26.01.2021

Raus aus der Jobkrise

Neue Qualifizierungsmaßnahmen gegen die Rekordarbeitslosigkeit 

Corona sorgt nicht nur in den Krankenbetten, sondern auch am Arbeitsmarkt für heftige Schmerzen: 15.763 Menschen sind in Vorarlberg derzeit in Arbeitslosigkeit, das entspricht einer Steigerung von 58 Prozent gegenüber dem Jänner 2020. Dazu kommen noch tausende Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Deshalb ist für AK-Präsident Hubert Hämmerle klar: „Wir brauchen ein Bündel neuer Qualifizierungsmaßnahmen, damit wir die Rekordarbeitslosigkeit überwinden können.“ Erfreulich: Laut einer repräsentativen Umfrage der AK Vorarlberg wollen sich fast 40 Prozent der Arbeitslosen weiterbilden, fast jeder Zweite wäre bereit, für eine neue Beschäftigung sogar den Beruf zu wechseln. Probleme gibt es hingegen beim Zusammenfinden von Angebot und Nachfrage, obwohl Arbeitgeber in der aktuellen Kurzarbeitsphase 60 Prozent der Ausbildungskosten vom AMS ersetzt bekommen würden. Die AK selbst tritt der Jobkrise mit einem umfangreichen Bildungsangebot und einem eigenen Stipendium entgegen.

Der Arbeitsmarkt befindet sich in einer Krise, die seit dem Zweiten Weltkrieg einzigartig ist, durch den verlängerten Lockdown verschärft sich die Situation weiter. Zu den fast 16.000 Arbeitslosen im Ländle kommen noch über 20.000 Personen in Kurzarbeit. Neben der Bewältigung der finanziellen Engpässe beschäftigt diese Menschen vor allem, wie sie es schaffen, in den Arbeitsmarkt zurückzukommen bzw. wie sie nach der Kurzarbeit „jobfit“ bleiben können. Denn eines ist klar: Arbeitslos ist ein hartes Los – jeder Jobverlust hat nachhaltige, negative Folgen. Für viele bedeutet sie gar akute Armutsgefährdung – und die betrifft vielfach dann ganze Familien. „Wie zuletzt in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Caritas und ifs dargestellt, verfügen die Hälfte aller Arbeitslosen über weniger als 927 Euro Arbeitslosengeld. Das ist deutlich weniger als die Armutsgefährdungsschwelle, die liegt im Ländle bei 1.286 Euro“, stellt Hämmerle klar.

Angebot sucht Nachfrage

iese Menschen befinden sich auch keineswegs in einer „sozialen Hängematte“ und legen die Hände in den Schoß. Das beweist eine repräsentative Umfrage des Instituts Dr. Berndt, bei der über 700 Arbeitslose und Kurzarbeitende befragt wurden. Demnach haben vier von zehn Arbeitslosen konkrete Weiterbildungspläne oder setzen diese bereits um. Bei den Angestellten trifft das sogar auf jeden Zweiten zu. Bei den Kurzarbeitenden ist dieser Wert deutlich geringer (28 Prozent), obwohl 60 Prozent dieser Gruppe berufliche Weiterbildung als sehr große oder große Chance sehen. „Offensichtlich gibt es hier Probleme beim Zusammenfinden von Angebot und Nachfrage. Und vermutlich auch zu wenig Info und Bewusstsein“, vermutet AK-Direktor Rainer Keckeis. Schließlich wurden bislang nur wenige von ihrem Arbeitgeber auf eine mögliche Weiterbildung angesprochen. „Und das, obwohl Weiterbildung in der aktuellen Kurzarbeitsphase 3 vom AMS mit 60 Prozent gefördert wird.“

Neben Höherqualifizierung wäre es aber auch wichtig, dass Bildungswillige an Umschulungen teilnehmen können. Zwar waren rund 55 Prozent der Befragten mit ihrem bisherigen Job sehr zufrieden oder zufrieden, aber nur 27 Prozent glauben, dass er oder sie den bisherigen Beruf in den nächsten sechs Monaten wieder ausüben können. Dass Umschulungen nicht immer unterstützt werden, zeigt das Beispiel eines gelernten Kochs: Diesem wurde eine Umschulung verwehrt, weil er „sowieso bald wieder einen Job bekomme“. Übrigens: Hauptmotivation für einen Berufswechsel ist „geringes Einkommen“, gefolgt von „wirtschaftlicher Situation“, „Unzufriedenheit mit der eigenen Tätigkeit“ und „schlechte Arbeitsbedingungen“.

