Dr. Anne Frey, Vizerektorin für Lehre und Unterrichtsforschung an der PH Vorarlberg
Dr. Anne Frey, Vizerektorin für Lehre und Unterrichtsforschung an der PH Vorarlberg © Jürgen Gorbach, AK Vorarlberg
16.09.2023
Bildung

Lehrermangel? Das sagt die Expertin!

Bildung,Familie,Gesellschaft,Jugend,Vorarlberg

Dem Land fehlen die Lehrer:innen. Doch warum eigentlich? Dr. Anne Frey von der PHV weiß, wo es mangelt – und was gegen Lehrermangel zu tun wäre.

Das Interview mit Dr. Anne Frey, Vizerektorin für Lehre und Unterrichtsforschung an der PH Vorarlberg, erscheint teils in der AK Zeitung AKtion und teils auf dem AK Blog. Den ersten Teil des Interviews, in dem Frey über die Berwerberzahlen an der PHV sowie über Quereinsteiger spricht und erklärt, warum die Schulen selbst die Lehrer:innenausbildung gefährden, ist in der AKtion vom September 2023 nachzulesen:

AKtion

Hier die AK Zeitung AKtion online lesen

In diesem Beitrag:

Das sagt Frey zur Lehrer:innen-Kampagne des Landes

Das Land ist zuletzt einen dritten Weg gegangen, um dem Lehrermangel zu begegnen: mit einer Kampagne, die Lehrpersonen aus dem Burgenland nach Vorarlberg ziehen sollte. Ist das Ländle für Lehrer:innen oder Studierende aus anderen Bundesländern überhaupt interessant, haben Sie Bewerber:innen?

Anne Frey: Wir haben sehr wenig Personen, die aus anderen Bundesländern zum Studieren zu uns kommen. Da kommen tatsächlich mehr Studierende aus der Schweiz, Liechtenstein oder Deutschland. Und auch nach dem Abschluss ziehen die meisten nicht etwa in andere Bundesländer. Im Moment sind das Einzelfälle, etwa wenn sie beispielsweise eine:n Kärntner:in kennengelernt haben und dorthin umziehen. Viel eher haben wir eine Konkurrenz mit der Schweiz und Liechtenstein, eben weil sie als Lehrkräfte dort deutlich mehr verdienen.

Die Wertigkeit des Lehrer:innenberufs muss wieder erhöht werden, findet Dr. Frey.
Die Wertigkeit des Lehrer:innenberufs muss wieder erhöht werden, findet Dr. Frey. © Jürgen Gorbach, AK Vorarlberg


Ist das aus Ihrer Sicht ein Punkt, der sich in Vorarlberg ändern müsste, um dem Lehrermangel zu begegnen: die Bezahlung?

Anne Frey: Ja, eindeutig. Und auch eine bessere Wertigkeit des Lehrer:innenberufs. Das betrifft aber nicht nur Vorarlberg, sondern ganz Österreich und auch Nachbarländer. Wenn ich das Gefühl habe, dass mein Beruf nicht angesehen ist, dass Lehrer:innen von allen Seiten kritisiert und herabgesetzt werden, dann ist das natürlich demotivierend. Andererseits wissen wir, dass gerade bei Lehrer:innen die idealistischen Motive eine ganz große Rolle bei der Berufswahl spielen. Pädagogisch arbeiten, Inhalte vermitteln, Kinder und Jugendliche ins Leben begleiten – das sind Vorstellungen und Motive, warum Menschen den Beruf wählen.  

Vom Traum- zum Albtraumberuf?

Dabei war Lehrer:in früher für viele ein Traumberuf. Warum hat dieses Bild von der Lehrer:in so verloren?

