Gerald El-Noweim Betriebsrat im Landeskrankenhaus Rankweil
Gerald El-Noweim, Betriebsrat im Landeskrankenhaus Rankweil © AK Vorarlberg
23.9.2024
Arbeit

Betriebsrät:innen-Kolleg: Hochwertige Qualifizierung für Betriebsrät:innen

Arbeit,Betriebsrat,Bildung,Gewerkschaft,Interessenvertretung,Interview

Die Arbeiterkammern Vorarlberg, Tirol und Salzburg bieten Betriebsrät:innen mit dem Betriebsrät:innen-Kolleg ein hochwertiges Weiterbildungsangebot, dass sie fit für den Alltag als Arbeitnehmervertreter:innen macht.

Das Betriebsräte-Kolleg wurde vor zehn Jahren von den Arbeiterkammern Salzburg, Tirol und Vorarlberg ins Leben gerufen. Ziel war es, Betriebsrät:innen die Möglichkeit zu bieten, fundiertes Fachwissen für ihre Funktion in einem hochwertigen Lehrgang zu erwerben. Rund drei Monate lang wurden sie bis Juli in verschiedenen Bereichen auf den neuesten Stand gebracht. Neben Recht, Betriebswirtschaft, Kommunikation, Rhetorik und vielem mehr, steht immer auch eine Woche Medien- und Kameratraining in Vorarlberg auf dem Programm. Diese Gelegenheit haben wir genutzt, um mit einem Teilnehmer zu sprechen. Gerald El-Noweim ist seit zwei Jahren freigestellter Betriebsrat im Landeskrankenhaus Rankweil. Der 52-Jährige ist verheiratet und Vater einer Tochter (24) und eines Sohnes (27). 

Dein Name legt nahe, dass du eine Zuwanderungsgeschichte hast, ist das so?

Ja, mein Vater ist Ägypter und ist mit knapp zwanzig Jahren nach Österreich gekommen. Er hat in Graz Medizin studiert. Danach ist er nach Rankweil übersiedelt und hat als Anästhesist auf der Unfallchirurgie die Narkosen gemacht. Als dann das Landeskrankenhaus in Feldkirch Anfang der 1970er-Jahre eröffnet wurde, ist er dorthin gewechselt. 

Wo hat er deine Mutter kennengelernt?

In Graz. Meine zwei Geschwister und ich sind alle in Graz geboren worden, und ich war erst ein paar Monate alt, als wir 1972 nach Vorarlberg nachgekommen sind. 

Was für einen Beruf hast du ursprünglich gelernt?

Ich bin diplomierter psychiatrischer Gesundheits- und Krankenpfleger. Ich habe erst Matura gemacht und dann Geologie studiert, allerdings hat mir das nicht so zugesagt. Dann wollte ich eigentlich Medizin studieren, aber zuerst den Zivildienst hinter mich bringen. Den habe ich im LKH Rankweil gemacht, und irgendwie bin ich hier hängen geblieben. Die Psychiatrie war schon immer ein Steckenpferd von mir, und ich habe direkt nach dem Zivildienst mit der Krankenpflegeschule angefangen. 

Wie kommt man auf die Idee, Betriebsrat zu werden?

Grundsätzlich habe ich schon aus meinem Job einen sehr ausgeprägten sozialen Gedanken. Bevor ich Betriebsrat geworden bin, war ich 25 Jahre lang in der Pflege, sehr lange auch in der Abteilung für psychisch kranke Rechtsbrecher. Ich hatte den Wunsch nach etwas Neuem und habe mir viele Sachen überlegt. Gibt es für mich noch irgendwelche Karrieremöglichkeiten? Ich war lange im Ersatz als Betriebsrat, nicht als freigestellter, aber ich hatte immer viel und guten Kontakt in dieses Gremium hinein. Als Stationsleiter hat sich das auch ein bisschen „geschlagen“, diese Funktion hat ein bisschen verhindert, sich ganz einzubringen. Man sitzt da in der mittleren Führungsebene immer ein wenig zwischen den Stühlen. Aber irgendwann wurde wegen einer Pensionierung die Position als freigestellter Betriebsrat frei, und man ist an mich herangetreten, ob ich mir das vorstellen kann. Ich habe wirklich lange überlegt und bin zum Schluss gekommen, dass ich nach so langer Zeit auch etwas für unsere vielen Kolleginnen und Kollegen tun möchte. Wir haben in den Krankenhäusern, speziell seit der Pandemie, schwere Zeiten erlebt. Die Arbeitsbedingungen haben sich sehr verändert, wir waren sehr oft in den Medien, haben sehr unangenehme Dinge erlebt. Ich denke, da braucht es einen starken Betriebsrat, der die Mitarbeiter:innen ihrem Tun unterstützt, vermittelt und Krisen schlichtet. Aber ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt vor zwei Jahren gemacht habe. 

Vermisst du die Arbeit in der Pflege?

Natürlich gehen mir die Patientinnen und Patienten schon ab. Ich beschäftige mich immer noch gerne mit der Psychiatrie und unterrichte auch in Schloss Hofen die Spezialisierung forensische Psychiatrie für angehende Gesundheits- und Krankenpfleger. Auch das große Team, in dem ich gearbeitet habe, vermisse ich sehr. Jetzt im Betriebsrat sind wir ja nur noch zu zweit. Aber wir haben sehr viel Kontakt mit der Belegschaft; täglich kommen sicher zehn Leute mit ihren Anliegen zu uns. Wir sitzen aber auch nicht den ganzen Tag im Büro, sondern versuchen, aktiv in die Abteilungen zu gehen, um die Stimmung einzufangen und ins Gespräch zu kommen. Wichtig ist für uns, Lösungen zu suchen. Es nützt ja nichts, wenn man ständig nur kritisiert. Natürlich muss man der Führung ihre Verantwortung auch manchmal darlegen und sie auf bestimmte Dinge hinweisen, wenn es nötig ist, auch sehr unmissverständlich. Aber wir versuchen, sehr lösungsorientiert zu sein und ein Miteinander zu finden. 

