Wir werden im Alter immer fitter, aber was hindert uns daran, die neuen Technologien zu erlernen? Tatsächlich ist Künstliche Intelligenz unsichtbar in unser aller Leben wirkmächtig und wird es immer mehr. Deshalb müssen alle – Alte und Junge – dringend mehr davon verstehen, fordert Univ.-Prof. Dr. Martina Mara.
Wir werden im Alter immer fitter, aber was hindert uns daran, die neuen Technologien zu erlernen? Tatsächlich ist Künstliche Intelligenz unsichtbar in unser aller Leben wirkmächtig und wird es immer mehr. Deshalb müssen alle – Alte und Junge – dringend me © Mikhail Nilov, pexels.com
20.8.2024
Bildung

Der Wunderwuzzi KI muss dringend gründlich entzaubert werden

Bildung,Fake,Gesellschaft,Künstliche Intelligenz,Wissen,Wissen fürs Leben

Wir wissen zu wenig. Die KI ist der Hype. Künstliche Intelligenz geht alle an. Und wir haben keine Ahnung. Und weil mit den gängigen Methoden an die Menschen nicht heranzukommen ist, fordert Univ.-Prof. Dr. Martina Mara vom ORF, „dass der Bergdoktor in der nächsten Staffel eine KI Assistentin datet“. Auf dass es beim Publikum endlich klingelt.

In diesem Beitrag

Mara ist Technik-Psychologin. Oder genauer: Seit 2018 ist sie Professorin für Psychologie der Künstlichen Intelligenz und Robotik am Linz Institute of Technology (LIT) der Johannes-Kepler-Universität Linz, das sie leitet. Ihre Forderung nach deutlich mehr Wissen über die KI stützt sie auf aktuelle Untersuchungen. „Wir haben zuletzt 3600 Personen in Österreich über ihre Digital Skills befragt: Nur 16,7 Prozent sagen: Ich weiß, was KI ist. Bei älteren Befragten und bei weiblichen sinkt der Wert noch weiter ab.“ Das empfindet Mara als „hochproblematisch“.

Verheißung oder Untergang

Dabei kann man den Medien keinen Vorwurf machen. „Die 42 reichweitenstärksten Medien Deutschlands veröffentlichen mittlerweile monatlich 1000 Artikel über KI.“ Aber der öffentliche Diskurs ist wenig aufklärungsgetrieben, sondern vor allem emotionsgetrieben. KI – das Kürzel steht in den Augen vieler für Verheißung oder Untergang.

Angst vor dem Monster?

Da verortet Mara einerseits die großenteils männlich dominierte Tech-Industrie, „die erfolgstrunken auf den Tischen tanzt“. Die KI wird alle unsere Probleme lösen, das glauben sie fest. Auf der anderen Seite liest sie in den Augen vieler den dystopischen Blick, diese lähmende Angst, dass das alles auf den ultimativen Kontrollverlust zusteuert, auf den Untergang unserer Spezies. Der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel bringt es an diesem letzten Tag der Salzburger Disputationes ganz persönlich auf den Punkt: „Ja, haben Sie denn nie Angst, dass uns das Monster eines Tages beherrschen wird?“ 

Ein Mann, der in die Kamera blickt


Regelrechte Vergötterung

Nein, hat sie nicht. Martina Mara glaubt auch nicht daran, dass uns eines Tages unfreiwillig Chips eingepflanzt werden, um den besseren Menschen zu schaffen. Auch sie nimmt „eine sehr starke Mystifizierung“ wahr. Die KI geistert als eine Art Zauberwesen durch die Gespräche, das plötzlich über uns kam. „Im Silicon Valley gab es tatsächlich eine „Church der KI“, in der die Künstliche Intelligenz regelrecht angebetet wurde."

Martina Mara glaubt nicht, dass die KI alle Probleme lösen oder die Welt in den Untergang treiben wird.
Martina Mara glaubt nicht, dass die KI alle Probleme lösen oder die Welt in den Untergang treiben wird. © Erika Mayer, Disputationes

Es braucht die Entzauberung

KI wird nach Ansicht Martina Maras „weder die große Problemlöserin sein noch den Untergang bringen wird“. Für sie ist entscheidend, dass wir rasch mehr Wissen in die Bevölkerung bringen. „Es braucht ganz dringend eine Entzauberung.“ Die breite Bevölkerung muss wissen, was das alles bedeutet. Nur so kann sie mitreden.

Der kleine Unterschied

Nun sagen manche: Ich habe den Taschenrechner und das Telefon auch nie verstanden und doch sinnvoll verwendet. Aber Mara zeigt rasch, wie sehr der Vergleich hinkt: Der Taschenrechner trifft keine Entscheidungsempfehlungen: Etwa: Ich empfehle diese teure Therapie nicht für diese Patientin. Die KI tut das. Das Telefon transportiert Sprache, aber es erzeugt sie nicht in Eigenregie.

„Die Welt besser machen“

Künstliche Intelligenz erklärt Mara noch immer am einfachsten anhand von gängigen Programmen wie Chat GPT von Open AI. Das Computerprogramm wird mit von Menschen gesammelten Daten, Texten, mit der ganzen Wikipedia, mit Filmuntertitel und mit allem, was Menschen so im Internet schreiben, gefüttert. Mara zeichnet das Bild von zehntausenden Computern, die in Island im Eis stehen, um einigermaßen heruntergekühlt zu werden. Was sie verarbeiten, ergibt einen Spiegel von uns. „Diese erlernten Muster kann die trainierte KI dann auf neue Situationen anwenden.“ Sie hat Chat GPT heute morgen noch gefragt: „Was ist Dein größter Wunsch?“ Und das Programm antwortete: „Die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“ Mara betont: Das ist die Antwort, die vermutlich am besten passend ist, nicht mehr. Antrainiertes Wissen. Die KI handelt ohne Verantwortung. Daran wird sich auch nichts ändern.

Brauchen Fähigkeit, kritisch zu hinterfragen

Aber die KI wird uns ähnlicher. 2023 hat Maras Institut an der Uni Linz in einer Studie hunderten Menschen von der Straße Dialoge zwischen KI und Menschen vorgeführt. Wie menschenähnlich wirkt die KI? „Im Durchschnitt haben die Probanden mit über 3 geantwortet.“

Für Mara untermauert das die These: „Je weniger die Menschen wissen, desto stärker schreiben sie der KI menschliche Züge zu.“ Deshalb brauchen Jung und Alt gleichermaßen dringend KI-Kompetenz: Ein Grundverständnis technischer Funktionen, die häufigsten Begriffe, die Fähigkeit, Entwicklungen kritisch zu bewerten.

Dass Programm wie Siri und Alexa übrigens ältere Menschen schlechter verstehen, hat nichts damit zu tun, dass die etwa nuschelten. „Nein, die KI wird ganz einfach mit viel zu wenig Sprachproben Älterer gefüttert.“ Wer die demografische Entwicklung ansieht, weiß deshalb, dass die Bedürfnisse der Älteren dringend einfließen müssen.

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