
Innovative Schule in Vorarlberg: LBS Feldkirch mit POOL-Modell für Bildungsinnovation nominiert
Wie kann Schule gelingen – für Jugendliche, Lehrpersonen und die Gesellschaft? Die Landesberufsschule Feldkirch hat dafür ein eigenes Schulkonzept entwickelt. Das setzt auf Offenheit, Beziehung und Eigenverantwortung setzt. Für dieses innovative Modell ist die LBS Feldkirch nun für den renommierten ISB Stiftungspreis Bildungsinnovation nominiert. Im Interview erklärt Direktorin Dr. Barbara Bergmeister-Keckeis, warum ihre Schule neue Wege geht – und wie sehr sich das auszahlt
Vom klassischen Klassenzimmer zur Modellschule
Das ist die Vision der LBS Feldkirch
Frau Dr. Bergmeister-Keckeis, herzlichen Glückwunsch zur Nominierung! Was war das für ein Moment, als Sie erfahren haben, dass Ihre Schule unter den Top 5 ist?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Vizedirektor Thomas Kathan und ich waren ehrlich gesagt überrascht – schließlich haben sich 33 hochqualifizierte Schulen beworben. Dass wir unter die besten fünf gewählt wurden, macht uns sehr stolz. Wir haben die Nachricht sofort mit dem ganzen Haus geteilt: den Lehrpersonen, dem Sekretariat, dem Hausmeister und natürlich auch mit den Schüler:innen. Die Freude war überall spürbar – das war ein richtig schöner Moment.
So eine Nominierung ist ja auch eine starke Anerkennung für Ihre Arbeit.
Dr. Bergmeister-Keckeis: Absolut. Es zeigt, dass wir mit unserem Weg richtig liegen – und das ist bei uns tatsächlich ein besonderer Weg. Dass das nun auf dieser Ebene gesehen und gewürdigt wird, macht uns stolz. Und es motiviert, weiterzugehen.
Das ist das POOL-Modell
Wie positive Psychologie den Schulalltag verändert
Im Mittelpunkt steht Ihr Konzept POOL – also Positiv Orientiertes Offenes Lernen. Was genau ist damit gemeint?
Dr. Bergmeister-Keckeis: POOL ist ein ganzheitliches Schulkonzept, das wir an der LBS Feldkirch selbst entwickelt haben. Es geht weit über den Unterricht hinaus. Die drei Säulen sind: Personalentwicklung, Organisationsentwicklung und Lernentwicklung. Letztere bedeutet bei uns nicht nur, dass Schüler:innen von Lehrpersonen lernen – wir lernen alle voneinander: Lehrende, Verwaltung, Direktion und Schüler:innen. Die Grundlage bilden die Prinzipien der positiven Psychologie, kombiniert mit offenen Lernformen aus dem COOL-Modell. COOL steht für Cooperatives Offenes Lernen und ist ein reformpädagogischer Ansatz, bei dem Schüler:innen eigenverantwortlich, individuell und im Team arbeiten. Ziel ist es, Selbstständigkeit, Kooperationsfähigkeit und Motivation zu fördern. Dieses Zusammenspiel durchdringt bei uns die gesamte Schule.
„POOL ist ein ganzheitliches Schulkonzept, das wir an der LBS Feldkirch selbst entwickelt haben.“
DR. Barbara Bergmeister-Keckeis
Direktorin LBS Feldkirch
Seit wann arbeiten Sie mit diesem Ansatz?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Die Idee kam mir bereits 2011, als ich als Vizedirektorin an die Schule kam. Ab 2016 wurde es konkreter. Einen entscheidenden Impuls gab die Arbeiterkammer Vorarlberg: Sie hat uns finanziell unterstützt und damit ermöglicht, dass unsere Lehrpersonen eine Ausbildung in positiver Psychologie machen konnten. Bisher haben 45 Kolleg:innen diese Ausbildung abgeschlossen. Denn: Ein Konzept ist nur so stark wie die Menschen, die es tragen. Unsere Lehrpersonen leben dieses Denken vor – genauso wie wir in der Direktion und die Schüler:innen. Jeder ist Vorbild für den anderen.
Selbstverantwortung und Beziehung
Das ist der Schlüssel der LBS Feldkirch zur Bildungsinnovation

Das heißt, Ihre Lehrpersonen vermitteln nicht nur Fachwissen, sondern begleiten auch die persönliche Entwicklung der Jugendlichen?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Genau. Wir schaffen bewusst eine Atmosphäre, in der das Lernen als etwas Positives erlebt wird. Es gibt viele Maßnahmen, große wie kleine. Zum Beispiel haben alle Lehrlinge in der zweiten Klasse wöchentlich eine Stunde positive Psychologie. Und wir haben unsere Unterrichtseinheiten von 50 auf 45 Minuten reduziert. Die gewonnene Zeit fließt in die sogenannte POOL-Stunde, die immer vor der Mittagspause stattfindet. In dieser Stunde entscheiden die Schüler:innen selbst, was sie tun: Stoff wiederholen, Hausaufgaben erledigen, lernen, sich austauschen – oder auch einfach zur Ruhe kommen. Es ist eine Zeit des selbstbestimmten, gelingenden Lernens. Eine Lehrperson ist dabei stets anwesend und unterstützt bei Bedarf. Und: Vor Beginn der Stunde werden die Handys eingesammelt.
