Eine Frau mit lockigem Haar sitzt an einem Schreibtisch und arbeitet an ihrem Laptop.
Digitalisierung oder Automatisierung – die technologische Entwicklung war die Voraussetzung, damit Arbeit und Vergnügen als Einheit überhaupt denkbar wurden. © Christina Morillo, Pexels
31.8.2024
Arbeit

Vom Pflichtgefühl zum Vergnügen: Brauchen wir ein neues Verständnis von Arbeit?

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Das alte Sprichwort „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“ sitzt tief in unserer Arbeitskultur. Und der Glaube an seine ungebrochene Aktualität bestimmt, wie wir über Arbeit denken. Doch wäre Arbeit, die bereits Vergnügen ist, nicht eine bessere Alternative?

Erst die Arbeit, dann… Die meisten Menschen vervollständigen diesen Satz wie aus der Pistole geschossen. Kein Wunder, denn das alte Sprichwort ist in der Kultur vieler Gesellschaften tief verankert. Es bringt zum Ausdruck, dass harte Arbeit und Pflichterfüllung der notwendige Vorlauf sind, bevor man sich dem Vergnügen und der Entspannung widmen kann. Es steht für eine von Disziplin geprägte Arbeitsmoral, die jahrhundertelang die Grundlage für wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung war.

Arbeit in Zeiten der KI-Revolution

Ist diese strikte Trennung des Notwendigen vom Angenehmen noch zeitgemäß? Drängt sich in einer sich wandelnden Arbeitswelt, in der Work-Life-Balance, ein gutes Arbeitsklima und die Suche nach beruflicher Erfüllung immer wichtiger werden, nicht eine provokante Frage auf: Warum nicht Arbeit, die ein Vergnügen ist? Ein anderes Szenario: Was machen wir, wenn uns als Gesellschaft die Arbeit doch ausgeht – eine Frage, die seit den jüngsten Umbrüchen in der KI-Revolution als Frage wieder gestellt wird? 

Die historische Perspektive: Arbeit als Mühsal

Historisch betrachtet, war Arbeit lange Zeit mit körperlicher Anstrengung, Gefahr und meistens auch Ausbeutung verbunden. Vor der industriellen Revolution war sie nichts anderes als harte körperliche Anstrengung, die notwendig war, um das Überleben zu sichern. 

Arbeit und Vergnügen: Früher unvereinbar

Niemand wäre in dieser Zeit auf die Idee gekommen, in der Arbeit ein Vergnügen zu sehen. Arbeit und Vergnügen strikt voneinander zu trennen, war damals nicht nur sinnvoll, es war schlichtweg nicht anders möglich, weil Arbeit eben kein Vergnügen war!

In der Zeit der industriellen Revolution erfüllte das Sprichwort weiterhin seine Funktion als arbeitsethischer Leitfaden. Lange Arbeitszeiten waren die Norm, es galt in den Fabriken durchzuhalten und sich – wenn überhaupt – auf ein erhofftes Vergnügen nach Feierabend zu freuen.


Die moderne Arbeitswelt: Ein Wandel im Verständnis

Und wo stehen wir heute? Sind wir weiter? Wie geht es uns beim Gedanken an vergnügliche Arbeit? Können wir uns diese überhaupt vorstellen: Ist es Arbeit, wenn es Spaß macht? 

Veränderte Arbeitsbedingungen

Die Bedingungen der Arbeit haben sich stark verändert. Körperliche Anstrengung ist in vielen Berufen dem geistigen oder kreativen Aufwand gewichen. Mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung ist es möglich geworden, in Berufen zu arbeiten, die nicht nur ein Einkommen sichern, sondern auch Chancen auf persönliche Erfüllung bieten. Wenn also die Arbeit bereits das Vergnügen ist – warum auf den Feierabend warten?

Und was bedeutet die KI-Revolution für diese Entwicklung? Während die Automatisierung und Digitalisierung viele Aufgaben erleichtert und neue, erfüllende Arbeitsfelder geschaffen hat, bringt Künstliche Intelligenz neue Herausforderungen mit sich: Was tun, wenn immer mehr Aufgaben von Maschinen übernommen werden und die Arbeit in traditionellen Berufen ausgeht? Auch das könnte eine Folge der KI sein: Dass wir unser Verständnis von Arbeit völlig neu gestalten müssen.


Arbeit und Vergnügen: Eine Frage der Einstellung?

Die Art und Weise, wie wir Arbeit betrachten und gestalten, hat sich grundlegend verändert. In diesem Wandel liegt eine mögliche Antwort auf die Frage, warum Arbeit und Vergnügen im Vergleich zu früher heute auch eins sein können. Mit Betonung auf „können“, denn viele haben nach wie vor keine Alternativen zu Jobs, die anstrengend, ausbeuterisch und womöglich auch noch gefährlich sind.

Sinnvolle Arbeit: Wo die Grenzen verschwimmen

Wenn wir eine Tätigkeit als sinnvoll empfinden und uns in ihr selbst verwirklichen können, verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Vergnügen. Dieses Erleben deckt sich mit Theorien der positiven Psychologie: Wir sind dann am zufriedensten, wenn wir in unserer Arbeit aufgehen. Wenn wir völlig in eine Tätigkeit eintauchen, erleben wir sogenannte „Flow-Zustände“, in denen die Zeit wie im Flug vergeht. 

Eine positive Einstellung zur Arbeit ist dafür die Voraussetzung, sie reicht allein jedoch nicht aus. Entscheidend ist, dass die Arbeit selbst Erfüllung und Kreativität ermöglicht. Nur wenn Arbeit sowohl herausfordernd als auch bedeutungsvoll ist, kann sie tatsächlich eine Quelle des Vergnügens sein.

Die Risiken einer Vermischung

Ist, wer gerne arbeitet, also sprichwörtlich aus dem Schneider? Alle Arbeit ist gut, solange du vergnügt bist? So einfach ist es nicht. Wenn Arbeit immer Vergnügen sein soll, zeigen sich Schattenseiten. Der Druck, in der Arbeit stets persönliche Erfüllung zu finden, kann zur Überforderung werden und letztlich zu Unzufriedenheit führen. Ständige Verfügbarkeit und die Vermischung von Arbeit und Freizeit können zudem die Erholung erschweren und die Trennung von Privatleben und Arbeitsalltag aufheben.

Neues Paradigma: Arbeit als integraler Teil des Lebens

Die Idee der Arbeit, die Vergnügen bereitet, könnte eine neue Sichtweise begründen, in der Arbeit nicht mehr als notwendiges Übel, sondern als integraler Teil eines erfüllten Lebens betrachtet wird. Arbeit ist dann nicht mehr nur Mittel zum Zweck, sondern ein Weg, sich selbst zu verwirklichen – ohne dass durch die Aufhebung des Gegensatzes von Arbeit und Vergnügen die Lebensbereiche zu einer Einheit (einem Einheitsbrei) verschwimmen.

Fazit: Ein komplexes Zusammenspiel

Die Frage, ob Arbeit ein Vergnügen sein kann, ist nicht einfach zu beantworten, sie hängt von unzähligen Faktoren ab und viele Menschen kommen erst gar nicht in die Lage, sie mit ja zu beantworten. Für sie bleibt das alte Sprichwort bittere Realität. Doch die Chancen, Arbeitsbedingungen zu verbessern und Berufe so zu gestalten, dass sie mehr Freude und Erfüllung bieten, stehen heute besser denn je.


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