Wer in die Suchmaske einer großen Fotoagentur „erschöpfter Arbeiter“ eingibt, erhält zig-tausende Ergebnisse wie dieses. Ist der Mensch echt? Nein, aber das sieht man nicht.
Wer in die Suchmaske einer großen Fotoagentur „erschöpfter Arbeiter“ eingibt, erhält zig-tausende Ergebnisse wie dieses. Ist der Mensch echt? Nein, aber das sieht man nicht. © KI, adobe.stock
6.8.2024
Bildung

Als Künstlerin macht die KI eine bemerkenswert lächerliche Figur

Arbeit,Bildung,Fake,Kultur,Kunst,Künstliche Intelligenz

Kann KI auch Kunst? „Nein“, sagt die Philosophin Catrin Misselhorn. Nicht jedenfalls in verantwortlicher Weise. Dass KI generierte Kunstwerke dennoch millionenfach den Markt überschwemmen, ist ein Unglück. Aber kann sich wehren. Ein wenig jedenfalls.

In diesem Beitrag

Die Philosophin Prof. Dr. Catrin Misselhorn unterrichtet seit 2019 am Philosophischen Seminar der Georg-August-Universität Göttingen. 2024 wurde sie zum ordentlichen Mitglied der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen gewählt. Sie lehrte schon in Stuttgart und Zürich, an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Tübingen. Sie beschäftigt sich mit philosophischen Problemen der KI, Roboter- und Maschinenethik. Zuletzt erschien ihr Buch „Künstliche Intelligenz – das Ende der Kunst?

„Seltsam vage und auch falsch"

Ist sie das? Bei den dreitägigen „Disputationes“ der Salzburger Festspiele wirkt die Frage existenzbedrohend. Deshalb schiebt Misselhorn auch gleich eine persönliche Erfahrung hinterher. Mit dem Team des Gewandhauses. Das Leipziger Konzerthaus von Weltruhm gab in einem Pilotversuch der Künstlichen Intelligenz kleinere Programmtexte zur Aufgabe auf. „Das Ergebnis fiel seltsam vage und teilweise auch falsch aus."

Das ändert nichts an der Tatsache, dass die generative KI schon heute so viel dazugelernt hat, dass ihre Kunstwerke kaum mehr von menschlichen zu unterscheiden sind. In der Fotografie etwa: Die KI flutet Medien und Agenturen mit Fotos, ohne, dass je ein Fotograf den Auslöser betätigt hätte. D. h. ganz stimmt das nicht: Die KI bedient sich millionenfacher Vorbilder, die sehr wohl menschlichen Ursprungs sind, aber das Urheberrecht ist ein anderes, wenngleich wenigstens so schmerzhaftes Thema. 

Ein Mann, der in die Kamera blickt


Gemälde erfolgreich versteigert

Mit Macht dringt die Künstliche Intelligenz auch in den Bereich der Kunst vor: Apps malen auf Knopfdruck Bilder verschiedenster Stil- und Kunstrichtungen, KI komponiert Sinfonien und Songs, Chatbots schreiben Gedichte. Das Porträt „Edmond de Belamy“ hat ein Computer-Algorithmus erschaffen. Beim Auktionshaus Christie's zahlte ein Interessent dafür knapp 400.000 Euro.

Was bedeutet das für die Kunstszene? Müssen Künstler aus Fleisch und Blut jetzt die Staffelei und das Dirigentenpult räumen? Müssen wir Kunst neu definieren? Wen oder was verstehen wir denn als Schöpfer von Kunst? Wie unterscheiden wir zwischen Original und Fälschung? Ist künstliche Intelligenz bald auch kreativer?

Catrin Misselhorn: „Ein Kunstwerk erfordert, dass jemand ästhetisch Verantwortung übernimmt.“ Die KI kann das nicht.
Catrin Misselhorn: „Ein Kunstwerk erfordert, dass jemand ästhetisch Verantwortung übernimmt.“ Die KI kann das nicht. © Michaela Greil, Erzdiözese Wien

KI trägt keine Verantwortung

Nein, das glaubt Catrin Misselhorn nicht. Sie konkretisiert den Begriff. Die KI kann „in gewissem Rahmen“ künstlerisch handeln, „aber sie tut das ohne Verantwortung“. „Sie hat weder Bewusstsein noch Willensfreiheit.“ Deshalb sind KI generierte Werke auch nicht copyright-fähig. „Ein Kunstwerk erfordert, dass jemand ästhetisch Verantwortung übernimmt“, postuliert Misselhorn.
 
An diesem Punkt sieht die deutsche Philosophin, die 2023 beim Philosophicum in Lech vorgetragen hat, die Möglichkeit für Kunstschaffende, „der KI ein Schnäppchen zu schlagen“. Kunst ist so viel mehr als jeder reproduzierende Prozess je zuwege bringt. Im übrigen wirft sie die Frage auf, ob uns denn für KI keine vernünftigere Spielwiese einfällt, als Kreativität nachzuahmen. Lägen in der Bewältigung der Klimakrise oder in der Medizin nicht viel sinnvollere Betätigungsfelder? Da nicken die Besucher:innen der „Disputationes“ und ein Schauer der Erleichterung geht durch den Saal.

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