Sie arbeiten auch mit dem PERMA-Modell. Was bedeutet das?
Dr. Bergmeister-Keckeis: PERMA steht für fünf zentrale Elemente: Positive Emotion, Engagement, Relationships, Meaning und Accomplishment. Wir fördern eine positive Grundstimmung, setzen auf Stärkenorientierung, pflegen wertschätzende Beziehungen und schaffen Sinn. Erfolge werden gefeiert – groß oder klein. Prüfungen sind bei uns nicht nur Bewertung, sondern auch Lernchance. Unsere Schüler:innen dürfen z. B. eigene Fragen formulieren und beantworten oder wählen zwischen verschiedenen Aufgaben. Denn: Wer mitentscheiden kann, ist motivierter.
Wie reagieren die Jugendlichen auf dieses besondere Lernumfeld?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Zu Beginn ist es für manche ungewohnt. Einige sagen, es war bequemer, sich einfach „berieseln“ zu lassen. Bei uns merken sie schnell: Jetzt bin ich gefordert, selbst Verantwortung zu übernehmen. Das ist eine Umstellung. Aber wenn der Knoten einmal platzt, sind sie begeistert. Sie erleben sich als erwachsener, reflektierter, selbstbestimmter – das stärkt sie.
COOL trifft POOL
Reformpädagogik an der Berufsschule neu gedacht
POOL ist also ein echtes Unikat?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Ja, in dieser Form gibt es das nur bei uns – die Kombination aus COOL und positiver Psychologie ist einzigartig. Man hat mir sogar gesagt, dass es in ganz Europa keine vergleichbare Schule gibt.
„Die Kombination aus COOL und positiver Psychologie ist einzigartig – so eine Schule gibt es in ganz Europa kein zweites Mal.“
Dr. Barbara Bergmeister-Keckeis
Direktorin LBS Feldkirch
Erfolgreich und messbar
Was das POOL-Modell bewirkt
Gibt es schon messbare Erfolge durch POOL?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Ja, die gibt es. Unsere internen Zufriedenheitsanalysen zeigen eine stetig steigende Kurve. Lehrpersonen sagen, sie hätten mehr Zeit für Schüler:innen mit Unterstützungsbedarf. Und auch von den Jugendlichen selbst kommt Rückmeldung: Sie brauchen zum Teil keine Nachhilfe mehr. Natürlich ist der Aufwand zu Beginn hoch – aber er zahlt sich aus.
Wenn Sie den ISB Stiftungspreis gewinnen – wie würden Sie das Preisgeld einsetzen?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Ganz klar: in die Ausbildung unserer neuen Lehrpersonen. Die Ausbildung in positiver Psychologie ist essenziell, wird aber leider nicht von der Bildungsdirektion finanziert. Umso mehr würde uns dieses Preisgeld helfen, unser Konzept weiterzutragen.
Zukunft der Berufsbildung
Drei Wünsche für Österreichs Schulen
Zum Abschluss: Welche drei Wünsche haben Sie für die Zukunft der Berufsbildung in Österreich?
Dr. Bergmeister-Keckeis: Erstens: mehr Investitionen in die Führungskompetenz von Schulleitungen – da braucht es Managementqualifikationen. Zweitens: mehr Raum für die Persönlichkeitsentwicklung der Lehrpersonen. Und drittens: Bildung soll nicht nur auf Wissensvermittlung fokussieren, sondern Menschen zum eigenständigen Denken und Handeln befähigen – in der Schule, an den Hochschulen, ein Leben lang. Ich bin überzeugt: Die positive Psychologie kann auch Studierenden und zukünftigen Lehrpersonen sehr viel mitgeben.
Das ist der ISB Stiftungspreis
Eine Bühne für innovative Bildungskonzepte
Der ISB Stiftungspreis Bildungsinnovation ist eine Auszeichnung der Innovationsstiftung für Bildung in Österreich. Er wurde erstmals 2024 ins Leben gerufen und richtet sich an öffentliche und private Bildungseinrichtungen, die innovative Ansätze in der Bildung entwickeln und umsetzen. Mit einem Preisgeld von insgesamt 100.000 Euro werden Bildungseinrichtungen prämiert, die neue Wege gehen und zur Bildungsinnovation beitragen. Die Preisverleihung findet im Herbst 2025 in Wien statt.