Nach 17 Jahren als AK Direktor verabschiedet sich Rainer Keckeis in die Pension.
Nach 17 Jahren als AK Direktor verabschiedet sich Rainer Keckeis in die Pension. © AK Vorarlberg
24.06.2023
Soziales

„Du musst auch hartnäckig sein!“ – AK Direktor Rainer Keckeis nimmt Abschied

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Mit AK Direktor Rainer Keckeis tritt eine markante Persönlichkeit ab. Vor Pensionsantritt lässt er Weggefährten und Ereignisse Revue passieren. Für die Zukunft wünscht er sich wieder einen stärkeren Grundkonsens  in der Gesellschaft.

Interview: Anja Förtsch, Thomas Matt

In diesem Beitrag:


„Nicht immer ein Kuschelkurs“ – Interview mit Rainer Keckeis

Rainer, Du hast 1986 als Leiter der Öffentlichkeitsarbeit bei der AK angefangen – das macht 36 Jahre in der Institution und ganz nah dran an den Arbeitnehmer:innen im Land. Was ist dir aus all der Zeit besonders im Gedächtnis geblieben? Welche Begebenheiten, Menschen, Themen sind unvergessen?

Rainer Keckeis: Besonders mein Verhältnis zu AK Präsident Josef Fink. Wir haben gemeinsam das Modell Abfertigung Neu entwickelt. Es hat über zehn Jahre gedauert vom Papier bis zum Gesetz. Leider ist es dann schlechter herausgekommen, als wir wollten. Wir hatten einen Beitragssatz von 2,5 Prozent im Auge, geworden sind es dann nur 1,53. Und selbstverständlich denke ich auch an meinen Vorgänger Heinz Peter, von dem ich viel lernen durfte. Als ich angefangen habe in der AK, war gerade der Zahnärztekonflikt eine große Geschichte. Im Konsumentenschutz häuften sich damals die Beschwerden, weil Zahnärzte noch zusätzlich Geld für die Kassenleistungen haben wollten. Da ist ein Riesenwirbel entstanden. Als die VGKK dann auf elektronische Verrechnung umgestellt hat, kamen schwarze Schafe zum Vorschein, also Ärzte, die z. B. Zähne angeblich plombiert haben, die sie drei Wochen vorher gerissen hatten… Das Ergebnis war, dass wir in Vorarlberg Zahnambulatorien bekommen haben.
Und dann kam es Anfang der 1990er Jahre natürlich zur EU-Annäherung Österreichs. Niemand im Haus wollte sich darum kümmern. Also wurde ich EU-Referent, und hab in St. Gallen EU-Recht studiert. Das war eine extrem spannende Phase.

Rainer Keckeis mit Alt-AK-Präsident Josef Fink
Rainer Keckeis mit Alt-AK-Präsident Josef Fink © AK Vorarlberg


In all den Jahren wurden Themen wie leistbares Wohnen zu Dauerbrennern. Die Probleme werden nicht kleiner, im Gegenteil: Die Wohnsituation ist für viele Arbeitnehmer:innen heute eine sehr große Sorge. Die Zuständigen scheinen zu wenig zu unternehmen, trotz ständiger Mahnungen und Forderungen. Frustriert das nicht? Wie hast du dabei die Zuversicht behalten?

Keckeis: Also beim Thema Wohnen kann man uns wirklich nicht vorwerfen, dass wir erst jetzt draufkommen. Wir haben die Probleme immer angeprangert, aber die Politik hat nur die Interessen der Bauwirtschaft verfolgt. Zum Teil ist das schon frustrierend. Aber, wir haben auch schöne Erfolge erzielt. Und wenn man nur Erfolge hätte, wäre es doch auch langweilig! Dass etwa der Konsumentenschutz für alle Vorarlberger Einwohner zugänglich wurde, war ein großer Fortschritt. Das Land hat das ermöglicht. Die Rechtsanwaltskammer hat uns damals geklagt und durch alle Instanzen verloren.

Seit 2006 bist Du Direktor der AK Vorarlberg. Gleicht die Arbeit eines AK Direktors dem Bohren dicker Bretter?

Keckeis: Du musst schon hartnäckig sein und lästig. Und Du schaffst dir nicht nur Freunde.

Du musst schon hartnäckig sein. Und Du schaffst dir nicht nur Freunde.

Rainer Keckeis

AK Direktor 2006 - 2023


Für deine Rechte

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Wird dir das „anecken“ fehlen?

