großteils zweckgebunden für verschiedene Leistungen des Sozialstaats – weshalb man oft auch von Sozialstaatsbeiträgen spricht. Konkret sind das etwa Beiträge zur Kranken-, Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung. In der Summe gehen derzeit knapp 30 Prozent deines Bruttolohns an den Sozialstaat, zu unterschiedlichen Anteilen:

SozialstaatsbeitragDienstnehmeranteil vom Brutto.ohn*
 Dienstgeberanteil vom Bruttolohn*
Nutzen für Beschäftigte
Pensionsversicherung10,25 % 12,55 %
Pension
Krankenversicherung3,87 %
3,78 %
Gesundheitsversorgung und Krankengeld
Arbeitslosenversicherung2,95 %
 2,95 %
Arbeitslosengeld und Qualifizierung
Unfallversicherung-
1,10 %
Versorgung bei Unfällen
Insolvenz-Entgelt-Fonds-
 0,10 %
Lohnzahlung bei Pleite des Arbeitgebers
Abfertigung-Vorsorgekasse-
1,53 %
Anspruch auf Abfertigung
Wohnbauförderungsbeitrag0,50 %
 0,50 %
Leistbare Wohnungen
Familienlastenausgleichsfonds-
3,90 %
Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Freifahrt, Schulbücher usw.
Kommunalsteuer3,00 %
 -Schulen, Kindergärten, öffentlicher Verkehr, Abwasser u.v.a. Gemeinde-Services
* sofern keine lohngestaltenden Vorschriften vorliegen

#2: Ist doch klar, dass ich nicht will, dass so viel von meinem Gehalt „draufgeht“ – oder?

Zugegeben, Freudensprünge macht wohl kaum jemand, wenn er:sie sieht, welche Summe Monat für Monat vom Bruttogehalt abgezogen wird und dass in der Regel deutlich weniger Nettogehalt übrig bleibt. Aber man darf dabei nicht vergessen, dass dieses Geld ja nicht einfach so dahin ist. Im Gegenteil: Es fließt in einen Topf (bzw. in verschiedene Töpfe), aus denen man selbst später oder im Fall des Falles wiederum Geld vom Staat bekommt – nämlich beispielsweise wenn man arbeitslos wird, krank ist oder in Pension geht. Es gibt also oft eine direkte Gegenleistung. Lohnnebenkosten sollten deshalb eigentlich Lohnnebenleistungen heißen. Man könnte auch sagen: Du sparst für später, ohne aktiv daran denken zu müssen, jeden Monat Geld zur Seite zu legen.

Und: Es zahlen alle ein. Somit hilft jeder jedem. 

#3: Klingt doch super – was haben Arbeitgeber denn dagegen?

Dein Arbeitgeber sieht das alles naturgemäß aus einer anderen Perspektive: Er muss dir ein Gehalt zahlen. Und obendrauf muss er auch noch die Lohnnebenkosten an den Staat zahlen. Würden diese Sozialbeiträge gesenkt, müsste er weniger ausgeben (denn dein Gehalt würde ja nicht automatisch steigen). 

Unternehmen bezeichnen oft alle Ausgaben, die nicht direkt den Umsatz und Gewinn erhöhen, als Nebenkosten. Diese Sichtweise ist jedoch ungenau. Bezahlter Urlaub ist für sie eine Ausgabe, die nicht direkt auf ihr Bankkonto einzahlt. Allerdings dient er der Erholung und langfristigen Produktivität der Beschäftigten – und steigert also im Nachhinein, praktisch über Umwege, wiederum den Umsatz und Gewinn. 

#4: Warum ist das Kürzen der Lohnnebenkosten gar keine gute Idee?

Kritiker:innen der Lohnnebenkosten behaupten oft, dass es die Beschäftigten entlasten würde, wenn sie weniger Sozialstaatsbeiträge zahlen müssten. Das mag auf den ersten Blick stimmen – schließlich bliebe vom Brutto mehr Netto übrig. Doch die vermeintliche Ersparnis rächt sich: Nämlich dann, wenn man bei einem Jobverlust weniger Arbeitslosengeld oder im Alter eine geringere Pension bekommt. 

Und nicht zu vergessen: Wir leben in einem Sozialstaat – das heißt, jeder hilft jedem. Würden alle Beschäftigten plötzlich beispielsweise weniger Kommunalabgaben zahlen, würden unsere Schulen, Kindergärten und Straßen plötzlich ganz schön alt aussehen, weil weniger Geld da wäre, um sie in Stand zu halten. Und mit weniger Geld für die Wohnbauförderung, würden (noch) weniger leistbare Wohnungen gebaut.