Anne Frey: Wir haben eine immer heterogenere Gesellschaft mit immer herausfordernderen Klassen und Kindern. Da sind wir auch wieder bei der Wertigkeit: Die Investitionen in die Bildung – und so wenige sind das nicht, Österreich leistet sich ein vergleichsweise anspruchsvolles Bildungssystem – werden teils nicht da eingesetzt, wo sie gebraucht werden. Es bräuchte etwa mehr Personal, auch unterstützendes Personal wie Schulsozialarbeiter:innen, Schulpsycholog:innen und Freizeitpädagog:innen. Diese Fachleute braucht man, um Ideen wie Ganztagsschule, inklusive Schule, gemeinsames Lernen von allen Kindern und Schule als Lebens- und Lernraum, umzusetzen­­­. Diese Dinge sind es ja, die diesen Beruf so schön und eben auch kreativ machen. In den Medien wird die Schule aber immer wieder nur zum Problemfall erklärt und Veränderungen, wie etwa mehr Heterogenität, werden als unüberwindbare Hürde dargestellt. Es gibt aber auf pädagogischer Seite ganz großartige Modelle, dem zu begegnen – wenn man denn die Ressourcen dafür hat. 

Die Investitionen sind da, sagt Dr. Frey, nur nicht an den richtigen Stellen.
Die Investitionen sind da, sagt Dr. Frey, nur nicht an den richtigen Stellen. © Jürgen Gorbach, AK Vorarlberg


Wenn die Investitionen doch aber da sind, wohin fließen sie denn stattdessen?

Anne Frey: Das ist der Knackpunkt. Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit eine große, wissenschaftliche Untersuchung. Sie zeigte klar die Vorteile der gemeinsamen Schule der 10- bis 14-Jährigen auf. Aus nicht nachzuvollziehenden Gründen ist aus der gemeinsamen Schule aber bis heute nichts geworden. Da verzweifelt man als Pädagog:in so ein bisschen. Es werden Entscheidungen getroffen, die aus wissenschaftlicher Sicht falsch sind. Bildung ist einfach kein dankbares Thema. Sich für die Bildung stark zu machen, bringt auf politischer Ebene wenig. 

Wie ist es in Sachen Ausstattung, gerade auch Digitalisierung?

Anne Frey: Betrachtet man ganz Europa, dann ist Österreich in Sachen Digitalisierung sicher gut auf Kurs. Aber natürlich geht immer noch mehr. Das wäre gerade auch für uns an der PH Vorarlberg wichtig, damit die Studierenden die Technik, mit der sie später an den Schulen arbeiten, auch schon im Studium kennenlernen. Was Inhalte angeht, sind wir aber sowohl an der PH als auch in den Lehrplänen an den Schulen sehr modern aufgestellt. Das ist auch eine der schönen Seiten des Berufs: Man lernt als Lehrer:in selbst nie aus. Da sich die Welt beständig weiterentwickelt, lernt man auch selbst immer dazu – vom ersten Tag des Studiums an, bis zu dem Tag, an dem man zum letzten Mal die Klassenzimmertür abschließt. 

Wie das Problem gelöst werden könnte

Wie könnte die Wertigkeit des Berufs wieder erhöht werden? Muss da auch in den Köpfen etwas passieren?

Anne Frey: Ich habe mich erst gestern mit einem Kollegen über das Thema unterhalten. In den Naturvölkern sind die Lehrer:innen ja die wichtigsten Mitglieder der Gesellschaft. Da kommen zuerst die Heiler:innen und dann die Erzieher:innen. Vielleicht sollten unsere Gesellschaft sich auch wieder stärker bewusst machen, wie wichtig Lehrer:innen sind. Ohne sie gibt es keine ausgebildeten Menschen in einer Gemeinschaft. Außerdem sollten sich Schulen selbst stärker als ein Teil des regionalen Bildungssystems begreifen, dem sie angehören – das heißt, mehr mit den vor- und nachgelagerten Institutionen wie Kindertagesstätten oder Berufsschulen zusammenarbeiten, statt sich als „Insel“ begreifen. Aber nicht nur mit anderen Schulen, sondern auch mit Vereinen und Einrichtungen wie Lerncafés. Es braucht einfach mehr Vernetzung. Da passiert schon viel, aber es darf noch mehr werden.  

Um abschließend eine Lanze für den Lehrer:innenberuf zu brechen: Warum ist er in ihren Augen trotz allem der schönste?

Anne Frey: Weil er ein sehr vielseitiger Beruf ist, bei dem man Kinder und Jugendliche auf ihrem Weg ins Leben begleitet, ihnen Werte und Inhalte vermitteln, mit ihnen durch Höhen und Tiefen gehen kann und – auch wenn es vielleicht etwas kitschig klingt – dazu beitragen kann, die Welt ein Stück besser zu machen.

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