Keckeis: Interessenspolitik ist nicht immer ein Kuschelkurs, dabei bin ich an sich ein harmoniebedürftiger Mensch. Nun ist es so, dass in Vorarlberg alle von ihrem Stand her gesehen werden: Unternehmer sind die Götter, dann kommen die Kirche und die Bauern, dann die Arbeitnehmer. Aber jetzt, wo man die Arbeitnehmer wieder mehr braucht, wird sich das vielleicht ändern.

In den Medien wurdest du durchaus auch mal als „Unbequemer“ bezeichnet. Hand aufs Herz: Macht die Bezeichnung auch ein bisschen stolz?

Keckeis: Ja sicher. Man ist ja auch eitel.

AK Vizepräsidentin Josefine Winkler mit Rainer Keckeis
AK Vizepräsidentin Josefine Winkler mit Rainer Keckeis © AK Vorarlberg



Eines Deiner großen Themen war das Pensionssystem. Vermutlich hat man Dir als Jugendlichem auch gesagt: Du kriegst dereinst einmal nichts mehr. Heute gehst Du selber in Pension. Das System ist stabil. Schenkt das Genugtuung?

Keckeis: Sehr große sogar. Als die Finanzkrise herrschte, was haben da die Experten nicht alles vorausgesagt: Alles wird zusammenbrechen, es wird schrecklich! Oder die Neos, die nur die Interessen der Versicherungswirtschaft verfolgen… Mich hat immer besonders geärgert, dass die Lasten so ungleich verteilt sind. Die Bauern zahlen fast nix und kriegen viel. Bei den Unternehmern zahlt der Staat die Hälfte. Die Beamten bedeuten eine riesige, wenn auch allmählich kleiner werdende Belastung. Aber die zwei Millionen Arbeitnehmer:innen, die zahlen sich ihre Pensionen praktisch selber. 

Die ganze Öffentlichkeitsarbeit hat sich seit Deinem ersten Arbeitstag massiv verändert, Stichwort Digitalisierung, neue Medien. Würdest Du heute noch einmal in dem Beruf anfangen wollen?

Keckeis: Ich wollte ja ursprünglich gar nicht zur Kammer, sondern mich mit einer Werbe- und PR-Beratung selbstständig machen. Den Gewerbeschein hatte ich schon in der Tasche. Aber das Arbeiten in einer Interessensvertretung ist wahnsinnig spannend. Es hat sehr viel mit den Problemen der Leute zu tun. Was die moderne Technik anlangt, die heute angewendet wird – das versteh’ ich tatsächlich nicht mehr. Aber letztlich geht es doch seit je her um Emotionen, um Themen…

Auch den Weg auf die Straße scheute Rainer Keckeis nicht, wie hier mit AK Präsident Bernhard Heinzle.
Auch den Weg auf die Straße scheute Rainer Keckeis nicht, wie hier mit AK Präsident Bernhard Heinzle. © AK Vorarlberg


AK bedeutet gelebte Sozialpartnerschaft. Wer war denn Dein verlässlichster Ansprechpartner „auf der anderen Seite des Tisches“?

Keckeis: Für mich persönlich? Der ehemalige Wirtschaftskammerpräsident Manfred Rein, der hatte Handschlagqualität! 

Wenn Du auf Deine 17 Jahre als AK Direktor zurückblickst: Was waren für Dich die bedeutendsten Veränderungen, innerhalb der AK, aber auch gesamtgesellschaftlich? Und welche größten Herausforderungen siehst du aktuell für die nächsten Jahren?

Keckeis: Innerhalb der Kammer war es richtig, dass wir die Ausrichtung auf Service sehr verstärkt haben. Bei aller Interessenspolitik – die Leute wollen eine Lösung, wenn sie ein Problem haben. Heute ist das Geschäft freilich komplexer geworden, die Menschen sind auch schwieriger. 

Die vergangenen drei Jahre waren für alle problematisch und was die Zukunft bringt, weiß niemand. Schaust Du dennoch zuversichtlich in die Zukunft? 

Keckeis: Die ganze Welt ist heute ein mediales Dorf. Darum verlaufen die Diskussionen auch so aufgeheizt. Jedes Wetterereignis wird in Sekunden übertragen und ist schon ein Drama. Das macht etwas mit den Menschen: Entweder werden sie radikal oder sie sagen, es interessiert mich alles nicht mehr. Und doch bin ich zuversichtlich. Die Weltuntergangstypen, die gab es immer schon. Aber keine ihrer Prophezeiungen ist eingetreten. Ich bin überzeugt: Unsere Gesellschaft ist gut gebildet, sie wird auch Lösungen finden.

