28.7.2020

Nagelprobe für den Arbeitsmarkt 

Corona-Kurzarbeit III wird auf lange Sicht nicht genügen – AK fordert umfassendere Maßnahmen für Jobsuchende

Die Sozialpartner haben mit Hochdruck die Kurzarbeit III vor dem Hintergrund düsterer Zukunftsperspektiven verhandelt. Diese dritte Variante der Corona-Kurzarbeit wird zur Nagelprobe: Werden die Arbeitslosenzahlen steigen, sobald Unternehmen weniger lukrative Bedingungen vorfinden? AK-Präsident Hubert Hämmerle befürchtet einen heißen Herbst.


Auf den ersten Blick scheint alles gut: Aktuell sinkt die Zahl der Arbeitslosen. Zwar suchen in Vorarlberg noch immer 14.125 Menschen einen Job. Aber es sind gegenüber Mai um 2671 weniger. Das Minus beträgt stolze 15,9 Prozent. „Diese Momentaufnahme freut auch uns“, aber beruhigen kann sie Hämmerle nicht. Die Prognosen der großen Institute wie IHS oder WIFO unterscheiden sich nur im Grad ihrer Beklemmung. Was an Vorarlberger Indikatoren Auskunft gibt, ist nicht erfreulicher.

Ist die Talsohle der wirtschaftlichen Krise durchschritten? Alle wünschten sich das, „wir ganz besonders“. Immerhin verzeichnet die AK bis zuletzt über 1000 Anträge auf Unterstützung durch den Härtefallfonds. „Und ihre Zahl steigt weiter.“ Rund 900 AK-Mitglieder kämen ohne Mietkostenzuschuss nicht mehr klar. Mehr als 200 Kleinkredite wurden beantragt.

Gleichzeitig beschäftigen laut Auskunft des AMS 5200 Vorarlberger Betriebe derzeit 31.300 Frauen und Männer in Kurzarbeit. Angemeldet waren ursprünglich sogar 99.700, bestätigt das AMS. Nur ein Drittel des befürchteten Volumens wurde ausgeschöpft. Mit Blick auf den Herbst mehren sich die Anträge auf Verlängerung. Aber welche Auswirkungen die neue Kurzarbeit haben wird, die nicht mehr so großzügig gestaltet sein wird, weiß niemand. Die von der Arbeitgeberseite verlangte Ausbildungspflicht für Kurzarbeitende sieht Hämmerle kritisch. „Sie steht und fällt mit der Sinnhaftigkeit der Weiterbildung“, betont er. Vor Alibi-Kursen als Beschäftigungstherapie warnt er. 

1300 Vorarlberger Unternehmen haben aktuell bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) um Stundung ihrer Beiträge angesucht. Als Österreich quasi auf Notbetrieb herunterfuhr, haben Unternehmen allein im März 20.682 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abgemeldet. Im April waren es immerhin noch 6668. Seit Mai (4640) steigt die Zahl der Abmeldungen nun wieder. Im Juni waren es schon wieder 5976. Gestiegen ist auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen. Waren es Ende Juni 2019 noch 2582 Personen, die länger als ein Jahr ohne Beschäftigung waren, stieg ihre Zahl Ende Juni 2020 auf 3565. Warum? Das AMS konnte aufgrund von Corona fast drei Monate lang keine Schulungen durchführen. Da ging nix weiter. Als Langzeitarbeitslose kämpfen die Menschen aber mit deutlich größeren Vermittlungshemmnissen. 

Insgesamt rechnet das AMS Vorarlberg mit einer schwierigen Entwicklung. Im Vorjahr zählte Vorarlberg 170.000 unselbständig Beschäftigte, heuer werden es zum Jahreswechsel noch 160.000 sein, bis Mitte 2021 könnte ihre Zahl wieder auf rund 163.000 steigen. Dann wären immer noch mehr als 12.000 Menschen in Vorarlberg ohne Arbeit. Und das ist noch die optimistische Schätzung unter der Voraussicht, dass nicht eine zweite Welle an Corona-Infektionen über Österreich hereinbricht. 

Fazit: „Wir werden eine aktive, fantasievolle Arbeitsmarktpolitik brauchen und deutlich mehr Investitionen in den zweiten Arbeitsmarkt.“ Auch dürfen Hämmerles Ansicht nach Hoffnungsbranchen wie die Gesundheits- und Sozialberufe nicht länger stiefmütterlich behandelt werden. „Hier nicht mehr zu investieren heißt eine Chance verpassen.“ Faire Gehälter, Weiterbildung und gute Arbeitsbedingungen würden viele Menschen dazu bewegen, „umzusatteln“. Das bestätigt auch das AMS. Und „wir werden in diesen Berufen viel mehr Kräfte brauchen, das wissen wir nicht erst seit Corona“, betont der AK-Präsident.

Überdeutlich zeigen die Arbeitsmarktdaten, „dass Corona die ganz Jungen am härtesten getroffen hat.“ Zwischen Jänner und April 2020 ist die Zahl der arbeitslosen Unter-25-Jährigen bundesweit um 73 Prozent gestiegen, von 35.332 auf 61.216. Damit haben die arbeitslosen Jugendlichen alle anderen Altersgruppen überholt. Der Rückgang der angemeldeten Lehrstellen betrug im April 2020 österreichweit 24 Prozent. In Vorarlberg waren Ende Juni 2020 noch immer 1100 Jugendliche beim AMS gemeldet, das sind um 72,5 Prozent mehr als im Vorjahresmonat.

„Die Betroffenen erfahren beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, dass sie eigentlich nicht gebraucht werden.“ Dieses Signal ist in den Augen Hämmerles verheerend. Deshalb muss abseits der Kurzarbeit III ein Hauptaugenmerk auf den Jugendlichen liegen, die Corona ihrer Chancen beraubt hat, noch ehe sie sich beweisen konnten. 

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