Frauen leiden unter Barrieren

Je höher der Bildungsabschluss ist, umso offener und aktiver zeigen sich Betroffene gegenüber Qualifizierungsmaßnahmen. Allerdings gibt es einen markanten Unterschied bei den Geschlechtern: „Frauen haben wesentlich mehr Barrieren beim Zugang zu Qualifizierungsmaßnahmen angegeben als Männer. Haushalt, Kinderbetreuung und Pflegeleistungen werden nach wie vor überwiegend von Frauen erledigt. Dadurch ergeben sich oft unüberwindliche Probleme in punkto Zeit, Erreichbarkeit oder vor allem bei Alleinerzieherinnen auch Finanzierung“, so Keckeis.

Neue Qualifizierungsmaßnahmen und Forderungen

Die möglichst rasche Weiterbildung oder Umschulung von arbeitslos gewordenen Personen erhöht nicht nur die Chancen, schnell wieder einen Job zu bekommen, sondern es ist auch der effektivste Ansatz aktiver Arbeitsmarktpolitik“, ist der AK-Direktor überzeugt. „Die Arbeitnehmer zahlen ihre Beiträge in die Arbeitslosenversicherung selbst und haben daher auch das Recht auf die beste Beratung und Vermittlungsunterstützung.“ Das Motto „Koste es, was es wolle“ dürfe nicht nur die Parole für die Betriebe sein, auch die Arbeitnehmer hätten ein Recht darauf, möglichst stark aus der Krise heraus zu kommen. „Früher war die rasche Vermittlung oberste Prämisse in der Beratung von Arbeitssuchenden, jetzt ist die rasche Zusatzqualifizierung oder Ausbildung mindestens im gleichen Maße wichtig“, so Keckeis. 

Wir befinden uns in einem Strukturwandel der Arbeitswelt, getrieben von langfristigen  und tiefgehenden Entwicklungen wie der Klimakrise, der Digitalisierung und dem demografischen Wandel. Beschäftigungsstrukturen ändern sich, Berufsprofile und Anforderungen ebenfalls und das möglicherweise mehrmals in einem Arbeitsleben. Es gilt daher, ein Umfeld zu schaffen, in dem es möglich ist, sich weiterzubilden oder neu zu orientieren, ohne dabei seine Existenz bzw. die der Familie zu gefährden.

Daraus ergeben sich für AK-Präsident Hubert Hämmerle folgende Forderungen:

  • Mehr AMS-Beratungspersonal für Qualifizierungsoffensive
    Studien belegen, dass die intensivere Betreuung von Arbeitssuchenden durch ihre Berater einer der wichtigsten Schlüssel für die Verkürzung der Arbeitslosigkeit ist. Gerade jetzt wäre es höchste Zeit, die Beratungskapazitäten beim AMS zu erhöhen. Denn die Belastung ist in der Krise um ein Vielfaches gestiegen. Auf einen Berater kommen mittlerweile mehr als 400 Klienten. 
    Forderung: Der Beratungsschlüssel ist möglichst rasch auf maximal 150 Klienten pro Berater zu reduzieren bzw. zu deckeln.