Ein langjähriges Team: Alt-AK-Direktor Rainer Keckeis und Alt-AK-Präsident Hubert Hämmerle.
Ein langjähriges Team: Alt-AK-Direktor Rainer Keckeis und Alt-AK-Präsident Hubert Hämmerle. © AK Vorarlberg


Was wünscht Du Dir für die AK und für die Arbeitnehmer:innen?

Keckeis: Dass es wieder einen stärkeren Grundkonsens gibt in der Politik. Derzeit läuft alles auf Extreme hinaus, von Neofaschisten bis zu den Kommunisten. Früher gab es eine starke Mitte. Das ist vielleicht nicht unbedingt sexy aber das Beste für das Allgemeinwohl. Den Urgedanken der Sozialpartnerschaft, den würde ich mir für die Politik wieder wünschen. Für die AK wünsche ich mir hohe Beschäftigtenzahlen und dass unser Serviceweg stärker ausgebaut wird. Vom ersten Lohnzettel bis zum Pensionsbescheid sollten Arbeitnehmer „serviciert“ werden, so wie eine All-in-Versicherung.

Wie muss man sich Deine Pensionierung denn konkret vorstellen? Was wird Dein definitiv letzter Akt sein? Schlüssel abgeben und „Aus“? 

Keckeis: Ja sicher. Am Freitag, 30. Juni, hab ich um 15 Uhr meinen letzten Termin bei LR Marco Tittler, und dann ist Schluss.

Welche Pläne hast du für die Pension? Dein Vorgänger Heinz Peter hat noch Mal studiert, bei Dir war von Ausland die Rede…

Keckeis: Ich werde mich voraussichtlich längere Zeit in einem südlichen Land niederlassen.

Ein Mann, der in die Kamera blickt


Lebenslauf Rainer Keckeis

  • HTL Matura, verschiedene Speziallehrgänge und Masterstudium Universität Krems
  • 1986 Eintritt in die Arbeiterkammer Vorarlberg 
  • 1986 – 2006  Leitung der Öffentlichkeitsarbeit bei der AK Vorarlberg 
  • 1996 – 1997  EU-Ratssekretariat in Brüssel in der Abteilung Bildung und Kultur der Generaldirektion 
  • 1991 stellvertretender Direktor der AK Vorarlberg
  • 2005 – 2022 Stadtrat Feldkirch 
  • 2006 Direktor der AK Vorarlberg – einstimmig zum Nachfolger von Heinz Peter gewählt 
  • seit Juni 2013 Mitglied des Landesstellenausschusses Vorarlberg der Pensionsversicherungsanstalt
  • 2015 – 2018 Obmann-Stellvertreter Pensionsversicherungsanstalt


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„KliNaWo“ – ein ausgezeichnetes Umwelt- und Bauprojekt

Auch in Hinblick auf das Bauen hat Rainer Keckeis wesentliche Weichen für die Zukunft gestellt: Er trieb das Projekts „KliNaWo“ voran, das gemeinsam mit Vogewosi, Energieinstitut Vorarlberg sowie Uni Innsbruck durchgeführt wurde.

Ziel des Projekts war es, die Diskussion um Energieeffizienz und Kosten zu versachlichen. Dabei fand die Arbeit nicht nur auf dem Papier statt: In Feldkirch Tosters wurde ein dreigeschossiges Mehrfamilienwohnhaus mit 18 Wohneinheiten und großem Gemeinschaftsraum errichtet. Der Umstand, dass das Projekt an einem gemeinnützigen Wohnbau durchgeführt wurde, zeigt, dass auch bei knapperem Budget hohe Effizienz und Nutzung erneuerbarer Energien möglich sind. Dabei wurde letzlich nicht die – wie so oft üblich – günstigste Variante gebaut, sondern jene mit den niedrigsten Lebenszykluskosten.

Entstanden ist schließlich ein Gebäude mit einer Hülle in Passivhausqualität, eine Abluftanlage sowie je eine Sole-Wärmepumpe für Heizung und für Warmwasser sowie eine thermische Solaranlage mit Heizungsunterstützung. 

Es ging aber nicht nur rein um bauliche Punkte, sondern auch um soziale: In dem Haus wird ein Augenmerk auf eine gute soziale Durchmischung und Vermeidung von Ghettoisierung gelegt. Außerdem werden die Wohnungen mit einem Mietkaufmodell angeboten, bei dem die Bewohner die Wohnungen nach zehn Jahren erwerben können. 

Das Projekt wurde 2021 mit dem NaWo-Award für die nachhaltigsten Wohnprojekte in Österreich ausgezeichnet.

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