Wie bist du aufs Betriebsräte-Kolleg aufmerksam geworden?

Durch meinen Betriebsratskollegen Arthur, der das Kolleg vor ein paar Jahren selbst gemacht hat. Ich habe auch mit anderen Betriebsrätinnen und Betriebsräten gesprochen, die diesen Lehrgang schon gemacht haben. Für mich war dann schnell klar, auch wenn ich die Gewerkschaftsschule schon gemacht habe, dass sich das rentiert. Wir müssen als Vertreter der Beschäftigten sehr sattelfest in vielen Bereichen sein. Gesetzliche Themen, Verhandlungsführung und vieles mehr. Wenn wir mit Verhandlungspartnern am Tisch sitzen, müssen wir auf Augenhöhe mitreden können, und es ist wichtig, Fachwissen und Routine zu zeigen. Das Letzte, was man will, ist sicher, dass man über den Tisch gezogen wird. Und dafür legt das Kolleg eine profunde Basis. 

Was lernt man im Kolleg?

Hauptthema ist naturgemäß das Arbeitsrecht, man setzt sich mit sehr vielen gesetzlichen und rechtlichen Themen auseinander. Auch betriebswirtschaftliches ist ein großer Teil, weil das für einen Betriebsrat auch wichtig ist, um das große Ganze zu verstehen. Und Dinge wie Verhandlungsführung, wie spricht man Probleme an, ohne gleich ein Klima der Konfrontation zu erzeugen, sind sicher die essenziellsten Inhalte. Teilweise ist das sehr viel Theorie, aber das braucht es eben auch. 

Was war aus deiner Sicht das Wichtigste, was du aus dem Kolleg mitgenommen hast?

Die größte Erkenntnis für mich war, dass ich noch richtig grün hinter den Ohren war und auch noch immer bin. Ich lerne immer noch jeden Tag dazu. Aber grundsätzlich habe ich ein Verständnis dafür aus diesem Lehrgang mitgenommen, wie wichtig Themen wie Betriebsratsarbeit, Gewerkschaften und auch die Arbeiterkammern grundsätzlich sind, gerade wenn man es gesellschaftspolitisch betrachtet. Auch diesen ökonomischen Kreislauf zu verstehen, der die Wirtschaft antreibt, ist immens wichtig für Interessenvertretung. Nur wenn man über den Tellerrand hinausschaut und sieht, wie die Dinge verknüpft sind, kann man als Betriebsrat versuchen, entgegenzuwirken und die Dinge zu beeinflussen. Auch die Vernetzung, die sich durch diese Monate ergibt, ist ein großes Glück. Wir hatten sehr viele wirklich hochkarätige Vortragende und Dozent:innen, die auch immer vermittelt haben, dass wir in Kontakt bleiben können, wenn Fragen auftauchen. Natürlich ist die Arbeiterkammer auch immer ein guter erster Ansprechpartner, aber es gibt Spezialthemen, wo ich weiß, da hatte ich mal einen guten Vortragenden, der sehr vertieft im Thema ist, und dann kann ich zum Telefon greifen und anrufen. 

Habt ihr innerhalb der Gruppe auch nach dem Lehrgang noch Kontakt?

Ja, wir sind sprichwörtlich nicht aus den Augen, aus dem Sinn. Wir haben noch eine aktive WhatsApp-Gruppe, und durch die vielen verschiedenen Branchen und Bereiche, aus denen alle kommen, kann man sich da sehr fruchtbaren Input holen. 

Wenn du einen Werbeslogan für das Betriebsräte-Kolleg erfinden müsstest, wie würde der lauten?

So ohne lange nachzudenken, würde ich vielleicht sagen: „Auf das Beste hoffen, auf das Schlimmste vorbereitet sein“. Ich bin immer sehr hoffnungsvoll in meiner Tätigkeit, aber ich weiß auch, dass man gut daran tut, sich auch auf die unangenehmen Dinge vorzubereiten und sich zu wappnen. Und das deckt das Kolleg wirklich gut ab, weil es Sicherheit und Standfestigkeit vermittelt, die unsere Funktion wirklich braucht. 

Wenn du einem angehenden Betriebsrat oder einer Betriebsrätin nur einen Rat geben könntest, wie würde der lauten?

Ich finde es grundsätzlich schon mal großartig, wenn sich jemand dafür interessiert, weil es ein ganz, ganz wichtiges Thema ist. Wenn jemand zu mir käme, würde ich ihm gern Kontakte vermitteln, wo er sich über die Aufgaben und Anforderungen informieren kann. Ich habe durch die Kolleginnen und Kollegen im Lehrgang aufgezeigt bekommen, dass wir eine sehr wichtige Funktion haben. Wir können helfen und unterstützen. Viele Mitarbeiter sind allein oft nicht mutig genug, um für ihre Anliegen einzutreten. Da sorgen Betriebsrät:innen in vielen Fällen für Verbesserungen. Und wo wir selbst nicht mehr weiterwissen, kennen wir Experten, die sich der Sache annehmen. Sei es von der Arbeiterkammer, der Gewerkschaft oder meinem neuen Netzwerk, das ich beim Betriebsräte-Kolleg knüpfen konnte.

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