  • Weiterbildung als fixer Kurzarbeits-Bestandteil
    Eine Aus-, Fort- und Weiterbildungspflicht wurde bereits im Rahmen der Kurzarbeit Phase 3 eingeführt. Sie ist jedoch so ausgestaltet, dass sie über den Arbeitgeber abgewickelt wird. Fakt ist: Sie wird zu wenig genutzt! Nur sieben Prozent der vom Institut Dr. Berndt Befragten haben davon berichtet und das AMS hat im letzten Jahr gerade einmal von 84 Unternehmen Weiterbildungsanträge für Mitarbeiter in Kurzarbeit erhalten. Dagegen zeigt fast jeder Zweite großes Interesse an Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der Kurzarbeit. 
    Forderung: Aufruf an die Arbeitgeber, die Möglichkeit zur Weiterbildung im Rahmen der Kurzarbeit 3 mehr zu nutzen (schließlich werden die Maßnahmen zu 60 Prozent vom AMS finanziert) sowie das Weiterbildungspaket auch in die künftige Kurzarbeitsphase 4 zu integrieren. Allerdings muss der Zugang deutlich unbürokratischer werden und es muss einen direkten Weiterbildungsanspruch für die Arbeitnehmer geben.

  • Umschulung oder Berufswechsel muss möglich sein
    Viele Arbeitslose oder auch Kurzarbeitende wollen aus verschiedenen Gründen ihren Beruf wechseln – sei es wegen Verdienstmöglichkeiten, Arbeitszeiten, der wirtschaftlichen Situation oder schlechten Arbeitsbedingungen. Oft wird dieser Wunsch nach Umschulung allerdings verwehrt.
    Forderung: Der Wunsch nach Berufswechsel bzw. Umschulung ist jedenfalls zu berücksichtigen, egal in welcher Branche der oder die Betreffende tätig war oder ist.

  • Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent
    Die AK Vorarlberg hat bereits auf die Sorgen und Existenzängste verwiesen, die leider oft mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergehen. Die arbeitenden Menschen zahlen sich über den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung alle aktiven und passiven Arbeitsmarktmaßnahmen (inklusive der Verwaltungskosten des AMS) bis auf einen geringen Bundeszuschuss von 600 Millionen Euro (Gesamtbudget: 7,9 Milliarden Euro) selbst. 
    Forderung: Erhöhung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von derzeit 55 auf 70 Prozent um Existenzen zu sichern und Gedanken an eine Weiterbildung überhaupt zu ermöglichen.

AK-Stipendium macht Aus- und Weiterbildung leistbar

Bildung schafft Zugang zum Arbeitsmarkt, deshalb muss sie unter allen Umständen leistbar sein. „Deshalb bietet die AK Vorarlberg ihren Mitgliedern mit dem AK-Stipendium bis zu 50 Prozent Ermäßigung auf mehr als 270 Kurse am BFI der AK und am Digital Campus Vorarlberg an“, informiert der AK-Direktor.

Für eine gelungene Qualifizierungsoffensive braucht es ein optimiertes Zusammenführen von Angebot und Nachfrage für Arbeitslose und Kurzarbeitsbeschäftigte. Zu diesem Zweck mobilisiert die Arbeiterkammer Mittel für die Einrichtung einer digitalen Erstanlaufstelle und „Fast Lane“-Bildungsberatung. Dadurch sollen Arbeitslose und Menschen in Kurzarbeit die Chance einer finanziell geförderten Höherqualifizierung oder Umschulung nutzen und möglichst rasch wieder am Arbeitsmarkt durchstarten können.

Zudem verweist Keckeis auf zahlreiche weitere Angebote der AK. „wieweiter.at“ beispielsweise beschäftig sich mit allen Bildungsfragen, bei denen AK-Mitglieder und deren Familien anstehen. Die Initiative „Du kannst was!“ richtet sich an alle, die zwar keinen Lehrabschluss in der Tasche haben, aber ihre beruflichen Chancen erhöhen möchten. Und bei der „Lernhilfe auf Abruf“ unterstützen angehende Pädagoginnen und Pädagogen der PH Vorarlberg Schüler der Sekundarstufe I in Deutsch, Englisch und Mathematik.

Das Video der Pressekonferenz steht Ihnen hier zur Verfügung: 


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