Innovative Arbeitszeitmodelle können ein Gewinn sein – auch für Arbeitnehmer:innen, die darauf angewiesen sind oder sich mehr Flexibilität wünschen. Entlastung geht damit nicht automatisch einher. Oft heißt es: Das volle Programm in weniger Tagen.
Im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte setzen auch Vorarlberger Unternehmen zunehmend auf flexible Arbeitszeitmodelle. Zwei davon sind die Zirbenbetten-Manufaktur Koje und die Haberkorn GmbH, Österreichs größter technischer Händler. Beide haben sich für eine neue Arbeitszeitverteilung entschieden.
Gearbeitet wird gleichviel
Die Mitarbeiter:innen der Koje in Bludenz arbeiten auf vier Tage verteilt 37 Stunden. Bei Haberkorn in Wolfurt gibt es nach einem Pilotversuch die 4-Tage-Woche in der Logistik – auf freiwilliger Basis. Gearbeitet wird gleichviel wie zuvor: 38 Stunden pro Woche. Mit der 4-Tage-Woche haben beide Unternehmen positive Erfahrungen gemacht. Auch die Mitarbeiter:innen sind zufrieden.
Wie flexibel bin ich wirklich?
4-Tage-Woche, das klingt nach weniger Arbeit. Man sollte Arbeitszeitflexibilisierung jedoch nicht mit Arbeitszeitverkürzung verwechseln. Dominic Götz von der AK Vorarlberg betont in der Sendung Vorarlberg heute, dass Flexibilisierung nicht automatisch zu einer Entlastung der Arbeitnehmer:innen führt. Entscheidend ist: Kann ich flexibel über meine eigene Arbeitszeit bestimmen oder muss ich mich nach den Vorgaben des Arbeitgebers richten? Davon abgesehen: Mit echter Arbeitszeitverkürzung hat beides nichts zu tun.
Zeit für echte Arbeitszeitverkürzung
Die 4-Tage-Woche als Instrument der Flexibilisierung versucht, Arbeitnehmer:innen (vermeintlich) noch produktiver zu machen. Wir haben uns längst eine 4-Tage-Woche mit echter Arbeitszeitverkürzung (32h) erarbeitet und verdient: Seit der letzten generellen Arbeitszeitverkürzung im Jahr 1985 (Reduktion auf 38,5 Stunden in vielen Branchen) ist die Produktivität um mehr als 70% gestiegen. Höhere reale Löhne oder kürzere Arbeitszeit haben wir aber nicht bekommen. Vollzeitbeschäftigte arbeiten heute, wie das Momentum Institut in seinem Blogbeitrag „Wer profitiert vom Fortschritt? Arbeitszeit und Produktivität“ schreibt, in Österreich im Schnitt 42,3 Stunden pro Woche. Die Wunscharbeitszeit der Österreicher:innen liegt mit 31 Stunden pro Woche deutlich darunter.
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Es geht auch anders
An der Arbeitszeitverkürzung führt auch in Österreich über kurz oder lang kein Weg vorbei. Dafür werden Digitalisierung, der demografische Wandel und der Fachkräftemangel in belastenden Sozial- und Gesundheitsberufen sorgen. Andere gehen hier bereits voran. In Spanien startet im Herbst in rund 200 Unternehmen eine dreijährige, vom Staat subventionierte Pilotphase für die 32-Stunden-Woche. Zwischen 3000 und 6000 Arbeitnehmer:innen werden davon profitieren. In Schottland laufen mehrere Pilotprojekte für eine echte 4-Tage-Woche. In Japan haben haben mehr als 2000 Arbeitnehmer:innen von Microsoft am Freitag frei – bei vollem Lohn. Obwohl dadurch die Arbeitszeit um 20 Prozent gesunken ist, stieg die Produktivität sogar um 40 Prozent. Auch in Österreich gibt es Unternehmen, die auf echte Arbeitszeitverkürzung setzen. Zu ihnen zählt eMagnetix in Oberösterreich: Das Online-Marketing-Unternehmen konnte keine neuen Fachkräfte finden – bis es 2015 die 30-Stunden-Woche eingeführt hat.
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