Ein Mann liegt verletzt am Boden.
Im Fall des Falles ist man froh über die Unfallversicherung. © 1st footage, Adobe Stock

Außerdem haben die Unternehmen gar nicht so sehr das Wohl der Arbeitnehmer:innen im Blick, wie sie behaupten: Studien zeigen, dass niedrigere Arbeitgeberbeiträge nicht bei den Beschäftigten ankommen, sondern die Unternehmensgewinne steigern. Dies verursacht massive Budgetlücken im Sozialstaat. Wenn der Staat diese Lücken ausgleicht, tragen die Arbeitnehmer:innen die Hauptlast, da sie den Großteil des Staatshaushalts finanzieren. Andernfalls drohen Kürzungen bei Sozialleistungen. So wirkt eine Senkung der Lohnnebenkosten letztlich wie ein trojanisches Pferd: Arbeitnehmer zahlen doppelt, während die Arbeitgeber profitieren.

Ökonomisch gesehen sind die Lohnnebenkosten auch wichtig: Würden sie gekürzt oder abgeschafft, müsste sich jede:r selbst um diese Leistungen kündigen. Aber Versicherungen funktionieren nur, wenn eine möglichst große Zahl an Menschen einzahlt. Niemand weiß, ob er:sie arbeitslos oder krank wird oder einen Unfall haben wird. Es wäre unmöglich, den richtigen Betrag als Ersparnis beiseite zu legen. Ist der Betrag zu gering, habe ich bei Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Unfall ein Problem. Ist er zu hoch, fehlt er mir für den Konsum, Unternehmen würden weniger verkaufen, weniger Menschen anstellen und wir würden weniger verdienen. Wie würden wir Kindergärten oder Schulen finanzieren? Und seien wir ehrlich: Wer würde freiwillig einzahlen, wenn er:sie bei der Nutzung am Ende nicht ausgeschlossen werden kann? Gleiches gilt für eine Insolvenz. Diese Abgaben machen daher auch aus volkswirtschaftlicher Perspektive Sinn: Sie helfen, diese so wichtigen gesellschaftlichen „Leistungen“ zu finanzieren, da dies privat zu Marktversagen führen könnte.

#5: Wer will wo was kürzen?

Unternehmen, Industrie und Politik diskutieren über Kürzungen bei den Beiträgen zum Familienlastenausgleichsfonds und zur Arbeitslosenversicherung. Die möglichen Folgen sind:

  • Weniger Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld für Eltern in Karenz
  • Geringeres Arbeitslosengeld und schnelleres Abrutschen in die Armut nach Jobverlust

Aber das sind noch gar nicht die einzigen möglichen Konsequenzen. Es könnte in weiterer Folge zu längeren Wartezeiten auf Arzttermine und Operationen kommen oder dazu, dass  im Spital künftig Ambulanzgebühren erhoben werden. Gemeinde-Kindergärten, -Schulen und öffentlicher Verkehr müssten möglicherweise mit weniger Geld auskommen.

#6: Woher weiß man, was bei Kürzungen passiert?

Ganz einfach: Weil man es schon gesehen hat. In den letzten Jahren haben Arbeitgeber nämlich bereits mehrfach Kürzungen der Sozialstaatsbeiträge durchgesetzt, was Löcher in die Unfallversicherung und in die Familienkassen gerissen hat. Insgesamt fehlen jetzt knapp 1,7 Mrd. Euro pro Jahr – oder 7,3 Mrd. seit Beginn der Kürzungen 2016. Dringende Maßnahmen, wie z. B. die Anerkennung neuer Berufskrankheiten, konnten nicht umgesetzt werden.

#7: Was will die Arbeiterkammer?

„Wir als Arbeiterkammer stellen uns entschieden gegen alle Kürzungen der Lohnnebenkosten“, stellt AK Präsident Bernhard Heinzle klar. „Denn in Wirklichkeit handelt es sich bei den Lohnnebenkosten um Lohnnebenleistungen: Die Beschäftigten profitieren von den Beiträgen zum Sozialstaat. Und auch die gesamte Volkswirtschaft des Landes baut darauf auf. Sie zu kürzen würde den Arbeitnehmer:innen schaden und das System schwächen. Profitieren würde nur die Arbeitgeberseite.“ Anstatt die Lohnnebenkosten zu senken, sollten die Regierenden lieber sicherstellen, dass es auch überall zu den Lohnnebenleistungen kommt, erklärt der AK Präsident. „Schließlich zahlt jede:r Beschäftigte in die Wohnbauförderung ein – dann sollen aber auch tatsächlich leistbare Wohnungen damit geschaffen werden. Garantieren würde das eine längst überfällige Zweckbindung der Wohnbauförderung.“ Was die Beiträge zum Sozialstaat angeht, ist für AK Präsident Bernhard Heinzle jedenfalls klar: „Hände weg von den Lohnnebenkosten!”

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