Das Bild zeigt ein altes Werbeplakat für Unterwäsche, ein Mann trägt darauf zwei Frauen in Unterwäsche unter dem Arm.
Rollenbild aus den Siebzigerjahren, das bis heute wirkt: Der Mann präsentiert die Frauen als passive Objekte – und die Werbung nennt das „trägt sich gut“. © Wirtschaftsarchiv Vorarlberg, Othmar Motter
30.12.2025
Konsum

Der Griff daneben: Sexismus in der Werbung von 1955 bis heute

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Werbung soll verlocken. Doch was einst als harmlos galt, war schon ­damals verletzend. Ein Rückblick auf sexistische Stereotype in der ­Werbung – und wie sie bis heute ­nachwirken.

Ein Handabdruck auf dem Hintern, dazu ein koketter Blick – was heute empört, galt 1955 in Vorarlberg als flotter Witz. Ein Rauchfangkehrer dringt in einen privaten Bereich ein, trifft eine halbnackte Frau und nutzt die Situation mit Selbstverständnis aus. Die Botschaft: Ihr Körper in dieser Wäsche ist so unwiderstehlich, dass kein Mann sich zurückhalten kann.

Tragbare Frauen, tragender Mann

Auch Jahrzehnte später bleibt dieses Muster ­bestehen: Auf einem Schaufenstersteher des Textil­unternehmens Wolff aus den 70er- und ­frühen 80er-Jahren sehen wir einen Mann in Unter­wäsche, der zwei Frauen unter dem Arm trägt. Frauen als Accessoires, ­Männer als Macher, das ist die Rollenverteilung, die hier verkauft wird. Die Bild­sprache beschönigt Dominanz und und macht die Frauen zu Objekten – harmlos verpackt, aber gesellschaftlich wirksam.

Baumstamm der Begierde 

Das alles ist Vergangenheit? Leider nein, das Muster ist nach wie vor lebendig. Hier ein aktueller Fall: Eine Firma aus Niederösterreich, die im Bereich der Baumpflege aktiv ist, wirbt auf ihren Firmenfahrzeugen mit einer Frau, die mit blauen Lippen und laszivem Blick einen Baumstamm küsst. Eine Mutter berichtet, wie ihre vierjährige Tochter beim Anblick des Fahrzeugs ausruft: »Mama, schau – eine nackige Frau!« In ihrer Beschwerde beim Österreichischen Werberat kritisiert die Mutter die Darstellung als herab­würdigend, sexualisiert und völlig inhaltsfremd. Immerhin: Das Unternehmen reagiert und stellt die Werbung ein.

Freiwillig und folgenlos – seit 1974

Das Bild zeigt ein historisches Werbeplakat. Zu sehen ist eine gezeichnete Frau in einer langen Unterhose, auf dem Gesäß ist ein schwarzer Handabdruck.
Ein Handabdruck auf dem Gesäß – ein „guter Griff“, der keiner ist. Werbeplakat aus dem Jahr 1955. © Wirtschaftsarchiv Vorarlberg, Othmar Motter

Seit 1974 gibt es in Österreich die Selbstregulierung, die diskriminierende Werbung verhindern soll. Ein ­kurzer Blick auf die Website des Werberates zeigt ein ernüchterndes Bild. Dort finden sich unter ­»Aktuelle Beschwerden« 117 Fälle geschlechterdiskriminierender Werbung – das sind 23 Prozent aller Beschwerden, also beinahe jede vierte Beschwerde. Fast jede Woche wird ein neuer Fall gemeldet. Das zeigt, dass das System der Selbstregulierung nicht funktioniert – es bleibt bei ­Appellen, rechtliche Konsequenzen gibt es keine. Dabei hat sich Österreich mit dem Beitritt zur UNO-Frauenrechts­konvention (CEDAW) im Jahr 1982 verpflichtet, stereotype Geschlechterrollen aktiv zu bekämpfen – auch in der medialen Darstellung. Werbung, die Frauen auf ihr Äußeres reduziert oder ­Männer als dominante Norm ­inszeniert, widerspricht ­diesem Auftrag. Während Länder wie Frankreich, ­Norwegen oder Island gesetzlich gegen sexistische ­Werbung vorgehen, setzt Österreich weiterhin auf freiwillige Kontrolle. Doch wenn Diskriminierung öffentlich sichtbar bleibt – ­reichen dann Appelle wirklich aus? Oder braucht es endlich Konsequenzen? Werbung kann verlocken, oft verletzt sie. Der Rückblick zeigt, wie tief die Rollen­bilder in der visuellen Kultur verankert sind. Die Beschwerden beim Werberat zeigen, dass sich daran kaum was ändert. Was in den Schaufenstern geduldet wird, wirkt weiter. Auch in der Arbeitswelt, wo Rollenbilder die Wahrnehmung von Macht und Respekt prägen.

Wenn Verlockung zur Verletzung wird

Sexualisierte Darstellungen in der Werbung gelten als ­diskriminierend, wenn sie

  • keinen sachlichen Bezug zum Produkt 
  • oder zur Dienstleistung haben
  • Menschen auf ihre Sexualität 
  • reduzieren (z. B. durch entblößte Körper, suggestive Posen)
  • Geschlechterrollen ­verzerren oder verfestigen
  • die Würde verletzen (z. B. durch ­herabwürdigende oder objektifizierende ­Darstellungen)

Ihre Rechte bei Diskriminierung – die AK Vorarlberg steht Ihnen zur Seite. Wir beraten Sie vertraulich, prüfen Ihre Ansprüche und setzen uns gemeinsam mit Ihnen für Ihre Rechte ein.

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